Duisburg. Sie haben sich als extreme Frühchen ins Leben gekämpft. Das ist die Geschichte von Elena, Schirin und Dominik Blamüser, Drillinge aus Duisburg.

Elena Blamüser arbeitet seit einigen Jahren als Hebamme, begleitet voller Hingabe Paare auf dem Weg zum Elternwerden. Sie teilt das Glück, aber auch die Sorgen und Ängste – wenn Kinder zum Beispiel deutlich früher als geplant auf die Welt kommen. Dann erzählt die 26-Jährige gerne die Geschichte von Duisburger Drillingen, von extremen Frühchen, die sich Schritt für Schritt ins Leben kämpften. Es ist ihre eigene Geschichte.

Mit 39 zum ersten Mal schwanger

Mutter Conny ist bereits 39, als sie zum ersten Mal schwanger wird. Von Drillingen ist erst nicht die Rede. „Doch bei jeder Ultraschalluntersuchung kam quasi ein Kind mehr dazu.“ In der sechsten Schwangerschaftswoche ist klar, dass da ein Dreierpack unterwegs ist.

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„Ich habe mit meinem Mann Uli erst einmal tief durchgeatmet und dann alle bisherigen Pläne über den Haufen geworfen“, erzählt sie. „Wir wollten eigentlich ein Haus bauen, aber davon haben wir dann sofort Abstand genommen.“

Kaiserschnitt in der 34. Schwangerschaftswoche

Eine gute Entscheidung, wie sich recht bald herausstellen sollte. Die Schwangerschaft und auch die Zeit danach verlangen dem Ehepaar alles ab. Im Ultraschall wird deutlich, dass ein Kind nicht mehr mitwächst. Die Ärzte müssen deshalb den geplanten Kaiserschnitt auf die 34. Schwangerschaftswoche vorziehen.

Extreme Frühchen: Die Zahlen unter den Bildern sind die jeweiligen  Grammangaben bei der Geburt.
Extreme Frühchen: Die Zahlen unter den Bildern sind die jeweiligen Grammangaben bei der Geburt. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Am 24. Februar 1993 kommt in den Wedau-Kliniken zuerst Dominik auf die Welt, eine Minute später Schirin, zwei weitere Minuten vergehen, dann ist Elena da – gerade einmal 750 Gramm leicht. Ihr Bruder wiegt 970 Gramm, Schirin ist mit 1540 Gramm die kräftigste unter den Drillingen.

Mittlere bis schwere Komplikationen

„Sie waren so klein, haben Lungenreifungsmittel bekommen, konnten zum Glück alle selbstständig atmen“, erzählt Mutter Conny. Allerdings gibt es in der Folge mittlere bis schwere Komplikationen. Von einer Lungenentzündung bis zur Blutvergiftung. „Der ein oder andere hat gedacht, dass es nicht alle schaffen. Aber wir haben alles verdrängt. Man funktioniert. Irgendwie.“

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Einen Monat nach der Geburt darf sie mit ihrem Mann Uli zum ersten Mal aufatmen. Schirin kann das Krankenhaus verlassen, vier weitere Wochen später folgt ihr Dominik. Elena, die Kleinste, braucht am längsten. Auch ihr Opa steht oft an der Fensterscheibe zur Frühchenstation, hofft, betet und schwört sich: „Wenn die Kleine es packt, höre ich auf zu rauchen...“ Als Elena schließlich nach drei Monaten – wenn auch auf eigene Verantwortung – nach Hause darf, soll er ab diesem Zeitpunkt tatsächlich keine Zigarette mehr angerührt haben.

Die Eltern schlafen zunächst auf der Couch

Zu Hause – das sind damals gerade mal 64 Quadratmeter in der dritte Etage eines Mehrfamilienhauses in Rheinhausen, direkt unterm Dach. Und der Sommer 1993 war ein sehr heißer… „Ich habe mit meinem Mann auf der Couch geschlafen und bei der Stadt nach einer größeren Wohnung gefragt“, sagt Conny Blamüser. Die Antwort wird sie nie vergessen: „Warten Sie doch erst mal ab, ob alles gut geht...“

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Die Mutter der Drillinge ist schockiert. Aber sie lässt nicht locker, schreibt an den damaligen NRW-Ministerpräsenten Johannes Rau. Es hilft. „Kurz darauf hat sich der Bauverein gemeldet und die Stadt hat uns eine größere Wohnung, 120 Quadratmeter, zur Verfügung gestellt und eine Kinderfrau bezahlt.“ Und eine kleine Finanzspritze samt eines netten Briefs soll es auch von Rau selbst gegeben haben.

Das Leben total auf den Kopf gestellt

Trotz der Unterstützung ist das Leben total auf den Kopf gestellt. Die Blamüsers schaffen sich einen VW-Bus an, der immer pickepackevoll ist. Er arbeitet weiter als Mess- und Regeltechniker, aber sie gibt ihren Job als Apothekerhelferin auf. „Das wäre anders nicht gegangen. Die Kinder mussten früh gefördert werden.“

Stolz mit Schultüte (v.l.): Elena, Dominik und Schirin bei der Einschulung.
Stolz mit Schultüte (v.l.): Elena, Dominik und Schirin bei der Einschulung. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Sie entwickeln sich prächtig und schnell ihre eigenen Persönlichkeiten. Dominik ist der Temperamentvolle und früher oft der Streitschlichter zwischen den Schwestern gewesen. „Danach sind beide immer auf mich losgegangen“, erzählt er mit einem Augenzwinkern. Wobei Schirin immer den Ausgleich sucht und heute noch für andere ihr letztes Hemd gibt. Elena ist die Einfühlsame, aber auch sehr willensstark und durchsetzungsfähig, was sie als extremstes Frühchen schon gleich am Anfang ihres Lebens bewiesen hat.

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„Wir kannten das ja nicht anders“

So unterschiedlich die Drei auch sind – trotzdem werden sie von vielen zunächst nur „Die Drillis“ genannt. „Ich habe sie deshalb bewusst nur ganz selten gleich angezogen“, sagt Conny Blamüser. Alle sollten ihre eigene Identität haben. „Für uns selbst war das nie ein großes Thema, nie etwas Besonderes“, sagt Elena. Schirin nickt: „Wir kannten das ja nicht anders.“

Mehrlinge gesucht

Für unsere Serie über Mehrlinge in Duisburg sind wir weiter auf der Suche nach Zwillingen, aber auch Drillingen und gerne auch mehr.

Wer mit uns deshalb Kontakt aufnehmen will, kann dies gern auf Facebook oder per E-Mail an redaktion.duisburg@waz.de tun. Bitte Telefonnummer nicht vergessen. Telefonisch sind wir montags bis freitags ab 10 Uhr unter 0203/99 26-31 51 zu erreichen. Wir sind gespannt auf die Geschichten.

Die Drei haben ein sehr enges Verhältnis und bis heute größtenteils den gleichen Freundeskreis. Partys werden da schnell zu Massenveranstaltungen. Als sie ihren 18. Geburtstag feiern, kommen 100 Jugendliche. Schirin grinst: „Und damals haben wir nur die engsten Freunde eingeladen...“ Elena lacht und meint: „Wir können aber auch mal 14 Tage ohne einander.“ Wobei allen das sonntägliche Familienessen bei den Eltern in Rheinhausen heilig ist.

„Ich habe nie einen einzigen Tag bereut“

Conny Blamüser lächelt: „So schwierig und anstrengend es anfangs auch war: Ich habe nie einen einzigen Tag bereut und immer geglaubt, dass alles gut wird. Und so ist es zum Glück auch gekommen.“