Duisburger Westen. Graffitikünstler Marten Dalimot bringt Farbe in die Stadt. Er hat unter anderem den Bahnhof Rheinhausen und das Bienenmuseum verschönert.

Sauber! Kein einziger Farbklecks. Obwohl Marten Dalimot kurz vor unserem Termin noch gearbeitet hat, sind keine Spuren zu sehen. Der Graffitikünstler breitet die Arme aus, zeigt sein blitzblankes Shirt und bekennt grinsend Farbe: „Ich genieße das, ab und zu auch mal richtig sauber zu sein.“ Gar nicht so einfach für einen, der täglich in die Welt der Farben abtaucht. In seinem privaten Kleiderschrank gibt es, wie er verrät, tatsächlich nur ein kleines Fach für Klamotten, die noch nicht von seiner Arbeit gezeichnet sind.

Den Rest zieren die Spuren kreativer Freiheit. Ein bisschen Rot vom riesigen Wandgemälde der Unterführung des Bahnhofs Rheinhausen. Ein Klecks Magenta als Erinnerung an die knalligen Blütenblätter, die das Bienenmuseum in Rumeln-Kaldenhausen verschönern. Und bestimmt ist auch irgendwo noch ein Rest Blau zu finden, Hommage an das Homberger Wasserwerk, an dem er sich verewigt hat.

Die Fassade des Bienenmuseums in Rumeln hat Marten Dalimot 2018 neu gestaltet.
Die Fassade des Bienenmuseums in Rumeln hat Marten Dalimot 2018 neu gestaltet. © FUNKE Foto Services | Dennis Freikamp

Graffiti? Da zuckt so mancher selbst vier Jahrzehnte nachdem die amerikanische Subkultur mit dem Hip-Hop nach Deutschland schwappte noch zusammen. Darf der das? Oder muss man die Polizei rufen? Keine Sorge, der darf das nicht nur, er wird dafür sogar bezahlt und kann samt einer Familie mit zwei Kindern ganz legal davon leben. Wenn Marten Dalimot mit der Sprühdose unterwegs ist, dann muss er sich die Kapuze nicht bis tief ins Gesicht ziehen. Der studierte Kommunikationsdesigner kann ganz offiziell seine kunstvollen Spuren in der Stadt hinterlassen: Seit vielen Jahren wird der 1981 in Duisburg geborene Sprayer engagiert, um die Stadt nicht nur im Westen bunter zu machen. Aufträge von Firmen oder Privatleuten gibt es auch, aber viel sichtbarer ist es, wenn der öffentliche Raum sein Arbeitsplatz ist. Und so manches fällt sogar erst dann richtig gut ins Auge, wenn der 38-Jährige Hand anlegen durfte.

Die Sache mit dem Berufswunsch

Gutes Beispiel für einen solchen Wandel ist das Duisburger Bienenmuseum der Imker in Rumeln-Kaldenhausen. „Das hat vorher doch kaum jemand wahrgenommen“, schildert Dalimot seinen Eindruck von dem zuvor so tristen Gebäude. Schon lange wollte man den Graffitikünstler dafür gewinnen, dass er die verstaubte Optik auffrischt, denn das, was im Inneren des Hauses geschieht, ist angesichts des Bienensterbens wichtiger denn je. Ein finanzieller Zuschuss der Bezirkspolitik machte es möglich, dass das Haus des Imkerverbands jetzt mit knalligen Waben und überdimensionalen Flügeltieren nach Aufmerksamkeit für den Naturschutz schreit.

Auch interessant

Ein Job, der nicht nur auf Hose und Pullover von Marten Dalimot Spuren hinterlassen hat. Auf seinem Balkon blühen jetzt bienenfreundliche Pflanzen, ein Insektenhotel hat er auch aufgestellt. So befruchten sich Künstler und Werk gegenseitig.

Marten Dalimot blickt auf die mit dem Kugelschreiber über das Papier eilende Hand seiner Gesprächspartnerin und dreht die Uhr gedanklich zurück in die Zeit seiner Berufsfindung. „Tatsächlich wollte ich mal Journalist werden“, sagt er und seine Augen spiegeln knapp zwanzig Jahre später die Verwunderung über den eigenen Berufswunsch von damals wider. „Das war natürlich quatsch, denn ich habe ja fast nie Texte geschrieben, sondern immer schon lieber Bilder gemalt.“

Wenn er mit Buchstaben zu tun hatte, dann kamen die nicht schwarz auf weiß im Zeitungsdruck daher, sondern waren großformatige Schriftzeichen, die akribisch entworfen wurden, bevor sie mit Farbe besprüht in die Freiheit entlassen wurden. Und, ja, das war damals in Marten Dalimots ziemlich jungen Jahren dann auch mal nicht legal.

Arbeitsschutz muss sein. Ohne Atemmaske wird kein Graffiti gesprüht.
Arbeitsschutz muss sein. Ohne Atemmaske wird kein Graffiti gesprüht. © FUNKE Foto Services | Udo Milbret

Der Familienvater spielt mit den Bügeln seiner Sonnenbrille, die vor ihm auf dem Tisch liegt, und lächelt bei der Erinnerung an sein allererstes richtiges Graffiti-Kunstwerk. „Ach, das ist längst verjährt, ich erzähl’s“, sagt er. 1998 war es, als er im Dunkeln loszog, um sich mit seinen Buchstaben, an denen er tagelang mit Zeichenstift auf Papier gefeilt hatte, an einer Fußgängerbrücke an der A59 zu verewigen. „Ich weiß noch, dass ich sehr aufgeregt war.“ Eine bleibende Erinnerung, nicht nur im Kopf: Sein Erstling an der Autobahn ist tatsächlich noch da.

Der Ehrenkodex galt schon damals

„Für uns war es damals schon ein Ehrenkodex, dass wir nichts verschandeln oder beschmieren.“ Private Hauswände waren tabu, man wollte mit cooler Kunst auf grauem Beton glänzen. In der Abschlussarbeit seines Studiums hat er sich später damit beschäftigt, wie man illegale Graffitis verhindern kann und wissenschaftlich herausgearbeitet, dass zur Verfügung gestellte Flächen im öffentlichen Raum eine enorme Erfolgsquote haben können.

Zusammen mit Streetworkern war Marten Dalimot, wie er sagt, einer der „Pioniere in Sachen legale Flächen.“ Die Freifläche an der Meidericher Unterführungsstraße ist Zeichen dafür, was möglich ist. Hier dürfen Jugendliche ganz legal mit der Spraydose kreativ werden und cool ist es trotzdem. Hunderte von Bildern sind an der „Hall of Fame“ der Sprayer entstanden, Projekte, die Marten Dalimot mit betreut hat. Ein Platz, der über die Grenzen Duisburgs hinaus bekannt ist.

Dalimots eigene Hall of Fame ist ein Puzzle. Viele, viele Einzelteile, verstreut in Stadt und Land, auf Garagenwänden, in Büros, auf den einst so langweiligen Stromkästen, die er schon im Auftrag der Duisburger Stadtwerke zu Hinguckern gemacht hat. Ein Erfolgsprojekt, denn jedes Jahr kommen neue dazu. Manchmal ist Marten Dalimot selber überrascht, wo er schon überall Spuren hinterlassen hat. Neulich radelte er mit seinem Sohn am Stadtrand durchs Grüne, entdeckte ein Kunstwerk und wunderte sich: „Ach, das ist ja auch von mir.“