Duisburg. Die 17-Jährige Duisburgerin treibt bereits leblos im Rhein, als drei Männer in den Fluss springen, sie an Land ziehen und wiederbeleben.
Es ist brütend heiß am frühen Freitagabend, als eine 17-jährige Duisburgerin zusammen mit ihrer Schwester am Rheinufer, unweit der Brücke der Solidarität, herumalbert. Immer wieder radeln die beiden auf ihren Fahrrädern einen kleinen Abhang hinunter hinein ins seichte Wasser. Was bis gerade eben noch ein leichtsinniger Videodreh unter Teenagern sein sollte, wird von jetzt auf gleich ein Kampf um Leben und Tod, den die 17-Jährige nur haarscharf und nur dank heldenhafter Augenzeugen überlebt. Dank Siegfried und Melvin Horn, und einem dritten Mann, der lieber nicht in der Zeitung stehen will.
„Ich war gerade dabei mein Zelt aufzubauen, um danach gemütlich eine Runde mit meinem Sohn zu angeln, da hörte ich die ersten Hilfeschreie. Es waren die Schwestern, die mit ihren Rädern immer wieder knietief ins Wasser fuhren und aus Jux und Dollerei um Hilfe schrien“, erinnert sich Siegfried Horn noch ganz genau. Denn die folgenden Minuten wird er so schnell nicht vergessen.
„Irgendwann waren die Mädchen hinter einer kleinen Landzunge für uns nicht mehr zu sehen, aber wir konnten sie hören“, berichtet Siegfried Horn. „Irgendwas war jetzt anders. Die Hilfeschreie klangen anders“, sagt der 55-jährige Hausmeister. Es lässt ihm keine Ruhe. Er schickt seinen Sohn Melvin los, um nachzusehen. „Ich bin ein paar Schritte gegangen, dann sah ich sie, wie sie im Wasser trieb und ihre Schwester panisch um Hilfe schrie“, berichtet der 21-Jährige. Sofort ruft er seinen Vater, der keine Sekunde zögert, losrennt und ins Wasser springt. Gleichzeitig macht sich Melvin schon auf den Weg zu der 17-jährigen Hochfelderin, und ein dritter Angler eilt von der anderen Seite zur Hilfe. Zusammen gelingt es ihnen, die Jugendliche an Land zu ziehen. Mit vereinten Kräften tragen sie das Mädchen über das Stein- und Kiesufer hoch zur Wiese.
Die eigene Tochter vor Augen
„Der andere Mann war dann völlig platt, der konnte nicht mehr. Also habe ich gefühlt Minuten lang auf den Brustkorb des Mädchens eingedrückt. Mir taten die Hände schon weh, aber ich hätte niemals aufgehört. Ich hatte plötzlich meine eigene Tochter vor Augen“, sagt Siegfried Horn mit zittriger Stimme. Seine Tochter ist im Alter von 28 Jahren vor fünf Jahren an einem Asthmaanfall erstickt. „Ich will gar nicht daran denken, was passiert wäre wenn...“, sagt der 55-Jährige. Die Worte bleiben ihm im Hals stecken. „Mein Vater hätte sich wohl ein Leben lang Vorwürfe gemacht. Auch wenn es nicht seine Schuld gewesen wäre“, beendet Melvin den Satz seines Vaters.
Nach einer Weile spuckt die Jugendliche, die schon am ganzen Körper blau angelaufen ist, den ersten Schwall Rheinwasser aus. In diesem Moment kommen zwei Zivilbeamte der Duisburger Polizei zur Hilfe.
Die Beamten hatten vorher zufällig von der Brücke der Solidarität aus beobachtet, wie drei voll bekleidete Personen, eine leblose Person aus dem Rhein an das Hochemmericher Ufer zogen. Bis die Polizisten unten angekommen waren, hatten Siegfried Horn und sein Sohn Melvin bereits Erste Hilfe geleistet. Die Männer setzen sich erschöpft, aber glücklich hin, die Polizisten betreuen die völlig verschreckte Jugendliche, bis der Notarzt da ist. Die 17-Jährige wird in ein Krankenhaus gebracht, wo die Ärzte wenig später Entwarnung geben. Sie ist außer Lebensgefahr.
Schreck und Enttäuschung sitzen tief bei den Rettern
Die beiden Lebensretter sind „einfach nur glücklich“, dass die 17-Jährige nicht gestorben ist, sagen sie ein paar Tage später bei einem Spaziergang am Ort des Geschehens zwischen Brücke der Solidarität und Hochfelder Eisenbahnbrücke. Und doch wirken sie etwas bedrückt. „Da ist tatsächlich eine Sache, über die wir uns ein bisschen ärgern“, gibt Siegfried Horn zu. Einen Tag nach der dramatischen Rettung waren die Horns wieder an der selben Stelle und wollten angeln, als die Schwester der 17-Jährigen vorbeikam. „Sie bedankte sich ganz kurz, dass wir ihre Schwester vor dem Ertrinken gerettet hatten, und dann fragte sie mich sofort vorwurfsvoll nach den beiden PET-Wasserflaschen, die die Mädchen am Vortag dabei hatten, und nach Kopfhörern, Socken und nach einem Fahrrad.“ Siegfried Horn konnte kaum glauben, was er gerade hörte, zeigte dennoch auf die Stelle, an der die Habseligkeiten der Schwestern lagen. „Eines der beiden Räder konnte ich noch aus dem Rhein ziehen, das andere hat die Strömung mitgerissen. Dass der Familie der Hochfelderin aber ein paar Plastikflaschen, Socken und ein Fahrrad so wichtig sind, dass dafür die Schwester wieder ans Ufer kommt, die Eltern aber offenbar kein Wort der Dankbarkeit übrig haben, hat mich schon geärgert“, sagt Siegfried Horn. Dennoch würde er es wieder mit der Strömung des Rheins aufnehmen, wenn ein Menschenleben in Gefahr wäre. „Ich würde nicht eine Sekunde zögern“.
Polizei Duisburg dankt Rettern und warnt vor Gefahren
Die Polizei bedankt sich ausdrücklich bei den beiden Rettern, die hervorragend reagiert und gehandelt haben, als sie feststellten, dass das Mädchen zu ertrinken drohte. „Gleichzeitig weisen wir darauf hin, dass das Schwimmen im Rhein extrem gefährlich ist und auch geübte Schwimmer in lebensbedrohliche Situationen bringen kann“, betont Polizeisprecherin Jacqueline Grahl einmal mehr.