Duisburg. Als Röntgenassistentin hat Madalina Rotter durchs Mikroskop sehr genau hingezuschaut. Als Künstlerin arbeitet sie mit den Strukturen der Natur.

Das Atelier zu Hause ist ein Tisch in der Ecke, an dem Madalina Rotter oft abends und nachts arbeitet, das Atelier im „Hafenkult“ ein heller, sehr aufgeräumter Raum, der Ruhe ausstrahlt. „Ich habe Kunst immer schon gelebt“, sagt sie – und es inzwischen geschafft, nur noch künstlerisch tätig zu sein: als Lehrerin, Museumspädagogin, Kunstvermittlerin und eben freischaffend.

Dabei musste sie sich in ihrer eher kunstfernen Familie schon durchsetzen. 1970 in Bukarest geboren, reisten ihre Eltern in die Bundesrepublik aus, als sie zwei Jahre alt war. Dem deutschen Vater sei es wohl unmöglich gewesen, in Ceausescus Rumänien glücklich zu werden. Zwei Jahre kümmerte sich die Großmutter um Madalina und ihre Schwester, dann holten die Eltern sie nach in den Taunus, den sie bis heute liebt.

Die Ausbildung zur Röntgenassistentin hat sie geprägt

Zarte „Äste“ mit grünen Blättern: Ein filigranes Objekt aus Draht und Papier.
Zarte „Äste“ mit grünen Blättern: Ein filigranes Objekt aus Draht und Papier. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Umzug nach Dinslaken, wo Madalina Rotter mehr auf Wunsch ihres Vaters eine Ausbildung zur Röntgenassistentin machte. „Das hat mich sehr geprägt, ich habe viel mikroskopiert, Strukturen untersucht, Zusammenhänge und Muster in organischen Stoffen erkannt. Das bewegt mich.“ Und das erkennt man auch in ihren Objekten, die oft biomorphe Formen haben.

Auch sonst war die Ausbildung keine verlorene Zeit, in der Madalina Rotter ihren Mann kennenlernte („ein linksrheinischer Duisburger“) und die es ihr ermöglichte, ihr Abitur nachzuholen und ihr Studium zu finanzieren. Als 24-Jährige begann sie mit Kunstgeschichte und Philosophie, das Fach, in dem sie gelernt habe, Fragen zu stellen. Das mache sie bei heute, wenn sie an der Schule unterrichte: Fragen stellen und versuchen, sie jahrgangsgerecht zu beantworten.

Das Praktikum im Lehmbruck-Museum „war toll“

Während des Studiums bekam sie ihre zwei Söhne, die heute 17 und 20 sind. Und während der Uni-Zeit machte sie ein Praktikum am Lehmbruck-Museum. „Das war einfach nur toll“, schwärmt sie über ihre Begegnung mit der Museumspädagogik. Bis heute ist Madalina Rotter freie Mitarbeiterin, macht aber auch Museumsprojekte am DKM oder am Folkwang-Museum.

„Die Kunst war immer da, die Museumsarbeit wäre nicht ohne Kunst gegangen“, sagt sie. Durch eigenes Handeln verstehe man das Handeln der Künstler besser, das man fühlbar machen müsse, besonders wenn es abstrakt wird.

Die Formensprache der Natur in Plastik oder Pfeifenreinigern

Als Künstlerin arbeitet Madalina Rotter mit Alltagsmaterialien wie Zahnstochern, Pfeifenreinigern oder Plastikflaschen, ihre Formensprache aber ist die der Natur. Aus Zahnstochern werden Sterne oder wie DNA gedrehte Strukturen, aus Pfeifenreinigern Wandobjekte, die an Viren erinnern, aus Plastikflaschen Blüten, die in einem Seerosenteich schwimmen können. Wo Plastik eigentlich überhaupt nicht hingehört, aber Schönheit entfaltet.

„Ich suche und forsche weiter“, sagt Madalina Rotter, die seit 2013 ein Atelier im „Hafenkult“ hat.
„Ich suche und forsche weiter“, sagt Madalina Rotter, die seit 2013 ein Atelier im „Hafenkult“ hat. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

„Ich finde es toll, dass Kunst auf vielfältige Art Anlass gibt, zu denken und zu reflektieren“, sagt sie mit Blick auf die Kritik, die es an ihrer Kunst schon gegeben hat, wenn sie sie im Wasser platziert hat wie beim „Kunstraum Grün“ im Duisserner Park. „Die Umwelt ist mir wichtig“, sagt Madalina Rotter.

Sie forsche nach den Formen und Strukturen bei Pflanzen und Tieren, imitiert die Natur aber nicht. Sie betrachte die Dinge sehr genau, halte sie fotografisch oder zeichnerisch fest. „Die Essenz des Gesehenen wird schließlich in Schmuckstücken oder Skulpturen künstlerisch übersetzt.“ Sie bestehen oft aus Draht und Papier, aber auch ihre Liebe zu Steinen kann sie dabei ausleben. Starr und bewegt zugleich sind die filigranen, farblich meist zurückgenommenen Arbeiten. Weil sie zumeist dreidimensional sind, sind aber Licht und Schatten wichtige Faktoren.

„Ich suche und forsche weiter“

Madalina Rotter spielt gern mit Formen, weiß aber immer ziemlich genau, wie es mal aussehen soll, und arbeitet so lange daran, bis es aussieht, wie ich will“. Ihre Kunst entsteht weniger aus dem Bauch als aus dem Kopf. Eine ihrer Lieblingsarbeiten beginnt erst zu leben, wenn Licht auf sie fällt. Dann erkennt man im weißen Objektkasten erst, dass auf dem weißen Papier feine Plexiglasstäbchen angeordnet sind.

In letzter Zeit seien ihre Objekte größer geworden. Ihre Grundformensprache habe sie gefunden, sagt Madalina Rotter. „Ich suche und forsche weiter.“