Duisburg. Ein Duisburger (31) soll die Bombenattrappe im Forum abgelegt haben. Auf der Jagd nahm die niederländische Polizei sein Fluchtauto in die Zange.

Dieser Großeinsatz taugt als Stoff für einen wilden Krimi: Die Polizei sperrt Duisburgs größtes Einkaufszentrum fast acht Stunden lang wegen eines verdächtigen Koffers – und während die Bombenattrappe darin Sprengstoff-Spezialisten ins Schwitzen bringt, liefert sich der Tatverdächtige eine 180 Kilometer lange Verfolgungsjagd vom Niederrhein bis nach Amsterdam. Dort feuern niederländische Spezialkräfte zwei Schüsse auf die Reifen seines gestohlenen Fluchtwagens ab, nehmen den Golf mit ihren Einsatzwagen in die Zange und einen polizeibekannten Duisburger fest.

Zurück in die Fußgängerzone: Erst um 23.56 Uhr sprengten Experten des Landeskriminalamtes am Montag mit einem harten Wasserstrahl die herrenlose Tasche im Forum, die sie zuvor auch mit einem ferngesteuerten Roboter untersucht hatten.

Video zeigt: Mann platzierte Attrappe absichtlich im Forum

Das Gepäckstück hatte ein Mann vor einem Geschäft im Einkaufszentrum absichtlich platziert. Das sei auf den Aufnahmen der Überwachungskamera zu sehen, berichtet Ulrich Faßbender, Sprecher des für solche besonderen Bedrohungslagen auch in Duisburg zuständigen Essener Präsidiums.

Die nach LKA-Urteil letztlich ungefährliche Bombenattrappe in der schwarzen Tasche hatte der Täter obendrein gut sichtbar mit Drähten versehen, um eine explosive Ladung vorzutäuschen.

Einziger Verdächtiger zurzeit: der in Amsterdam festgenommene, 31 Jahre alte Deutsche. Die Bild-Zeitung berichtet, er solle der Reichsbürger-Szene angehören. Das verwiesen Ermittler allerdings „ins Reich der Mythen“.

Forum bis 3 Uhr mit Spürhunden durchsucht

m etwa 19 Uhr war ein Passant am Montag auf die Tasche aufmerksam geworden, kurz darauf evakuierte die Polizei das Forum: Kunden und Mitarbeiter der etwa 80 Geschäfte mussten sofort raus und durften auch nicht mehr zu ihren in den beiden Tiefgaragen abgestellten Autos.

Um 21 Uhr – da waren bereits mehrere Einsatzhundertschaften und Spezialkommandos aus dem Ruhrgebiet und Rheinland nach Duisburg geeilt – warteten hinter dem Absperrband in der Innenstadt noch etwa 200 Betroffene.

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Zu ihnen zählte auch Filialleiter Patrick Steinmetz (29): „Ich konnte unser Fotostudio noch schnell abschließen, aber viele Angestellte hatten nicht mehr die Zeit, die Kassen abzuschließen und ihre privaten Sachen mitzunehmen.“

Erst um drei Uhr morgens, nachdem die Polizei das Forum mit Spürhunden abgesucht hatte, durften die letzten 60 Wartenden zurück zu ihren Autos und in die Läden.

Verdächtiger rammte Streifenwagen im gestohlenen Fluchtwagen

Der mutmaßliche Verursacher dieser Schreckstunden war Fahndern Stunden zuvor in einem VW Golf in der Nähe von Dinslaken aufgefallen. Offenbar sah er dem gesuchten Unbekannten ähnlich. Die Beamten versuchten darum, den Wagen des Verdächtigen zu stoppen. Wie unsere Redaktion aus gut unterrichteten Polizeikreisen erfuhr, bedrohte der Mann seine Verfolger daraufhin mit einer Schusswaffe. Zudem soll er einen Streifenwagen mit dem gestohlenen Golf gerammt haben.

Seine Verfolger ließen ihn daraufhin zunächst weiterfahren, blieben aber in sicherem Abstand an ihm dran. So konnte er zunächst über die Grenze in die Niederlande fliehen.

Die übernahm die Verfolgung am Ende der A 3 ab dem Grenzübergang Elten: weiter über die A 30 Richtung Norden und die A 1 Richtung Amsterdam. Im dortigen Bezirk Süd-Ost stoppte sie den Fluchtwagen gegen 22.30 Uhr.

Politie schießt gestohlenem Fluchtwagen die Reifen platt

An einer Hauptstraße im Stadtteil Duivendrecht klemmten mehrere Einsatzfahrzeuge den VW ein. Zur Sicherheit, so twitterte die niederländische Polizei gegen Mitternacht, habe man zwei Schüsse in die Reifen abgegeben, damit der Verdächtige nicht erneut fliehen konnte.

Der Duisburger wurde festgenommen, sein Wagen nach Sprengstoff durchsucht. Gefunden wurde aber lediglich die Waffe, mit der der mutmaßliche Täter bereits im Kreis Wesel gedroht hatte – eine Schreckschusswaffe, wie sich herausstellte.

31-jähriger Deutscher soll ausgeliefert werden

Um herausfinden zu können, ob tatsächlich der festgenommene Duisburger die Bombenattrappe im Forum abgestellt hat, „müssen wir ihn in Deutschland befragen und hier den Abgleich mit den Videoaufnahmen machen“, sagte Polizeisprecher Faßbender.

Die Staatsanwaltschaft Duisburg hat am Dienstagnachmittag einen EU-Haftbefehl für den Deutschen beantragt. Der zuständige Richter des Amtsgerichts Duisburg erließ den Haftbefehl wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, versuchter gefährlicher Körperverletzung und eines Verstoßes gegen das Waffengesetz. Auf dieser Grundlage wird die Staatsanwaltschaft nun die Auslieferung des Beschuldigten nach Deutschland vorantreiben.

Besucher und Händler fühlen sich im Forum Duisburg weiter sicher

Am Tag nach dem Großeinsatz fühlten sich Besucher und Beschäftigte im Forum eher durch die vielen Reporterteams als durch ein beeinträchtigtes Sicherheitsgefühl gestört. „Trotz des Ärgers für uns: Die Sperrung war gerechtfertigt“, meint Patrick Steinmetz. Er hofft, „dass das Forum es hier nun nicht mit den Sicherheitsmaßnahmen übertreibt.“

Für die unfreiwillig verlängerte Parkzeit in den beiden Goldbeck City-Parkhäusern unter dem Forum und unter dem König-Heinrich-Platz mussten betroffene Kunden und Angestellte übrigens nicht noch draufzahlen, versicherte Center-Manager Jan Harm.

„Mit Hilfe der Firma Goldbeck konnten wir in der Nacht und am Dienstag Ausfahrtsscheine verteilen“, so Harm.