Duisburg-Neudorf. Gläubige haben einen letzten Gottesdienst vor der Neudorfer Christuskirche gefeiert. Vor allem einer ist tieftraurig über die Schließung.
Kalt und klar ist es an diesem Morgen. Die Sonne scheint auf die Christuskirche in Neudorf. Die Gemeindemitglieder stehen im Schatten des alten Bauwerks. Abschied wollen sie nehmen von dem Gotteshaus. Aus Sicherheitsgründen dürfen sie die Kirche nicht mehr betreten. Seit sieben Jahren ist sie geschlossen, eine Finanzierung der Sanierungskosten ist für die Gemeinde nicht zu stemmen.
Seither finden die Gottesdienste im benachbarten Gemeindehaus statt. Nicht in der Kirche zu feiern, ist somit nichts besonderes mehr für die Gemeindemitglieder – und doch ist es an diesem kalten Morgen anders: Die Kirche wird offiziell entweiht. Eng zusammengerückt auf Holzbänken sitzen die Gemeindemitglieder während Pfarrer Martin Nadolny den letzten Gottesdienst hält.
Ein letztes gebet und dann wird das Gotteshaus als solches vom Pfarrer entweiht
Seit 1981 ist er als Pfarrer für die Gemeinde tätig. An die Kirche hat er viele Erinnerungen. „Es ist ein emotionaler Tag für mich. Auch wenn wir seit Jahren nicht mehr in der Kirche waren, ist es doch schwer, die Kirche zu entweihen.” Wie es die Tradition erfordert, lässt er bei dem Gottesdienst die Altarbibel, Taufschale und die Kelche aus der Kirche tragen, spricht ein letztes Gebet und entweiht das Gotteshaus. Viele der Mienen vor der großen Eingangstür versteinern. Manch einer wirft einen letzten Blick hinein in die dunkle Kirche – auf zusammengeschobene Bänke und lose Bretter auf dem Boden.
1981 wurde Nadolny in der Christuskirche ordiniert. „Bis 2014 habe ich nebenan im Pfarrhaus mit meiner Familie gelebt”, sagt er. Dann wurde dieses Haus abgerissen. „Wenn ich zurückblicke, ist da so vieles, so Unterschiedliches, das ich in Erinnerung behalte. Ich habe dort gerne gelebt und gearbeitet.” Er habe zugesehen, wie sich die Welt um die Kirche und sein Heim veränderte.“ Die Nachricht von der Tschernobyl-Katastrophe, Kriege, aber auch Weltmeisterschaften, die ich dort gesehen habe”, erinnert er sich. Mit der Welt verändert sich auch die Kirche. Wie es weitergeht mit der Gemeinde, weiß niemand.
Nachbargemeinde der Kirche St. Ludger möchte die evangelische Gemeinde unterstützen
Schwebezustand. Wer Ideen und Pläne hat, hält sich bedeckt. Zu frisch scheint der Schmerz. Der Posaunenchor spielt. In Dur. Trotzdem klingt die Musik traurig. Pfarrer Nadolny steht auf den Stufen der Eingangstreppe, verlagert das Gewicht wegen der Kälte von einem auf das andere Bein. Er hofft auf Gott. „Er hat versprochen, auch in schlechten Zeiten da zu sein”. Da ist jedenfalls die Nachbargemeinde St. Ludger. Norbert Fischer und Edmund Segerath nehmen am Gottesdienst teil. „Wir stehen in engem Kontakt mit der evangelischen Gemeinde. Wenn wir helfen können, werden wir es tun”, sagen die Männer. Still und mit gesenkten Köpfen geht es vin der Christuskirche aus zum Gemeindesaal. Ein Trauerzug.
Seit 1908 wurden in der Kirche Gottesdienste gehalten. Die Gemeinde wird es auch weiterhin geben. Für Gemeindemitglied Ariane Stedtfeld zählt das besonders. „Ich fühle mit den Menschen, die an die Kirche viele Erinnerungen haben, etwa Taufen und Hochzeiten. Doch wir müssen daran denken: Die Gemeinde zählt. Kirche bedeutet für mich zusammenzukommen – und das können wir auch im Gemeindehaus“, sagt sie. Trotzdem bleibt vielen der Wunsch, irgendwann einmal wieder in einer Kirche Gottesdienst zu feiern. Ob und wie das möglich ist, weiß momentan niemand.
Die Kirche soll verkauft werden – es gibt einen Interessenten
Da die Gemeinde eine Sanierung nicht stemmen kann, soll die Kirche verkauft werden. Mit Hung Bui, einem ehemaligen Antiquitätenhändler und Event-Veranstalter aus Düsseldorf, gibt es allerdings einen Interessenten. Er möchte aus dem Gotteshaus einen Ort für Feiern und Kulturveranstaltungen machen. Er gibt außerdem an, dass die Gemeinde die neuen Räumlichkeiten auch nutzen dürfe.