Duisburg. Jean-Philippe Kindler spielt im Duisburger Explorado „Mensch ärgere dich“. Sexismus und Depressionen bespricht er wortgewandt und in Gedichten.

Es ist kuschelig im Lesesaal des Explorado-Kindermuseums am Duisburger Innenhafen. Etwa 30 Gäste sitzen in bequemen Stühlen, das Licht ist gedimmt. Eine Stimmung wie abends im Wohnzimmer, wenn man sich überlegt Jeans gegen Jogginghose zu tauschen. Der Poetry-Slammer und Autor, Jean-Phillipe Kindler, möchte allerdings noch spielen. Eine Abwandlung des geliebten wie gefürchteten Brettspiels, das schon zu Polizeieinsätzen führte: „Mensch ärgere dich“ heißt sein erstes Solo-Programm.

Die Jeans bleibt an, es wird ungemütlich

Am Donnerstagabend zeigt der NRW-Landesmeister im Poetry-Slam im Explorado sein lyrisches Talent und versucht sich dabei in verschiedenen Disziplinen: Rap, Stand-Up-Comedy und seine Paradedisziplin, der Dichtkunst. Kindler, der im lässigen Hoodie und ausgelatschten Sneaker auftritt, ist anfangs noch nicht im gemütlichen Wohnzimmer-Feeling. Seine Füße flutschen ab und an unruhig aus den Latschen, seine Finger suchen händeringend nach Halt.

Sein erster Rap-Track befasst sich mit dem sagenumwobenen Philipp Amthor-Video, das als Antwort auf den Youtuber Rezo produziert, jedoch vor Veröffentlichung von der CDU-Spitze verhindert wurde. Der 23-Jährige beschreibt Amthor als „Benjamin Button der Politik“ oder „Junge, dem auch mal der rechte Arm ausrutscht“ – das Publikum grinst sich warm. Dann lässt sich Jean-Phillipe Kindler über die „menschenunwürdige Pflegesituation“ in Deutschland aus. Er kritisiert Jens Spahn ebenfalls für seinen damaligen Vorschlag, dass behördlich entschieden werden sollte, wer eine Psychotherapie bekommt und wer nicht.

Seit drei Jahren in Therapie

Dann offenbart Kindler, dass er selbst seit Jahren wegen Depressionen in Therapie ist, dass ihn stets Zweifel plagen, ob er und seine Texte gut genug sind. Sein Gedicht, das er daraufhin zittrig mit geschlossenen Augenlidern vorträgt, schnürt die Kehlen einiger Besucher bei so viel Offenheit und vermeintlicher Schwere des Themas zu. Danach wirkt der junge Slammer erleichtert, er findet seine Sicherheit, die Füße bleiben in den Schuhen.

Der Duisburger Jean-Philippe Kindler schafft den Sprung zwischen Poesie, Blödelei und Ernsthaftigkeit.
Der Duisburger Jean-Philippe Kindler schafft den Sprung zwischen Poesie, Blödelei und Ernsthaftigkeit. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Jean-Philippe Kindler spielt weiter mit gesellschaftlichen Themen; ohne Pointe verurteilt er Sexismus und macht sich stark für Feminismus. Er erzählt von dem Glück, dass er nicht in stereotypische Rollenbilder gedrängt wurde: „Meine Mutter hat am Spielfeldrand den Schiri beleidigt und mein Vater musste sie beruhigen.“ Sein Slam-Text „Die Hexenjagd auf Männlichkeit“ kehrt Vorurteile sowie Missbräuche gegenüber Frauen klug, unterhaltend und empathisch um.

In 100 Minuten schaffte Kindler meist den Sprung zwischen Poesie, Blödelei und Ernsthaftigkeit – das Publikum feierte den Künstler, als hätte es bei einer wichtigen Partie „Mensch ärgere dich nicht“ gewonnen.

Die Duisburger Booking-Firma „Monochromat“hat schon die nächsten Künstler gebucht: Ins Explorado kommen am 29. September Krümelmucke, am 9. Oktober Maxi Gstettenbauer und im Grammatikoff spielt am 12. Oktober Helene Bockhorst. Tickets gibt’s auf www.monochromat-booking.de.