Duisburg. . Die Zahl der Einschulkinder mit Verhaltensauffälligkeiten und Defiziten in der Koordination steigt. Übergewicht bleibt in Duisburg ein Problem.

Kinder aus Duisburger Ortsteilen mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil von sozial belasteten Familien sind einem erhöhten gesundheitlichen Risiko ausgesetzt. Außerdem ist der Anteil von übergewichtigen Kinder weiterhin hoch, immer mehr Mädchen und Jungen zeigen Auffälligkeiten im Verhalten.

Das stellt der Kindergesundheitsbericht fest, den jetzt das Gesundheitsamt vorgelegt hat. Grundlage des Berichts, der letztmalig vor elf Jahren erstellt wurde, sind die Ergebnisse der Einschulungsuntersuchungen der vergangenen Jahre. Die Behörde empfiehlt die Rückkehr zu Screenings in den Kindergärten, um Auffälligkeiten frühzeitiger begegnen zu können.

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Vor allem die Versorgung von Kindern aus südosteuropäischen Zuwandererfamilien bezeichnet Gesundheitsdezernent Ralf Krumpholz als „eine der großen Herausforderungen für unsere Stadt, der wir konsequent begegnen müssen“. Sie sind teilweise nicht krankenversichert, nehmen Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen deshalb nicht in Anspruch. Die Zahl dieser so genannten Seiteneinsteiger-Kinder ist bei den Untersuchungen des Kinder- und Jugend-Gesundheitsdienstes des Gesundheitsamtes (KJGD) in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich gestiegen: Von 241 im Jahr 2009 auf den Spitzenwert von 2786 im Jahr 2016. In 2017 wurden 1467 Mädchen und Jungen aus Zuwandererfamilien untersucht. Im vergangenen Jahr sank ihre Zahl auf 1467.

Ein Viertel der Einschulkinder war wenig oder gar nicht in der Kita

Eine Ärztin im Schulärztlichen Dienst  bei einer Schuleingangsuntersuchung.
Eine Ärztin im Schulärztlichen Dienst bei einer Schuleingangsuntersuchung. © dpa Picture-Alliance / Markus Scholz

Damit steigt auch der Anteil der Kinder, die in den ersten vier Lebensjahren Deutsch nicht als „Erstsprache“ erlernen. Sie waren zum Beginn des Schuljahres 2018/18 in der Mehrheit mit stadtweit 50,1 Prozent, haben die Autoren des Berichts errechnet. In Ortsteilen wie Bruckhausen (87,5 Prozent) und Hochfeld (87,9 %) ist dieser Anteil besonders hoch.

Knapp ein Viertel der Einschulkinder, ergab die Auswertung des jüngsten Jahrgangs, besuchten in diesen Stadtvierteln die Kita weniger als zwei Jahre oder gar nicht. Im vergangenen Jahr hatten stadtweit 16,4 Prozent der Einschulkinder keine Deutschkenntnisse, 8,2 Prozent sprachen fehlerfreies Deutsch. Deshalb erhielten in 2017 von den Kindern mit Migrationsgeschichte 68,9 % die Empfehlung zur Sprachförderung (deutsch), auch der Anteil der Kinder mit deutscher Erstsprache lag hier bei 52,2 %.

Fürsorge-Bedarf liegt unter dem NRW-Durchschnitt

Der Anteil der Kinder des jeweiligen Einschulungsjahrgangs, bei denen die Schulärzte eine „nachgehende Fürsorge“ empfahlen, um einen gesundheitlichen Schaden abzuwenden oder eine adäquate Förderung des Kindes außerhalb der Familie zu gewährleisten, stieg seit 2013 von 1,5 auf 6,2 Prozent (zuletzt 284 Mädchen und Jungen), Duisburg liegt damit aber noch unter dem NRW-Wert von 6,8 Prozent.

Verdoppelt hat sich im gleichen Zeitraum der Anteil der Kinder, die psychologische Fachberatung benötigen (1,7 auf 3,5 %), der Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung (5,4 auf 5,6 %) blieb weitgehend unverändert. Die Zahl der Zurückstellungen vom Schulbesuch aus „wichtigen medizinischen Gründen“ lag in Duisburg zuletzt mit 2,6 Prozent der Kinder doppelt so hoch wie der NRW-Durchschnitt.

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Auch der Anteil von Einschulkindern mit Verhaltensauffälligkeiten (Leistungsverweigerung, Versagensängste, motorische Unruhe, Aggressivität u.a.) stieg von 2011 (5,6 Prozent), auf 15,9 % in 2015. Zuletzt gab es einen leichten Rückgang auf 14,2 Prozent. „Da es eine Zurückstellung wegen Unreife laut Schulgesetz nicht mehr geben darf, werden Kinder beschult, obwohl sie teilweise nicht die nötigen sprachlichen und motorischen Kompetenzen aufweisen“, so die Jugendmediziner zusammenfassend. Sie empfehlen: „Der KJGD sollte personell aufgestockt werden, die nötigen Screenings müssen wieder kontinuierlich durchgeführt werden.“

Jedes sechste Kind in Duisburg ist deutlich zu schwer 

Als „sehr ungünstig“ beschreibt der Bericht die Entwicklung der motorischen und koordinativen Fähigkeiten. Der Grund ist ein Mangel an Bewegung, die sensomotorische Wahrnehmung und geistige Entwicklung fördert. Mit Übungen wie Seitwärtssprung, Einbeinstand und Einbein-Hüpfen haben 27,1 Prozent der Kinder Schwierigkeiten – mehr Jungen (31,6 %) als Mädchen (22,3 %), deutsche Kinder sind häufiger betroffen als Migrantenkinder. Damit liegt Duisburg deutlich über dem NRW-Durchschnitt von 16,9 Prozent.

Quelle: Stadt Duisburg/Grafik
Quelle: Stadt Duisburg/Grafik © Helge Hoffmann

Übergewicht und Fettleibigkeit (Adipositas) bleiben ein signifikantes Problem bei den Duisburger Kindern. „Sie gehören zu den größten Risikofaktoren für die gesundheitliche Entwicklung in jungen Jahren“, so die Ärzte. Jedoch ist der Anteil übergewichtiger Einschulkinder, der zwischen 2007 und 2013 auf 10,1 Prozent (Adipositas: 7,7 %) gestiegen war, seither leicht rückläufig.

In 2017 wurde noch bei 7,4 Prozent der Mädchen und Jungen ein deutlich überhöhtes Körpergewicht festgestellt, der Anteil der fettleibigen Kinder blieb mit 7,2 Prozent weiter auf hohem Niveau. Ein wenig öfter von Übergewicht betroffen sind Kinder mit Migrationsgeschichte, auch Kinder aus sozial niedriger gestellten Elternhäusern haben öfter Übergewicht oder Adipositas.

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Quelle: Stadt Duisburg/Grafik © Helge Hoffmann

Dem, so die Jugendmediziner, könne in den offenen Ganztagsschulen entgegengewirkt werden: „Für alle Schüler sollte die Teilnahme am warmen Mittagessen mit einer ausgewogenen Mahlzeit und zuckerfreiem Getränk sichergestellt werden.“ So könne wenigstens während der Betreuungszeit eine einseitige Ernährung eingegrenzt und den Kindern ein gesünderes Ernährungsverhalten näher gebracht werden.

Mehr Zeit für Beratung und Screening in der Kita

Der Kinder- und Jugend-Gesundheitsdienst stellt einen erhöhten Zeitaufwand für die Gespräche mit den Eltern fest. Gründe sind vermehrte medizinische Probleme, Förderbedarf und Verhaltensauffälligkeiten sowie unzureichende Deutschkenntnisse der Eltern. Deshalb reichen die vorgesehenen 60 Minuten immer öfter nicht aus. Es müsse deshalb eine „bedarfsgerechte Personalausstattung“ geben, so der KJGD, der für 2017 insgesamt 100 solcher Fälle registrierte.

Eine „orientierende Untersuchung in der Kita“, könne, so die Jugendmediziner, Förderbedarfe ermitteln, um Defizite frühzeitig auszugleichen. Wegen Personalmangel wurden diese Untersuchungen ab 2010 reduziert und ab 2016 gänzlich ausgesetzt.