Duisburg. Die Duisburgerin Steffi Curuvija hat in der 40. Schwangerschaftswoche ihr Kind verloren. Wie sie gelernt hat, mit dem Verlust umzugehen.

Sechs Jahre ist es her, seit Steffi Curuvijas Sohn Milan zur Welt gekommen ist. „Ein Wunschkind“, sagt die Duisburgerin. Momente wie die Einschulung wird die 38-Jährige mit ihrem Kind aber nicht erleben. Milan ist tot. Er starb bereits in ihrem Bauch – fünf Tage vor dem errechneten Geburtstermin. Wie sie gelernt hat, mit dem Verlust umzugehen:

Den Tag, als plötzlich und unerwartet Stille in ihrem Bauch war, wird Steffi Curuvija niemals vergessen. Sie ist in der 40. Schwangerschaftswoche. 280 Tage lang fühlt sie sich „wie eine kleine Prinzessin“, sagt Curuvija. „Es war eine sehr schöne Schwangerschaft ohne Komplikationen.“ Klar, Übelkeit gehörte mal dazu, aber Milan ging es gut.

Noch fünf Tage bis zum errechneten Geburtstermin

Hochschwanger heiratet sie ihren Mann. Zum perfekten Familienglück fehlt nur noch Sohn Milan. Sein Kinderzimmer ist schon hergerichtet mit Wickeltisch, Windeln und Babybodys. Auch die Wickeltasche für das Krankenhaus steht bereit. Jeden Moment kann es losgehen, denn bis zum errechneten Geburtstermin sind es nur noch fünf Tage.

Bei einem Vorsorgetermin will die Duisburgerin die ambulante Geburt besprechen. Dabei werden mit dem Wehenschreiber noch schnell die Herztöne des ungeborenen Kindes überprüft. „Ich kann sie nicht finden“, sagt die Sprechstundenhilfe. Das heißt nichts, weiß auch Steffi Curuvija. So etwas passiert mal. Ein paar Stunden vorher hat er sich noch bewegt. „Am Morgen hatte er Schluckauf.“

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Stille im Bauch: Arzt findet keine Herztöne

Ein Arzt wird gerufen und bewegt zur Kontrolle eine Sonde über ihren Bauch. „Ich höre nichts“. Ein zweiter Arzt eilt herbei – doch auch er kann keine Herztöne finden. Absolute Stille, Stille im Bauch. „Ich wusste, was Sache war. Sofort sind mir die Tränen gekommen.“

„Unser Sohn ist gestorben“, teilt sie ihrem Mann mit, der sofort zur ihr kommt. Bis heute weiß das Paar nicht, warum Milan nicht leben durfte. „In solch einem Moment ist man sprachlos und ohnmächtig. Die ganze Welt um einen existiert nicht mehr.“ Die quälenden Fragen in ihrem Kopf beschreiben das Gefühl der Ungerechtigkeit: „Warum passiert mir sowas? Was habe ich falsch gemacht?“

Hoffen auf ein Wunder

Keine 24 Stunden später wird eine Geburt eingeleitet. „Ich bin direkt ins Krankenhaus gekommen.“ Milan soll auf natürlichem Wege zur Welt kommen. An den Wänden der Entbindungsstation hängen Bilder der Neugeborenen. „Das war unerträglich.“ Im Kreißsaal hört sie die Babyschreie. Nur Milan bleibt stumm, als er das Licht der Welt erblickt. Bis zum letzten Moment hofft Steffi Curuvija auf ein Wunder und fleht das Baby an zu atmen. „Ich habe eigentlich nur darauf gewartet, dass er die Augen öffnet.“

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2600 Gramm ist Milan schwer, 49 Zentimeter groß. Ihr Mann durchtrennt die Nabelschnur, gemeinsam ziehen sie den Kleinen an. „Wir haben viel Zeit zu dritt verbracht, und ich habe ihn im Arm gehalten.“ Rückblickend ist es eine schöne Erinnerung, so schmerzlich der Verlust auch ist.

„Du bist ja noch jung“

„Jeden Tag denke ich an Milan“, sagt die Mutter über ihren Sohn. Die erste Zeit nach der Geburt beschreibt die Duisburgerin als belastend. Die Trauer überwältigt sie immer wieder. Der Wickeltisch samt Bodys zuhause – „das musste so schnell wie möglich raus, weil es ja nicht mit Leben gefüllt wird.“

„Du bist ja noch jung“ und „er war ja noch nicht geboren“, sind für die Mutter nur zwei von vielen verletzenden Aussagen, die Milan das Kindsein absprechen und die Trauer aberkennen. „Aber ab wann fängt man an, ein Wunschkind zu lieben?“

Eine Belastung für die Partnerschaft

Wenn sie Kinder mit ihren Müttern auf der Straße spielen sieht, sind das die Momente, die ihr den Verlust ihres Sohnes vor Augen führen. „So sollte dein Leben auch aussehen“, denkt sie dann. „Für eine Beziehung ist das eine sehr fragile Zeit. Wir haben auch psychologische Hilfe gebraucht.“ Jeder Mensch trauert anders, und in der Duisburgerin wächst das Bedürfnis, sich auszutauschen.

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„Ich spreche viel darüber mit meinem Mann.“ Vor zwei Jahren aber gründet sie in Duisburg einen Trauer-Gesprächskreis für früh verwaiste Eltern – sie möchte anderen Müttern und Vätern helfen, mit dem Verlust umzugehen. Durch Gespräche soll das Leben mehr Stabilität bekommen, „auch wenn man den Schmerz nicht nehmen kann.“

Ein Folgewunder namens Elias

Nach dem Verlust ihres Sohnes wächst in der Lehrerin sofort der Wunsch, wieder schwanger zu werden. Vor drei Jahren hat es geklappt. „Ein Folgewunder“, wie es früh verwaiste Eltern nennen. Elias ist mittlerweile drei Jahre alt. Die Schwangerschaft war auch mit Sorgen verbunden.

„Ich wollte diesen Schmerz nicht noch einmal erleben.“ Alles unbegründet, ihr zweiter Sohn ist gesund. „Elias wächst damit auf, dass er einen toten Bruder hat“, sagt die Mutter zweier Kinder: „Ich habe eines an der Hand und eines im Herzen.“

>>> Wo Betroffene Hilfe finden: Die Selbsthilfegruppe „Sternenkinder Duisburg“

Steffi Curuvija hat in Duisburg die Selbsthilfegruppe „Sternenkinder Duisburg“ gegründet. Die Gruppe ist für früh verwaiste Eltern, die ihr Kind vor, während oder kurz nach der Geburt verloren haben. Das Ziel der Gruppe ist es, der Trauer um das verstorbene Kind Raum zu geben und die damit verbundenen Probleme im Alltag zu besprechen. Wie gehe ich mit Festen wie Weihnachten, Geburts- und Todestag um? Solche Fragen werden im Gesprächskreis beantwortet.

„Sternenkinder Duisburg“ hat Steffi Curuvija ihre Selbsthilfegruppe genannt, in der früh verwaiste Eltern sich austauschen und gegenseitig unterstützen können.
„Sternenkinder Duisburg“ hat Steffi Curuvija ihre Selbsthilfegruppe genannt, in der früh verwaiste Eltern sich austauschen und gegenseitig unterstützen können. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

„Der Gesprächskreis dient als Ort, an dem Eltern ihre Trauer ausdrücken können“, sagt die Leiterin. Die Teilnehmer können aber auch nur zuhören. „Auch Väter sind willkommen“, sagt Curuvija. Jede Geschichte ist anders, sagt die Duisburgerin, aber was alle Eltern vereint, sei die Trauer um ein sehr kleines Kind, das manchmal selbst Vater und Mutter nicht kennenlernen durften und das damit auch schneller von Außenstehenden vergessen wird.

Monatliche Treffen früh verwaister Eltern

Der Zulauf der Selbsthilfegruppe steigt, sagt die 38-Jährige. „Ich bekomme fast jede Woche eine Anfrage. Oft reicht eine Beratung aus, oft braucht es auch Einzelbegleitung.“ In der vergangenen Woche hat Curuvija die Vereinsgründung gestartet. Im kommenden Jahr sollen Mitglieder geschult werden, damit eine intensive Trauerbegleitung angeboten werden kann.

Die Selbsthilfegruppe trifft sich jeden ersten Mittwoch im Monat von 19.30 Uhr bis 21 Uhr im Begegnungs- und Beratungszentrum der Caritas in Homberg an der Marienstraße 6. Die Teilnahme ist kostenlos. Weitere Infos und Kontakt unter 0178 5343 443 oder unter st.curuvija@web.de