Duisburg. Vor 70 Jahren wurde der Deutsche Gewerkschaftsbund gegründet. Der Einsatz für soziale Gerechtigkeit prägen ihn noch heute – auch in Duisburg.

70 Jahre DGB, das sind auch 70 Jahre gemeinsamer Einsatz für soziale gerechte Gesellschaft, bessere Arbeitsbedingungen und faire Löhne. Noch immer gelten die Worte des ersten DGB-Vorsitzenden Hans Böckler, der 1949 bei der Gründung der Einheitsgewerkschaft in München versprach: „Die Zukunft der arbeitenden Menschen zu einer besseren zu gestalten.“ An das Versprechen dürfte heute Abend erinnert werden, wenn der DGB Region Niederrhein bei einer Festveranstaltung im Duisburger Rathaus auf die Gewerkschaftsarbeit in Duisburg sowie den Kreisen Kleve und Wesel blickt.

„Es ist viel erreicht worden. Wenn die Gewerkschaften nicht wären, würde die Arbeitswelt anders aussehen“, ist der ehemalige DGB-Vorsitzende Dieter Schulte überzeugt. Der gebürtige Duisburger lernte in den 50er Jahren das Maurerhandwerk, wechselte 1959 in die Stahlindustrie und IG-Metall. Von 1994 bis 2002 war er DGB-Bundesvorsitzender. Er weiß: „Vieles, was heute selbstverständlich erscheint, ist von den Gewerkschaften errungen worden.“ Zum Beispiel die tariflich festgelegten Arbeitszeiten. Ein 1. Mai Plakat anno 1956, auf dem ein Junge fordert „Samstags gehört Vati mir“, gehört bis heute zu den Klassikern der politischen Werbung. Die Einführung eines 13. Monatsgehalt, der gesetzliche Mindestlohn oder die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung in der Gesetzlichen Krankenversicherung sind nur ein paar Beispiele.

Die Kruppianer erleben 1987 eine gewaltige Solidarität

Dieter Schulte weiß aber auch, dass es den einen oder anderen Skandal gab, der „dem DGB geschadet hat.“ 1986 musste der Gewerkschaftsbund sein Wohnungsunternehmen „Neue Heimat“ zum symbolischen Preis von einer D-Mark verkaufen, weil durch eine riskante Expansion und Betrügereien Milliardenverluste entstanden sind. Für den DGB brach eine schwierige Zeit an. Für viele Duisburger persönlich aber noch eine viel schlimmere.

Rheinhausen, 1987: Nach der Verkündigung der Schließungspläne der Rheinhauser Hütte durch Krupp-Chef Gerhard Cromme begann ein 160-tägiger Kampf um die Hütte. Medien aus ganz Deutschland und darüber hinaus haben den Kampf der Kruppianer um „ihr“ Werk begleitet. Die Belegschaft war nicht alleine. Die Nachbarn kämpften mit, Kirchen, Politiker, Betriebsräte anderer Unternehmen und vielen Duisburger. Ganz Rheinhausen kämpfte um „seine“ Zukunft. Bilder der besetzten Rheinbrücke, von Kundgebungen vor Tor 1, vom Aufruhr-Konzert im Walzwerk sind noch heute präsent.

Im Januar 1988 marschierten die Arbeiter der Rheinhauser Hüttenwerke zur „Brücke der Solidarität“, um gegen die Pläne der Krupp Stahl AG zu protestieren, das Werk still zu legen.
Im Januar 1988 marschierten die Arbeiter der Rheinhauser Hüttenwerke zur „Brücke der Solidarität“, um gegen die Pläne der Krupp Stahl AG zu protestieren, das Werk still zu legen. © Manfred Vollmer | Manfred Vollmer

Der Kampf symbolisiert bis heute eine gewaltige Solidarität, „die auch mich sozialisiert hat“, sagt Angelika Wagner. Die Regionsgeschäftsführerin des DGB Region Niederrhein, der mit seinen acht Gewerkschaften in dieser Region etwa 125.000 Gewerkschaftsmitglieder vertritt, erinnert aber auch an das, was danach entstanden ist: die Ansiedlung von Logport. In zwei Jahrzehnten wurden auf dem alten Krupp-Gelände rund 50 Unternehmen angesiedelt, 5000 Arbeitsplätze sind nach Angaben von Duisport entstanden. Auch aus Gewerkschaftssicht ist dies eine Erfolgsgeschichte für Duisburg. Allerdings kämpft Verdi derzeit für einen Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Lkw-Fahrern, denen zu wenig Parkplätze zur Verfügung stehen und die für Billiglöhne fahren, was sich auf die Situation im Logport in Rheinhausen auswirkt.

Auch wenn die Gewerkschaften heute gegen Mitgliederrückgänge kämpfen, so „ist der DGB noch immer eine Macht“, sagt Angelika Wagner. „In Rheinberg haben wir den langen Kampf von ver.di für die Einrichtung eines Betriebsrates unterstützt, und der Kampf geht weiter. Wir fordern einen Tarifvertrag.“ In der Stahlbranche habe der DGB „Aktionen wie den Stahlaktionen begleitet, wo sich die IG-Metaller mit Unterstützung von Landes- und Bundespolitik gegen die damals geplante Fusion mit Tata Steel ausgesprochen haben – hätte die Unternehmensleitung doch nur darauf gehört“, sagt Angelika Wagner.

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In Duisburg hätten die Gewerkschaften zudem „mit besonders großer Beteiligung für tarifliche Verbesserungen gekämpft“, wie zum Beispiel die GEW in diesem Februar „für bessere Arbeitsbedingungen für angestellte Lehrkräfte.“

Digitalisierung bringt neue Herausforderungen mit sich

Klar sei, dass sich auch der DGB den neuen Anforderungen des Arbeitsmarktes stellen muss. Es gebe nicht mehr viele Groß-Unternehmen, sondern immer mehr verzweigte Tochterunternehmen, die sich von der Tarifbindung lösen können. Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt. Home-Office, flexiblere Arbeitszeiten – auch hier müsse es strikte Regeln geben. Zudem haben sich die beruflichen Werdegänge der Arbeitnehmer verändert. „Wer hat heute noch eine Erwerbsbiografie ohne Unterbrechung, bei den vielen befristeten Verträgen und den Teilzeitkräften?“, fragt Dieter Schulte.

DGB-Geschäftsführerin Angelika Wagner bei der 1. Mai-Kundgebung 2019 im Landschaftspark Nord.
DGB-Geschäftsführerin Angelika Wagner bei der 1. Mai-Kundgebung 2019 im Landschaftspark Nord. © Lars Heidrich / FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Da werde es schwieriger, die Massen für einen Arbeitskampf zu mobilisieren. Schulte erinnert sich angesichts der Teilnehmerzahlen an den heutigen 1. Maikundgebungen fast wehmütig an die größte Demonstration des DGB, 1996 im Bonner Hofgarten. Das Bündnis für Arbeit zwischen Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und Regierung war gerade geplatzt. Die Gewerkschaften warfen der Regierung Wortbruch vor, weil diese trotz anderer Abmachungen die gesetzliche Mindestlohnfortzahlung für Kranke auf 80 Prozent kürzte. Dieter Schulte sprach vor 350.000 Demonstranten, „eine gewaltige Kulisse.“ Das Sparpaket der Kohl-Regierung sei ein Katalog der Grausamkeiten. Schulte kündigte an: „Wir werden uns durchsetzen - wenn nicht morgen, dann eben übermorgen.“

Schließlich forderte bereits Hans Böckler 1949: Die Arbeitnehmer in Deutschland sollen „Bürger, nicht Untertan“ sein.