Duisburg. Bejan Yakin ist aus Afghanistan geflüchtet. Er wird für „besondere Integrationsleistung“ gelobt. Doch bei seiner Einbürgerung gibt es Probleme.

Sechs Jahre, nachdem er mit seiner Familie aus Afghanistan nach Deutschland geflüchtet ist, möchte Bejan Yakin deutscher Staatsbürger werden. Doch nach Lage der Dinge wird die SPD, in der sich der 20-Jährige engagiert, bei der Kommunalwahl im September 2020 wohl auf seine Stimme verzichten müssen: Einen Erstberatungstermin bei der Einbürgerungsstelle hat der junge Mann erst für den 9. November 2020 bekommen. Yakin wirft der Behörde deshalb vor, er habe „als Mensch mit Migrationshintergrund strukturelle und institutionelle Diskriminierung erfahren“.

Wer bei Wikipedia ein Musterbeispiel für Integration sucht, findet möglicherweise ein Bild von Bejan Yakin. Nach seiner Flucht ist er im hessischen Bad Orb aufgewachsen, wo er mit Unterstützung der Hertie-Stiftung für besonders talentierte Schüler mit Migrationshintergrund Abitur machte. Seit gut einem Jahr lebt er nun in Wanheimerort, sein Studium der Sozialwissenschaften an der Uni Düsseldorf wird von der Studienstiftung des deutschen Volkes gefördert. Als anerkannter Flüchtling hat er nun parallel zur Einbürgerung auch die Niederlassungserlaubnis beantragt.

„Besondere Integrationsleistungen“ können die Frist verkürzen

Deutscher, so argumentiert der 20-Jährige, könne er bereits nach sechs statt der eigentlich vorgesehenen acht Jahre werden, weil er „besondere Integrationsleistungen“ im sozialen und gesellschaftspolitischen Bereich vorweisen kann. Neben dem Schulabschluss beruft er sich auf sein Engagement in der SPD, der er seit drei Jahren angehört – in Duisburger ist er aktiv in der Arbeitsgemeinschaft Europa. „Schon als Schüler habe ich beim Aufbau eines Jugendzentrums mitgemacht, an der Uni bin ich im Organisationsteam der Fridays-for-Future“, berichtet er.

Von dem Anspruch auf eine verkürzte Frist für die Einbürgerung werde er keinen Gebrauch machen können, fürchtet Bejan Yakin.
Von dem Anspruch auf eine verkürzte Frist für die Einbürgerung werde er keinen Gebrauch machen können, fürchtet Bejan Yakin. © FUNKE Foto Services | Foto: Tanja Pickartz

Für seine Eile bei der Einbürgerung hat er mehrere Gründe: „Meine Schwester lebt in London. Das Visum für einen Besuch bei ihr kostet mich jedesmal 250 Euro“, erklärt Bejan Yakin, „außerdem möchte ich gern im September von meinem Wahlrecht Gebrauch machen.“ Angesichts der einjährigen Wartezeit für das Erstgespräch, einem weiteren Termin für die Einreichung des Antrags und der Prüfung werden aber wohl fast zwei Jahre vergehen, bis er den deutschen Pass bekommt, fürchtet er: „Damit kann ich diesen mir gesetzlich zustehenden Bonus nicht wirklich in Anspruch nehmen“.

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Verwaltung: Krankheit und vakante Stellen

Die Verwaltung bedauert die lange Wartezeit. Sie resultiere „aus einer hohen Anzahl von Einbürgerungsanträgen verbunden mit personellen Schwierigkeiten durch Krankheitsausfälle und vakante Stellen in der Einbürgerungsstelle“, so Stadtsprecher Peter Hilbrands auf Nachfrage, „wir arbeiten daran, diesen für die Betroffenen misslichen Umstand abzustellen“. Angesichts der Personalnot würden mit Priorität Fälle bearbeitet, bei denen den Antragstellern gravierende Nachteile drohen, wenn Fristen bei Aufenthaltstiteln und Zuzugsgenehmigungen verstreichen. „Bei einer Einbürgerung trifft dies nur bedingt zu, da die Antragsteller über einen gesicherten Aufenthaltstitel verfügen und ihnen durch die verzögerte Einbürgerung keine wesentlichen Belastungen und Einschränkungen entstehen.“ Im vergangenen Jahr haben laut Stadtverwaltung 1.062 Duisburger die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen, im Jahr 2018 waren 1.082 und im 2017 1.052 Personen.

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Die Verwaltung hofft, dass sich die „sehr unbefriedigende aktuelle Situation“ bald durch Neueinstellungen entspannen werde. Dann werde man sich „natürlich auch mit Herrn Yakin in Verbindung setzen“. Der seinerseits hat sich nicht nur an OB Sören Link, sondern auch an die Bundestagsabgeordnete Bärbel Bas (SPD) gewandt. „Ich komme aus einem Land, dass vom Krieg zerstört ist. Die EU ist für mich ein Friedensprojekt. Ich möchte gern auch offiziell dazugehören“, sagt Bejan Yakin.

Diskriminierung: Stadt weist Vorwurf zurück

Kritik übt Bejan Yakin auch an der komplizierten Terminvergabe bei der Einbürgerungsstelle, die ebenso wie die Ausländerbehörde zum Bürger- und Ordnungsamt der Stadt gehört. Während die Vereinbarung per Telefon oder online an den Bürger-Service-Stationen, die hauptsächlich für Angelegenheiten der deutschen Bürger zuständig sind, reibungslos möglich sei, „muss man bei der Ausländerbehörde teilweise stundenlang warten, um einen Termin vereinbaren zu können, der dann in zwei Monaten ist“, der 20-Jährige, „die Umstände bei dieser Behörde sind katastrophal“. Die Verwaltung betone war öffentlich die Vielfalt,diskriminiere aber institutionell in den genannten Behörden Menschen mit Migrationsgeschichte, so der Soziologie-Student.

Diesen Vorwurf weist Stadtsprecher Peter Hilbrands zurück: „Wie in vielen anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung werden alle Menschen gleich behandelt, ohne Ansehen der Person, des Geschlechts oder der Herkunft. Es gehört zum Leitbild der Stadt Duisburg darauf zu achten, dass Äußerungen und Handlungen, die sich in herabsetzender oder benachteiligender Absicht gegen Menschen mit Migrationshintergrund richten, unterbleiben. Die Stadt sei bestrebt, „das Angebot einer Online-Terminvermittlung kontinuierlich auszubauen. Nach der erfolgreichen Einführung in den Bürgerservicestellen folgen jetzt Führerscheinstelle, Zulassungsstelle und dann das Ausländeramt. Weitere Dienstleistungsbereiche werden folgen“.