Duisburg. Wie das Duisburger Doku-Filmfestival nicht nur filmisch neue Räume erschließt, sondern sich auch stärker gegenüber der Stadt öffnet.

Eva ist jung, Berlinerin, Autorin, Sexarbeiterin, Feministin, Model – eine wandelnde Ich-AG, die heute euphemistisch „Influencerin“ genannt wird. „Searching Eva“ von Pia Hellenthal versucht, den Spagat zwischen Identität und selbstausbeuterischer Anpassung zu dokumentieren. Die Filmdoku ist eine von vielen bemerkenswerten Perlen der 43. Duisburger Filmwoche, die ab Montag beginnt.

24 Dokus zeigen, wie experimentelle und klassische Seiten des Dokumentarfilms

Denn an „Searching Eva“ zeigt auch aktuelle Strömungen im scheinbar fixierten ästhetischen Rahmen des Dokumentarfilms: So lässt Hellenthal „Likes“ aus den sozialen Medien erscheinen. Erst einzeln, dann in Matrix-artigen Kaskaden auf einem schwarzen Bildschirm. Eine ästhetische Dramatisierung inmitten des ansonsten auf Authentizität bedachten, nicht-fiktionalen Genres, fast ein Kommentar.

Solche Grenzgänge findet man zwar nicht in jedem der 24 Dokus, die erstmals eine sechsköpfige Sichtungskommission unter 430 Einsendungen auswählte. Doch war man darauf bedacht, auch Formaten mit einer experimentelleren Filmsprache einen Raum zu geben, sagt Gudrun Sommer, die als Doppelspitze mit Christian Koch die Filmwoche und „doxs!“ leitet. Und damit auch neue Impulse setzen will.

Einblicke in die ,blinden Flecken’ unserer Gesellschaft

Nahezu klassisch zeigt dagegen „Hambi - Der Kampf um den Hambacher Wald“ von Lukas Reiter die Aktivitäten der Protestler im Forst – wenn auch perspektivisch stets aus der Innensicht. Denn der Filmautor war selbst Umweltaktivist. Er zeigt die Polizeiaufmärsche, das Katz-und-Maus-Spiel der Demonstranten mit den „Räum-Kommandos“. Ein Lehrstück auch über die Strategien der Aktivisten.

Die „blinden Flecken in unserer Gesellschaft“ hat sich die Duisburger Filmwoche zum Motto gemacht: „Wer erstickt, wo wir atmen?“, fragen die ausgesuchten Filme. Auch solche ,Flecken’ sind gemeint, die übersehen werden, weil sie als beinah selbstverständlich gelten – etwa der Zwist mit den Rollenbildern in der Ehe oder der Männerberuf des Binnenschiffers.

Stadt Duisburg stützt Filmwoche mit neuem Preis von 5000 Euro

Andere Flecken wiederum, tauchen selten auf dem Tisch der Gesellschaft auf, weil sie teils ins Reich der Fiktion und Mythen gehören: In der ,harten Welt’ der deutschen Gangster-Rapper und Clans kollidieren Klischees des Macker-Kults mit den trostlosen Perspektiven der Kleinkriminalität und Unterordnung in der Familie. Die Filmautoren Noél Dernesch und Olli Waldbauer begleiten diese, und „gehen den ,Gangstern’ bewusst und lustvoll auf den Leim“, verrät Koch.

Die neuen Akzente werden in der Programmgestaltung, Filmwahl und auch in dem neuen, mit 5000 Euro dotierten Preis der Stadt Duisburg sichtbar. Kulturdezernent Thomas Krützberg unterstreicht die Bedeutung des Duisburger Filmfestivals nicht nur monetär: „Es ist herausragend, hoch angesehen und uns wichtig.“

Umgekehrt streben die Festivalmacher einen weiteren Schritt in die Stadt an: „Wir beziehen den Dellplatz mit ein“, kündigt Gudrun Sommer an. Neben dem Filmforum liegt das Festivalzentrum in der Kurszeit am Dellplatz 11, wo vom 4. bis 11. November auch die Filmkarten zu kaufen sind. Die Diskussionen finden im Josephshaus an der Goldstraße 18 statt.