Duisburg. Um den Sternenhimmel zu sehen, müsste es in Duisburg viel dunkler sein. Doch die Stadt wird immer heller. Das hat Konsequenzen für die Umwelt.
Eine U-Bahn rauscht durch die gerade eingebrochene Dunkelheit in Duisburg. Kurz stoppt sie an der Haltestelle Musfeldstraße, spuckt einige Passagiere in den kühlen Spätsommerabend und taucht, als sich ihre Türen schließen, das Viertel wieder in die angenehme Großstadt-Ruhe. Rolf Hembach steht immer noch an der Duisburger Haltestelle, obwohl dort kein anderer Zug als die Linie 79 hält. Er erwartet auch niemanden der Mitfahrenden. Das Interesse des Leiters der Rheinhauser Sternwarte gilt dem, was ihm den Blick in die Weiten des Universums verdirbt: die Lichtverschmutzung.
Eine halbe Stunde früher als vereinbart steht Hembach am vereinbarten Treffpunkt. So früh, dass er die Straßenlaternen hat angehen sehen, 20.22 Uhr war es da. „Diese Leuchtdioden sind eine Seuche“, sagt er und deutet auf die zylinderförmigen Laternen entlang des Verbindungswegs zwischen Musfeldstraße und Heerstraße. „Das sind LEDs mit mehreren Lichtpunkten. Die sind für das Auge viel anstrengender als eine einzige Leuchtquelle“, sagt er. „Außerdem kann das Auge dieses kalte, weiße Licht nicht so gut nutzen wie warmes, gelbes Licht. Es streut mehr und man wird geblendet, merken Sie?“, sagt er. Oh ja.
Licht, das in den Himmel strahlt, ist unnütz
„Das ist rausgeschmissene Energie“, merkt der 65-jährige an. „Dazu steht jede zweite Laterne schief, die leuchten in den Himmel. Das sind keine Laternen, das ist irgendein Kunstwerk: Und deswegen ein Beispiel für Lichtverschmutzung.“
Lichtverschmutzung: „Das ist, einfach erklärt, Licht, das überall leuchtet, wo es nicht soll und wann es nicht soll. Jedes Licht, das in den Himmel strahlt, ist unnütz“, sagt Hembach. Doch wo liegt das Problem, wenn die Straßen nachts hell erleuchtet sind? „Wir Menschen machen die Nacht zum Tag. Es liegt auf der Hand, dass das Konsequenzen hat.“
Sternenhimmel verschwindet in Lichtglocke
Nicht nur, dass es immer schwieriger wird, den Sternenhimmel zu sehen – die Auswirkungen sind auch für Menschen, Tiere, Insekten und Pflanzen spürbar. „Das Problem ist vor allem blaues Licht, das auch in LED-Leuchten enthalten ist. Das hält einen wach, weil es den Körper an das Tageslicht erinnert. Wenn man ständig blauem Licht ausgesetzt ist, erzeugt das Stress und schlägt auf die Gesundheit.“
Auch Insekten reagieren anders auf LEDs. „Die werden von blauem Licht stärker angezogen als von gelbem und gehen daran ein. Wir verlieren auf diese Weise eine Menge Insekten. Auch Tiere werden irritiert: Die kommen nicht mehr zur Ruhe, wenn es die ganze Nacht hell ist.“ Nicht zuletzt hat der Hobby-Astronom noch ein ganz persönliches Problem mit der Lichtverschmutzung: Sterne zu beobachten ist in Großstädten wie Duisburg unmöglich. „Wir können hier nur drei-, vierhundert Sterne sehen, weil es zu hell ist. Normalerweise könnte man drei-, viertausend Sterne erkennen.“ Die Eifel, die Rhön, die Schwäbische Alb, eventuell die Sonsbecker Schweiz bei Xanten – da gebe es sie noch, die Chance auf die Milchstraße.
So soll es ein: Nach unten und mit Abschirmung
Entlang des Bahnsteigs an der Musfeldstraße stehen auch positive Beispiele: Laternen, die ihr gelbes Licht nach unten strahlen. „So soll es sein. Die Leuchten sind abgeschirmt und scheinen dahin, wo das Licht hin soll“, sagt Hembach. Noch geeigneter seien sogenannte Natriumniederdrucklampen, zu erkennen an dem rosa Schimmer. „Die setzen die Energie am besten in für das Auge nutzbares Licht um.“
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Die viel zu grelle Beleuchtung einer Firma am Logport, die Autofahrer blendet. Die Laternen entlang der Königstraße. Zwei Exemplare mit jeweils einem gelben und einem weißen Licht. Aufgeregt zeigt Hembach auf der Fahrt durch Duisburg weitere Beispiele für ineffiziente Beleuchtung. Doch so richtig in Fahrt kommt er auf dem Hochemmericher Markt. Hier leuchten an einem Mast befestige Strahler gen Himmel, ein Spiegel oberhalb reflektiert das Licht und wirft es zurück auf den menschenleeren Platz, an dem nur einige Taxen auf Kunden warten.
Aufgrund architektonischer Gründe erfüllen Laternen oft ihren Zweck nicht
„Eigentlich eine gute Idee“, sagt Hembach. „Nur ist der Reflektor viel zu klein. Das habe ich mal gesehen, als ein Baukran dahinter stand und angestrahlt wurde. Jemand muss das falsch berechnet haben.“
Er dreht sich um. „Sehen Sie die Hausfassade da? Die Funzel leuchtet nach oben in die Fenster rein“, sagt er mit Blick auf die Atroper Straße. „Und soll ich Ihnen was sagen? Das ist Absicht. Aber ob die Menschen schlafen können, interessiert einen Architekten nicht“, schimpft er. Lichtverschmutzung ist eine Herzensangelegenheit des Friemersheimers.
Noch extremer wird es in der Spichernstraße ganz in der Nähe. Die Leuchtreklame einer Firma für LED-Werbetechnik strahlt die komplette Hausfassade gegenüber an, und zwar taghell. „Genau dasselbe“, sagt Hembach. Und als hätte ihn die Anlage gehört, geht sie auch schon aus: Dank einer Zeitschaltuhr.
Allgemein seien LEDs ein Problem: „Die baut man ja ein, weil sie länger halten sollen. Aber wer weiß das schon?“, sagt Hembach und zeigt am Rathausplatz erneut auf eine Laterne, die viel zu grell und schräg leuchtet. „Den Leuten, die sowas genehmigen, fehlt das Fachwissen. Auch Ingenieure sind dafür nicht ausgebildet. Die alten gehen in Rente und die jungen kennen nur noch LED-Technik. Deswegen macht jeder, was er will“, klagt er.
Das Bundes-Immissionsschutzgesetz schreibt zwar vor, dass schädliche Umwelteinflüsse und Belästigungen durch Beleuchtungsanlagen ausgeschlossen werden müssen, ein Gesetz zur Bekämpfung von Lichtverschmutzung gibt es jedoch nicht – ebenso wie Grenzwerte.
„Andere Länder sind da schon weiter. In den USA oder den Kanaren sind Filter, die den Blauanteil aus dem Licht holen, Pflicht“, erklärt Hembach. Kopfschüttelnd schließt er sein Fahrrad auf, das er an der inzwischen menschenleeren Musfeldstraße abgestellt hat. Sein Blick gilt den Lampen, die eine Werbetafel gegenüber beleuchten: Sie beleuchten grell und weiß die gesamte Fassade.