Duisburg. Emma Lou aus Duisburg ist ein extremes Frühchen. Geboren wurde sie in der 25. Schwangerschaftswoche. Mit Willen hat sie sich ins Leben gekämpft.

Eigentlich hätte Emma Lou noch Zeit gebraucht, um sich im schützenden Bauch der Mama zu entwickeln. Doch in der 25. Schwangerschaftswoche muss sie mit 590 Gramm per Not-Operation geholt werden. „Die Ärzte sagten uns, sie kann sterben“, sagt Vater Daniel Bierwald. Für die Eltern beginnt eine Zeit des Bangens. In keiner Sekunde haben sie aber die Hoffnung aufgegeben, dass sich Emma Lou in ihr viel zu frühes Leben kämpft.

„Die Schwangerschaft war grausam“, sagt Sarah Kratzmann. Übelkeit begleitet sie durchgehend. Die Tage zuhause wechseln sich mit stationären Aufenthalten im St.-Anna-Krankenhaus ab. Ein bis zwei Kilo hatte sie bis zur 25. Schwangerschaftswoche zugenommen. Die Kindsbewegungen im Bauch fingen gerade erst an, Muttergefühle erwachten langsam.

Frühchen Emma Lou – „Jeder Tag war wichtig“

Mutter Sarah Kratzmann mit Tochter Emma Lou und Vater Daniel Bierwald. Emma ist heute kerngesund.
Mutter Sarah Kratzmann mit Tochter Emma Lou und Vater Daniel Bierwald. Emma ist heute kerngesund. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

„Abends im Bett ist die Fruchtblase gerissen und ich habe es nicht gemerkt“, sagt die Duisburgerin. Am nächsten Morgen verspürt sie ein unbekanntes Spannungsgefühl und Ziehen im Bauch. „Übungswehen“, glaubt die Duisburgerin. Doch der Schmerz lässt nicht nach und plötzlich setzen Blutungen ein. Sofort fährt die 28-Jährige ins Krankenhaus.

Dort stellen Ärzte fest: Das Fruchtwasser ist weg, die Kleine liegt trocken. Der Säugling ist zu diesem Zeitpunkt nicht mehr schützend umhüllt. Sofort wird Sarah Kratzmann in das Florence-Nightingale-Krankenhaus in Kaiserswerth verlegt. Die Spezialisten haben die Hoffnung, dass sich die Fruchtblase regeneriert und sich neues Wasser bildet. „Sie wollten Zeit herausschlagen, denn jeder Tag war wichtig.“

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Frühchen Emma Lou muss per Not-OP geholt werden

Doch Blutungen und starke Schmerzen durchkreuzen den Plan. Emma Lou muss in einer Not-OP geholt werden. „Das war wie im Film. Ich habe nur an sie gedacht“, sagt die Mutter. Da eine Narkose ein zu großes Risiko für das Ungeborene darstellt, erlebt die Duisburgerin die Operation mit. „Ich habe jeden Schnitt gespürt.“ Dann ist das Kind da – „Es ist ein Mädchen und sie atmet“, wird der Mutter mitgeteilt. Anschließend wird die 28-Jährige in Narkose versetzt.

Gleich nach der Geburt wird Emma Lou in einen Brutkasten gelegt. Da ist die Kleine gerade mal 590 Gramm schwer und 32 Zentimeter groß. „Sie war so groß wie ein halbes Hähnchen“, sagt die Mama. In der klimatisierten Kammer wird die Temperatur konstant gehalten. Die Atmung wird überwacht. Über die Nase wird Sauerstoff hinzugefügt.

Körperkontakt war in den ersten 72 Stunden tabu

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Für die jungen Eltern ein ungewohnter und beängstigender Anblick. Statt im warmen Mutterbauch langsam heranzuwachsen, liegt Emma Lou in einem hellen Glaskasten. „Ich durfte meine Tochter eine Minute sehen“, sagt Vater Daniel Bierwald. Körperkontakt ist in den ersten 72 Stunden tabu. Zu schwach ist der kleine Körper. „Wir durften auch nur die Hand auflegen, sie nicht streicheln“, sagt die Mama. Reibende Bewegungen wären für das Frühchen eine Qual. „Bei der kleinsten Berührung hatten wir Angst, was falsch zu machen.“

Für die Familie beginnt die Zeit des Hoffens. Über eine Magensonde wird Emma Lou ernährt. Hinzu kommen die vielen Verkabelungen. Die Nähe zum Kind fehlt, das bedauert die junge Mutter auch heute noch. Denn die Versorgung und Pflege musste weitestgehend dem Klinikpersonal überlassen werden.

„Känguruhen“ soll bei der Bindung mit dem Kind helfen

Eine Windel von Emma Lou in kleinster erhältlicher Größe mit einem kleinen Schnuller und ein Eurostück als Größenvergleich.
Eine Windel von Emma Lou in kleinster erhältlicher Größe mit einem kleinen Schnuller und ein Eurostück als Größenvergleich. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Die junge Mutter versucht aber, ihrem Kind so oft wie möglich Körperkontakt zu ermöglichen. Nur mit einer Windel bekleidet liegt Emma oft für einige Stunden am Tag auf Mamas nackter Brust. „Känguruhen“, wird diese Methode genannt, die die Frühchen-Entwicklung fördern soll und die emotionale Bindung stärkt.

In der ersten Woche ist Sarah Kratzmann rund um die Uhr an ihrem Bettchen. Drei Monate bleibt Emma Lou insgesamt im Krankenhaus und wird überwacht. „Ich hatte immer Angst, wenn die Klinik angerufen hat.“ Doch die Sorgen sind unbegründet. Emma hat sich prächtig entwickelt. „Ärzte haben gesagt, sie ist ein Wunder“, sagt der Papa stolz, während er die Kleine im Arm hält.

„Ich habe immer gesagt, sie schafft es“

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Dieses Glück hat nicht jedes Frühchen – auf der Station hat Sarah Kratzmann erlebt, wie zwei Babys verstorben sind. „Selbst die Schwestern haben geweint. Für sie ist es nicht nur ein Beruf, sie haben mitgefühlt“, lobt sie die Mitarbeiter der Klinik. Emma ist jetzt sieben Monate alt und bringt sieben Kilo auf die Waage. „Nur mit der Größe kommt sie nicht hinterher“, sagt die Mama. Jedoch: Bis auf Physiotherapie braucht sie aber keine Entwicklungsförderung. „Ich habe immer gesagt, sie schafft es“, sagt Papa Daniel Bierwald.