Duisburg. Ulrike Waltemathe hat ihr Atelier an der Goldstraße in Duisburg. Ihre Objekte aus Alltagsgegenständen sind schön, aber auch ein bisschen eklig.

Viel zu erzählen gebe es nicht, sagt Ulrike Waltemathe: „Ich habe als Kind leidenschaftlich gern gebastelt, gesammelt, mikroskopiert und Heuabgüsse für Pantoffeltierchen gemacht. Und eigentlich nie damit aufgehört.“ Etwas mehr zu erzählen gibt es aber doch über die Duisburgerin, die 1962 in Hünxe geboren wurde, weitgehend autodidaktisch Künstlerin geworden ist und seit 2006 ihr Atelier an der Goldstraße hat.

Sie habe sich damals „ganz normal mit einer Mappe beworben“, und die Interessengemeinschaft Duisburger Künstler, die über die Vergabe der städtischen Ateliers entscheidet, „wollte gerne, dass ich komme“. Sie ist geblieben. In Duisburg lebt sie schon seit 30 Jahren. In ihrem hellen, weißen Atelier ist Ulrike Waltemathe umgeben von ihren Arbeiten, denen man bei Ausstellungen nicht nur in Duisburg gerne begegnet. Arbeiten, die man wieder erkennt, denn stets arbeitet sie mit Alltagsmaterialien und überrascht mit dem, was sie aus ihnen macht.

Das wichtigste Werkzeug der Duisburger Künstlerin ist die Klebepistole

Begonnen hat es „in einem fürchterlich verregneten Sommer am Lago Maggiore“. Aus purer Langeweile habe sie begonnen, weiße Plastiklöffelchen aneinander zu kleben. Auf den ersten Blick wirkt das Objekt, als bestehe es aus weiß lackierten Fingernägeln, erst auf den zweien Blick erkennt man das eigentliche Material. Es ist dieser zweite Blick, das Wiedererkennen und die Reaktionen der Betrachter, die Ulrike Waltmathe schon oft Spaß gemacht haben. Sie sieht ihre Kunst auch mit einem Augenzwinkern.

Aus Zehntausenden von Wattestäbchen und Spielzeugkegeln besteht die Arbeit, die in der Ausstellung „Vor Ort“ 2018 im Lehmbruck-Museum zu sehen war.
Aus Zehntausenden von Wattestäbchen und Spielzeugkegeln besteht die Arbeit, die in der Ausstellung „Vor Ort“ 2018 im Lehmbruck-Museum zu sehen war. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Am Kleben ist sie hängen geblieben, ihr wichtigstes Werkzeug ist die Klebepistole, mit der sie ihr Material, das sie in großen Mengen in Drogeriemärkten kauft, zusammenbringt. Den Satz „Ach, guck mal, das sind Q-Tips!“ hat sie schon oft gehört. Denn so organisch ihre Objekte auch wirken, die an Einzeller, Viren, biologische Modelle oder botanische Zeichnungen, an menschliche Organe oder auch Amethystdrusen erinnern, sie sind das Gegenteil. Ulrike Waltemathe arbeitet zum Beispiel mit Gummihandschuhen, Eisschirmchen, Federbällen oder eben Q-Tipps, die „unendliche Möglichkeiten“ bieten, sagt sie. Wie sie die erkennt? „Ich sehe die Welt mittlerweile anders.“

Die unendlichen Möglichkeiten des Wattestäbchens

Zehntausende von Wattestäbchen hat sie verklebt für eine große Arbeit, die bei der Ausstellung „Vor Ort“ 2018 im Lehmbruck-Museum zu sehen war. Wozu mehr als Geduld, eher Verbissenheit gehört. „Ich vergesse dann das Trinken und Aufstehen“, sagt sie. Dann meldet sich der Rücken. Weil es ein bestimmtes Rosa sein musste, ein helles, eher fleischfarbenes, hat sie sämtliche Märkte der Region nach genau diesen Stäbchen abgeklappert. „Bei 20.000 Stück darf eins nicht viel kosten.“

Es grünt und blüht und wuchert im Atelier von Ulrike Waltemathe - zumindest scheint es so.
Es grünt und blüht und wuchert im Atelier von Ulrike Waltemathe - zumindest scheint es so. © Zoltan Leskovar / FUNKE Foto Services

Sie hat sie über Wochen aneinandergereiht und in eine Form gebracht, die wie eine kuschelige Höhle wirkt, aber auch an eine Gebärmutter erinnern kann. Auch das bewirken Waltemathes Objekte oft: Erst kommt ein überraschtes Lächeln, dann ein leichter Ekel. „Ich finde es schön, wenn hintenrum ein kleiner Arschtritt kommt.“ Dazu ergebe sich das Gefühl der Absurdität, mit Einwegteilen Dinge zu machen, die überdauern und an Meerestiere erinnern, die durch den Plastikmüll bedroht sind.

Ihre Objekte sind schön – und ein bisschen eklig zugleich

Ihre Objekte sind schön, können aber auch an Schimmel erinnern, wenn sie sie – was Ulrike Waltemathe gern macht – an Wänden platziert, wo sie wirken, als wären sie an dieser Stelle gewachsen: haarig, stachelig, schleimig. Wie sie diese „Wesen“ platziert, wird vorher exakt geplant, das allerdings in der eigenen Wohnung. Denn das Atelier ist voll mit ihrer Kunst, es ist auch ein Ausstellungsraum.

Leben kann Ulrike Waltemathe „natürlich nicht“ von ihrer Kunst, „aber ich verkaufe mehr als die meisten“. Sie nimmt an der „Grossen“ in Düsseldorf teil, die in diesem Jahr bis zum 4. August rund 14.000 Besucher in den Kunstpalast gezogen hat. In Düsseldorf werden ihre Arbeiten seit 2015 in der Galerie Fonis angeboten, in Duisburg ist sie regelmäßig beim „Goldverkauf“, in der Cubus-Kunsthalle oder bei Akzente-Projekten vertreten.

Plastikblumen aus China, Seeigel vom Strand

Zur Zeit arbeitet Ulrike Waltmathe mit Plastikblumen, erforscht gerade das Material dieser „botanisch oft sehr genauen“ Billigprodukte aus China. „Ich weiß noch nicht, was es wird“, sagt sie – und sieht bereits „unendliche Möglichkeiten“. Und im Urlaub hat sie Seeigelschalen gesammelt. Könnte sein, dass sie ein natürliches Material einschleicht.