Duisburg. Sie wollen Bahnhofspoet NRW 2019 werden: Beim Poetry-Slam im Duisburger Hauptbahnhof griffen die Poeten persönliche Schicksalsschläge auf.
Mit dem Poetry-Slam-Kult haben selbstgeschriebene Gedichte vor einigen Jahren eine Renaissance erlebt, und spätestens seit Julia Engelmann und ihren viral gehenden Liebeserklärungen dürfte auch dem letzten Gedichtmuffel aufgefallen sein, dass die Poesie in der Mitte der Gesellschaft zurück ist.
Passender Ort für einen Poetry-Slam war am Samstag der Duisburger Hauptbahnhof, in dessen Eingangshalle sich gleich vier Poetry-Slammer duellierten, um ins Finale um den Titel „Bahnhofspoet NRW 2019 vorzurücken. Dabei enthüllten die Slammer auch manche persönliche Schicksalsschläge.
Beim Poetry-Slam im Duisburger Hauptbahnhof geht es um Verlustängste und Rassismus
Die Duisburger Slammerin Elena Nern fasste es in ihrem ersten Gedicht gut zusammen: „Allein die Sprache schützt mich vor den Schrecken.“ In den Texten der Teilnehmer ging es oft um persönliche Schicksale, zum Beispiel auch bei Antje Haupt, ebenfalls aus Duisburg. „Ich habe an der Nordsee, da komme ich her, mal meine Mutter verloren, seitdem habe ich mit Verlustängsten zu kämpfen“, erklärte sie.
Im typischen Slammer-Ductus erzählte sie von allem, was sie verloren hat oder verlieren könnte und was „drückt wie ein verlorener Ring am Finger.“ Dabei umschrieb die Dichterin sehr treffend die großen Ängste der Künstlerszene — die Arbeit mit einer nicht greifbaren Materie, die jederzeit verloren gehen kann.
Kleine Atempausen im Duisburger Hauptbahnhof mit selbstgeschriebener Musik
Nachdem dann der Bochumer Künstler Stef dem Publikum sein Leid geklagt hatte, von Verflossenen bis zum Kampf gegen Alltagsrassismus als ein Kind „der dritten Generation von Gastarbeitern“, betrat Aylin Celik die Bühne. Die Musikerin lockerte die Poesieblöcke mit selbst geschriebenen Songs auf —vor allem aber mit ihrer hypnotischen Stimme. Glasklar spannte sie weite Melodiebögen über spartanische Instrumentalbegleitung und sang sich auf der Bühne in Trance.
Um Panikattacken ging es dann bei Jonathan Löffelbein, der die Duisburger einlud, „mit mir über meine Angststörung zu lachen.“ Aus seinen nächtlichen Qualen baute der Künstler einen Beat der populären Hip-Hop-Richtung „Trap“ und entdeckte dabei auch, dass er in der Öffentlichkeit sein Wohlbefinden beteuert, obwohl er sich überhaupt nicht gut fühlt.
In Duisburg qualifizieren sich die Poetry-Slammer für das Finale in Köln
Von seinen sozialen Ängsten erzählte auch Stef, der im ersten Halbfinale der direkte Konkurrent von Jonathan Löffelbein war. Während er so von seinen vorgetäuschten Anrufen auf Partys reimte, unterbrach ein ganz anderer Poet den Dichter: Der Ansager des Duisburger Hauptbahnhofs. Denn mal unter uns: Die Aussage „die Weiterfahrt in Köln wird angestrebt“ ist zu schön, als dass sie nicht ein eigenes Gedicht verdient.
Im Finale duellierten sich, nach dem zweiten Halbfinale zwischen Elena Nern und Antje Haupt, dann Jonathan Löffelbein und Elena Nern um den Finalplatz in Köln. Das Rennen machte am Ende die Duisburgerin Elena Nern, die am Donnerstag, 10. Oktober, um den Titel der „Bahnhofspoetin NRW 2019“ kämpft.