Altstadt. Senioren nehmen die Reisehilfen in Anspruch. Wer keine Familie hat, bekommt eine Tüte mit Geschenken. Einige Stammgäste ziehen bitter Bilanz.
Jedes Jahr ist der Advent in der Bahnhofsmission eine turbulente Zeit. „Stille Nacht ist definitiv woanders“, stellt Bodo Gräßer, einer der beiden Leiter nach kurzer Überlegung fest. „Zum Glück haben wir viele Freunde, die unsere Arbeit mit guten Gaben unterstützen.“
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Da gibt es zum Beispiel den Freundeskreis der Bahnhofsmission. Die Frauen treffen sich das ganze Jahr und lassen die geschickten Hände fliegen. Zum großen Basar mit Tag der offenen Tür im Herbst haben sie dann genug Stricksocken, Häkelmützen und Stickdecken fertig, um Geld in die Kasse der Mission zu bringen. Die schönen Sachen werden wiederum gerne von Menschen als Weihnachtsgeschenke mitgenommen, die wissen, dass ihr Geld so einem guten Zweck zukommt. Und dann sind da auch noch größere Sachspenden, die gesammelt und sortiert werden müssen. Besonders freuen sich die 47 Mitarbeiter, wenn jemand in der Türe steht, der sagt: „Ich habe zwar selber nicht viel, aber ein Päckchen Kaffee und eine Tafel Schokolade will ich auch beisteuern.“ Sie sehen solche kleinen Geschenke als große Anerkennung für ihre Arbeit.
130 Päckchen für Leute, die sonst wenig Weihnachtsfreude haben
Seit vier Jahren ist die pensionierte Textilfachverkäuferin Monika Mengoni mit von der Partie bei den fleißigen Helfern in der Mission. Sie genießt die Festvorbereitungen im großen Kreis. „Wir packen hier so um die 130 Päckchen, also eigentlich Tüten, für unsere Stammgäste, denen wir auch ein bisschen die Familie ersetzten“, sagt sie. Die Geschenke sind alle gleich. In jedem Beutel sind Weihnachtssüßigkeiten, Schokolade, Kaffee, Duschgel und Seife. „Und wir dekorieren hier alles richtig schön, mit Weihnachtsbaum und Sternen und Engeln“, erzählt sie und strahlt dabei. Die Stammgäste der Mission sollen Wertschätzung erleben, die in ihrem rauen Alltag oft fehlt, und sich glücklich fühlen.
Gräßer bekommt mit, dass manche Gäste für sich selbst eine enttäuschte Jahresbilanz ziehen. „Ich wollte doch dieses Jahr so viel erreichen, aber ich habe es wieder nicht geschafft.“ Damit sollen sie nicht alleine bleiben, sondern ein Angebot von Nähe und Gemeinschaft bekommen, so wie sie sind.
Nur an Heiligabend wird es etwas ruhiger
Im Advent nimmt die Reisebereitschaft vieler Menschen zu. Auch solcher, die nicht auf einem Esel zu einer Volkszählung unterwegs sind oder einen besonderen Stern gesehen haben. Viele ältere Leute fahren zu ihren Verwandten und nutzen die Reisehilfen der Bahnhofsmission. Kinder fahren an den Feiertage zwischen den getrennt lebenden Eltern hin und her. Studenten kommen in die Stadt und das Haus ihrer Kindheit zurück. Etwas ruhiger wird es in der Bahnhofshalle erst am Heiligen Abend. Monika Mengoni schüttelt den Kopf: „Aber nicht bei uns. Wir decken dann hier die Tische ganz festlich ein, und es gibt ein besonders reichhaltiges Frühstück mit Lachs und Schinken und Christstollen und allem, was das Herz begehrt, damit keiner alleine bleiben muss“, sagt sie.
Dann wird es wieder so voll sein, dass die Leute vor der Türe Schlange stehen, bis für sie ein Platz am Tisch frei wird. „Das ist immer ein großes Kommen und Gehen“, erklärt Gräßer. Natürlich. So steht es schon in der Weihnachtgeschichte vom Stall zu Bethlehem, der auch nicht alle Gäste auf einmal fasste: Maria und Josef mit Esel rein. Schafe raus. Weise aus dem Morgenland rein. Weise raus. Hirten rein ...