Duisburg. Ein triumphaler Abend: Beim Sommerkino-Filmkonzert erhielten die Duisburger Philharmoniker und Dirigent Carl Davis stehende Ovationen.

Drei Jahre waren seit seinem letzten Auftritt in der Gießhalle des Landschaftsparks Nord vergangen: Doch Carl Davis erinnerte sich trotzdem noch genau an jedes Detail der industriell geprägten und Ehrfurcht einflößenden Sommerkino-Spielstätte. Dort glückte dem Dirigenten und den Duisburger Philharmonikern nun der nächste Triumph: Für ihre grandiose Leistung beim Filmkonzert am Donnerstagabend zum Stummfilm „The General“ ernteten sie von 900 restlos begeisterten Besuchern stehende Ovationen. Kein Wunder, dass Davis nachher im WAZ-Interview feststellte: „Ich bin verrückt nach dieser Halle und bin verrückt nach diesem großartigen, intelligenten Publikum hier.“

Der US-Amerikaner (82), der in London lebt, war Anfang dieser Woche nach Duisburg gereist. Dreimal wurde seitdem die Komposition geprobt, die Davis bereits vor einigen Jahren für den Buster-Keaton-Film „The General“ neu angefertigt hatte. Zweimal zogen sich Musiker und Dirigent dafür in den Orchesterprobensaal des Stadttheaters zurück. Die Generalprobe erfolgte dann am Donnerstagvormittag vor Ort in der Gießhalle.

Musik der Duisburger Philharmoniker hauchte dem Stummfilm Leben ein

„Da hat mich die Musik schon gepackt. Es ist eine Super-Komposition“, geriet Dr. Alfred Wendel, der Intendant der Duisburger Philharmoniker, bereits vor Filmkonzertbeginn ins Schwärmen. Ein Stummfilm ohne jegliche Form von Begleitung oder Effekten anzuschauen, mache einfach keinen Spaß, so Wendel. „Erst durch die Musik bekommt er Leben eingehaucht.“

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Weil die Geschichte des Stummfilms „The General“ 1861 spielt – dem ersten Jahr des US-amerikanischen Bürgerkriegs – wollte Komponist Davis auch einige musikalische Wild-West-Elemente einfließen lassen. Genau deshalb gehörten zum 35-köpfigen Aufgebot der Philharmoniker, das die Filmkonzerte in Angriff nahm, nicht nur Streicher, Holzbläser oder Schlagzeuger, sondern auch ein Banjo- und ein Mundharmonikaspieler.

Chaplin, Lloyd und Keaton: Die Stummfilmgiganten vereint im Sommerkino

Dr. Alfred Wendel (l.), Intendant der Duisburger Philharmoniker, und Sommerkino-Macher Kai Gottlob begrüßten die 900 Besucher vor dem Beginn des Filmkonzerts.
Dr. Alfred Wendel (l.), Intendant der Duisburger Philharmoniker, und Sommerkino-Macher Kai Gottlob begrüßten die 900 Besucher vor dem Beginn des Filmkonzerts. © Thomas Berns

Wendel betrat dann um kurz nach 22 Uhr gemeinsam mit Sommerkino-Macher Kai Gottlob die Bühne. Letzterer erinnerte noch einmal an die großartigen Chaplin-Filmkonzerte in den Jahren 2009 („Gold Rush“), 2012 („The Kid“) und 2014 („City Lights“) und an das Harold-Lloyd-Meisterwerk „Safety Last“, das 2016 im Sommerkino gezeigt wurde. „Nun schließt sich ein Kreis. Denn mit Chaplin, Lloyd und heute Buster Keaton haben wir die drei Ikonen, die Stummfilmgiganten der 20er Jahre hier im Sommerkino vereint“, sagte Gottlob.

„The General“ sei für ihn ein Meilenstein der Filmgeschichte, so Gottlob weiter. Das liege zum einen an Hauptdarsteller Buster Keaton, der jeden einzelnen der unzähligen waghalsigen Stunts bei den Lokomotiven-Fahrten selbst ausführte. Für den spektakulärsten gab es vom Publikum sogar mitten im Film Szenenapplaus. Und auch die Sequenz, in der eine Lokomotive von einer zusammenbrechenden Brücke in einen Fluss stürzt, genießt Kultstatus. „Das wurde alles ohne Tricks oder Spezialeffekte gedreht. Die gab es damals ja noch nicht.“ Und deswegen sei dies bis heute die teuerste Stummfilmszene aller Zeiten, so Gottlob.

Schlagzeug sorgte für die nötigen Schreckeffekte

Knapp 80 Minuten dauert der Film. Es fällt auf, dass Carl Davis in seiner Komposition zahlreiche bekannte Militär-Melodien zitiert. Die Sequenzen bei den Lok-Verfolgungsjagden verfügen über die erforderliche musikalische Rasanz. Und für einige gelungene Schreckeffekte, etwa bei Schüssen oder zufallenden Fenstern, sorgt das Schlagzeug – auch wenn der Einsatz nicht jedesmal auf die Sekunde synchron zum Bild erfolgte.

Der Film war kaum beendet, schon prasselte ein Applaus- und Jubelgewitter auf Davis hernieder. Der Dirigent gab diese Anerkennung aber in derselben Sekunde weiter und klatschte seinerseits stürmisch Beifall für die Philharmoniker, ließ alle Musiker sich immer wieder von den Plätzen erheben. Der verdiente Lohn für einen ebenso großen wie großartigen Abend.

Dirigent Carl Davis von Duisburger Philharmonikern begeistert

Der US-amerikanische Dirigent und Komponist Carl Davis (82) schätzt das Ambiente in der Gießhalle als Spielstätte für die Filmkonzerte sehr.
Der US-amerikanische Dirigent und Komponist Carl Davis (82) schätzt das Ambiente in der Gießhalle als Spielstätte für die Filmkonzerte sehr. © Thomas Berns

„Das Orchester spielt ja sonst immer bei Oper oder Ballett – und da unterstützen sie die Sänger und die Tänzer“, sagte Davis nach Konzertende. „Hier im Sommerkino unterstützen sie den Film, nehmen seine Emotionen auf und tragen sie ans Publikum weiter.“ Die Philharmoniker hätten eine herausragende Arbeit abgeliefert, lobte er. Dann griff er sich ein Gläschen Weißwein, stieß mit Intendant Wendel an und sagte aus vollem Herzen: „Cheerio to Duisburg! What a wonderful place!“