Duisburg. . Der Kabarettist präsentiert im Steinhof in Duisburg-Huckingen sein aktuelles Programm „Kein zurück!“. Das bedeutet: schonungsloser Klartext.

Wilfried Schmickler ist der Häcksler des Kabaretts: Seine Silben legen die – bis auf die Wahrheit heruntergeschredderten – Details groß geführter Gesellschaftsdebatten schonungslos offen. Er jagt Seehofer, Facebook und Männer in Funktionswäsche. Das Resultat ist wie der Name seines aktuellen Programms: Es gibt „Kein zurück!“.

Am Samstagabend entblößte die WDR-„Mitternachtsspitze“ im ausverkauften Huckinger Steinhof in gewohnt rekordverdächtigem Sprachtempo die Scheinheiligkeit gesellschaftlichen Denkens und Handels: „Dem Zuckerberg von Facebook schieben Sie Ihre intimsten Gedanken und Gefühle zu. Aber Sie würden nicht auf die Idee kommen, Ihre Haustür offen zu lassen mit der Begründung, Sie hätten nichts zu verbergen“, sagt der Kölner Kabarettist. Vor den fast 600 Besuchern zieht er dann die komplette Politikerriege durch den Kakao: Merkel sei eine lahme Ente im Hühnerstall, Seehofers Paranoia und Narzissmus ähnele der Donald Trumps; „Und als Strippenzieher hinter all dem Demokratie schadenden Schwachsinn der Politik steckt Alexander Dobrindt, der Che Guevara der Reihenhäuser.“ Das Publikum lacht, applaudiert, ist erheitert. Aber das reicht Schmickler nicht.

Während des gut zweistündigen Auftritts schafft Schmickler immer stille Momente, in denen das Publikum innehalten und das Gesagte verarbeiten kann. Etwa, als er die Biografien dreier Afghanen aufsagt, die an dem Tag abgeschoben wurden, als Seehofer Geburtstag hatte. Seehofer sagte damals „Ausgerechnet an meinem 69. Geburtstag sind 69 – das war von mir nicht so bestellt – Personen nach Afghanistan zurückgeführt worden“. Schmickler lässt die Zahl nicht so stehen; er nennt Namen, er nennt die Ausbildungsplätze, Berufe und die Vereine, in denen sich die Afghanen in Deutschland engagierten, bevor sie abgeschoben wurden.

Dreimal das „Apple Unser“ beten

Generell positioniert sich Schmickler in der ersten Stunde seines Programms politisch und bescheinigt all denen fehlende Solidarität und Mitgefühl, „die sich einen Führer zurückwünschen, die sagen, dass ja früher nicht alles schlecht gewesen ist“. Auch deshalb heißt der Titel seines Programms „Kein zurück!“. Er prangert das Anstands- und Respektlose an und findet es schrecklich, dass „manche nicht bereit sind, auch nur einen Bruchteil ihres Wohlstandes abzugeben an jene, die in der globalen Glücksspiel-Lotterie eine Niete gezogen haben.“

Nach der Pause geht’s etwas weniger scharf zu. Schmickler witzelt über Männer in Funktionswäsche, „die im Kopf jung bleiben wollen, während der Körper träge und teigig wird“. Oder über das öffentlich-rechtliche Fernsehen: „Heute Abend läuft im SWR ‚Die Eifel lebt‘ – da kann ich die Lügenpresse-Rufe durchaus verstehen.“ Der Kirche widmet er nur eine Pointe, bevor sich das Ende eines unterhaltsamen, nachdenklichen und teils poetischen Abends nähert. Es gehe niemand mehr in die Kirche, so Schmickler, also geht Gott online. „Dann heißt es ab jetzt von Zuhause ‚Alexa, ich habe gesündigt‘“. Und Alexa antwortet: „Das weiß ich doch. Bete drei Mal das Apple Unser.“