Duisburg. Grüne und FDP wünschen sich für die Zukunft ähnliche Ergebnisse. CDU und SPD wollen den Abwärtstrend drehen. Die AfD bereitet ihnen Kopfschmerzen.
Die zahlreichen Wahlaufrufe haben gewirkt: Die Beteiligung lag mit 49,6 Prozent bei dieser Europawahl in Duisburg höher als üblich. Genutzt hat es den großen Parteien allerdings nicht. Sie haben deutlich verloren. Von Feierstimmung konnte bei der Zusammenkunft im Rathaus, diesmal nur im kleinen Kreis, keine Rede sein.
„Unsere Gesellschaft zerbröckelt in Einzelinteressen“, kommentierte Ralf Jäger, Chef der Duisburger SPD, am Sonntagabend das Ergebnis der Europawahl und die teils deutlichen Zuwächse vieler kleiner Parteien. Aber er sieht auch eine Verantwortung der Führung der Bundespartei für die Misserfolge der Sozialdemokraten nicht nur bei der aktuellen Wahl: „Was die in Berlin veranstalten in den letzten Jahren, hat zu einem unglaublichen Vertrauensverlust für die SPD geführt.“ Das Thema Klimaschutz habe die Diskussion um Vorfeld der Wahl bestimmt, auch wegen des letzten heißen Sommers, so der frühere NRW-Innenminister weiter; „und das geht zu Lasten der Parteien, die das Ganze im Blick haben“. Gewählt werde offenbar die Partei, von der man „vermutet“, dass sie ein Klimaschutzkonzept hat.
SPD-Chef Jäger stellt die Große Koalition (noch) nicht in Frage
Nach wie vor sieht Jäger aber ein Wählerpotenzial für die Sozialdemokraten von rund 32 Prozent, wie sie noch 2017 auf dem Höhepunkt der Beliebtheit von Martin Schulz verzeichnet wurde. Im Vorfeld der Kommunalwahl im Herbst 2020 heiße es jetzt für die SPD-Politiker, sich wieder als „Kümmerer“ zu profilieren. Hoffnung auf Besserung hat Jäger durchaus: „Wir haben sehr viele junge Leute, die in den vergangenen Jahren in die SPD eingetreten sind.“
Die Große Koalition in Berlin will Jäger nicht wegen des Wahlergebnisses in Frage stellen, wohl aber, wenn die Reform von Hartz IV oder die Grundrente an der CDU/CSU scheitern sollte.
„Das große Kasperletheater in Großbritannien stärkt nicht gerade den europäischen Gedanken“, hat Bruno Sagurna, Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion festgestellt. Für die Kommunalwahl macht er sich weniger Sorgen um „seine“ Partei: „Dann geht es um die Persönlichkeiten, und außerdem ist Duisburg auf dem richtigen Weg nach vorne.“
Volker Mosblech, stellvertretender Vorsitzender der Duisburger CDU, interpretiert das Wahlergebnis so: „Es ist offenbar schick, die Grünen zu wählen.“ Er könne aber nicht sehen, dass die Grünen mehr machten als Verhindern. Für die CDU gelte es jetzt, sich wieder stärker Europa zu widmen: „Europa war einmal unser Hauptthema.“
Klimaschutz war großes Thema für Wähler
„Das Thema Klimaschutz ist das, was gezogen hat“, stellt Rainer Enzweiler, Chef der CDU-Ratsfraktion, fest. Die CDU sei nicht in der Lage gewesen, ihre Antwort „medienwirksam zu verkaufen“: „Bitter ist das, und so kann es nicht weiter gehen.“ Was nicht bedeute, dass die Duisburger CDU plötzlich wieder eine Baumschutzsatzung wolle. Die sei ein „bürokratisches Monstrum“ gewesen und Duisburg nach wie vor „viel grüner als Köln oder Düsseldorf“. Auch zu geplanten Neubaugebieten wie in Wedau steht Enzweiler weiterhin. Moderne Häuser seien wärmegedämmt, viele hätten Solaranlagen. Und mit den erhofften zahlungskräftigen Neubürgern komme auch eine kräftige Aufbesserung der städtischen Einnahmen.
Die Grünen sind die Gewinner des Abends. Anfangs waren die Landtagsabgeordnete und Kreisvorsitzende Birgit Beisheim sowie die Duisburger Fraktionssprecherin Claudia Leiße noch etwas ungläubig, ob sie das hervorragende Bundesergebnis auch in Duisburg wiederholen würden – bisher war die Partei immer einstellig geblieben. Bei der letzten Europawahl haben 7,9 Prozent ihr Kreuz bei den Grünen gemacht, bei der Bundestagswahl 2017 waren es 5,1 Prozent. Und diesmal: Bei knapp unter 20 Prozent lieferten sie sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der CDU. „Das Ergebnis ist der Hammer“, sagt Birgit Beisheim erfreut. Sie glaubt, dass sie das Stimmenplus aus eigener Stärke geschafft haben - und nicht etwa, weil die SPD so stark verloren habe. Claudia Leiße pflichtet ihr bei. Grüne Themen wie Klimaschutz liegen im Trend. Ihre Wähler-Hochburgen sind Neudorf-Nord (29,5 Prozent), Duissern (28,8 Prozent) und Altstadt-Ost/Dellviertel-West (27,9 Prozent). Sorgen macht sich Beisheim mit Blick auf das AfD-Wahlergebnis: „Da müssen wir mit den anderen Parteien ran.“ Wichtig sei nun, den Schwung bis zur nächsten Kommunalwahl beizubehalten.
FDP ist zufrieden, weil sie im Bundestrend liegt
Zufrieden zeigt sich auch der FDP-Kreisvorsitzende Thomas Wolters. „Für uns war im Vorfeld nicht absehbar, wie die Wahl ausgeht. In Duisburg lagen wir sonst immer unter dem Bundesschnitt. So gesehen sind die 5,2 Prozent ein gutes Ergebnis.“ Das AfD-Ergebnis sei so wie es zu erwarten war. „Es hätte auch schlimmer kommen können.“
AfD-Ratsherr Alan Imamura ist ebenfalls mit dem Wahlergebnis seiner Partei in Bund und Duisburg zufrieden, vor allem mit den deutlichen Zuwächsen in Duisburg und dem zweistelligen Ergebnis in der Stadt. Im Stadtbezirk Hamborn liegt die AfD nur noch knapp hinter der CDU, im Kommunalwahlbezirk Neumühl mit 20,43 Prozent sogar knapp vor der CDU (20,34 %) und nur knapp hinter der SPD (24,67 Prozent.) „Dort haben wir auch gezielt Wahlkampf gemacht. Das hat sich gelohnt“, so Imamura.
Die Linke hat selbst nur 5,7 Prozent erhalten und somit im Vergleich zur Bundestagswahl 2017 verloren (7,8 Prozent). „Allerdings sind wir froh, dass die AfD nicht wieder in den Nord-Bezirken bei rund 30 Prozent liegt“, sagt Martina Ammann-Hilberath, Fraktionsvorsitzende der Linken. Sie bedauert: „Die sozialen Themen haben im Wahlkampf und bei der Entscheidung der Wähler offenbar eine nicht so große Rolle gespielt.“ Gerade wenn es um Hartz IV oder die Zukunft des Thyssen-Standorts gehe, seien diese aber wichtig. Mit Blick auf die nächste Kommunalwahl wollen sie und ihre Mitstreiter verstärkt Aktionen in den Stadtteilen machen, um für ihre Politik zu werben.
Insgesamt sind bei der Europawahl in Duisburg 41 Parteien angetreten. Die „Größte“ der „Kleinen“ war „Die Partei“, sie erhielt 3 Prozent der Stimmen.