Duisburg. . Beim Duisburger Akzente-Festival im Zeichen von „Utopien“ bilden Dramatisierungen von „Madame Bovary“ bis „Die Welt im Rücken“ einen Schwerpunkt.
Gehen dem Theater die Stücke aus oder bieten Romane besseren Stoff? Diese Frage kann man sich stellen angesichts des Programms beim Theatertreffen der 40. Duisburger Akzente vom 16. März bis zum 7. April. „Außer ,Romeo und Julia’ nur Roman-Bearbeitungen“, hat Schauspiel-Intendant Michael Steindl eingeladen. Die sich dem Werk manchmal aber ganz ungewohnt annähern. So erzählt Theatermusiker Clemens Sienknecht (auch Regie) mit Barbara Bürk die große, tragische Geschichte der berühmten Ehebrecherin „Madame Bovary“ nach Gustave Flaubert in 1 Stunde, 45 Minuten mit viel Musik. Eine Schlüsselrolle in diesem Stück über „die Utopie der Liebe“, spielt ein Plattenspieler. „Unterhaltsam und tiefsinnig“, findet Steindl.
Als zweite Produktion vom Schauspiel Hannover hat er „Macht und Widerstand“ eingeladen hat. Der Roman von Ilja Trojanow erzählt die Geschichte des bulgarischen Anarchisten Konstantin (gespielt von Samuel Finzi, populär geworden durch Till-Schweiger-Filme) und seines Folterers Metodi (Henning Hartmann) nach dem Regierungswechsel von 1989. „Auch ein Abend über das Erinnern“, sagt Steindl.
Geschichte eines Arbeiterehepaars
Das wohl längste Stück, das er jemals nach Duisburg geholt hat, ist „Jeder stirbt für sich allein“ nach Hans Fallada, inszeniert von Luc Perceval am Thalia-Theater. „Die volle Schauspielkunst“ des Hamburger Ensembles fessele aber mühelos über die gut vier Stunden mit der Geschichte des Arbeiterehepaars, das seinen Sohn im Krieg verloren hat und mit handgeschriebenen Postkarten zum Widerstand gegen Hitler aufruft.
„Fast Unmenschliches“ leiste Joachim Meyerhoff in „Die Welt im Rücken“ nach dem Roman von Thomas Melle, schrieb die FAZ auch von „einem Triumph“ des Schauspielers. In dem dreistündigen Solo spielt er einen Mann mit einer bipolaren Störung. Dabei folgt auf Phasen vollkommener Überdrehtheit mit verrückten Behauptungen und nächtelangen Partys der totale Absturz, die Depression. Diese Inszenierung dieser psychischen Hölle am Burgtheater Wien brachte Regisseur Jan Bosse und Meyerhoff eine Einladung zum Berliner Theatertreffen und Meyerhoff die Wahl zum „Schauspieler des Jahres 2017“ ein. Er selbst ist ja auch mit seinen autobiografischen Romanen erfolgreich.
Zwei „eigene“ Premieren
Und mit „Don Quixote“ kommt noch ein ganz großer Roman auf die Bühne. „Ein musikalisch-literarisches Hirngespinst nach Miguel de Cervantes“ nennen Kai Bettermann und Sabine Thielmann ihre einstündige Ritterfahrt durch die Welt des Ritters von der traurigen Gestalt und seines Schildknappen Sancho Pansa.
Die zwei Premieren des Theatertreffens sind die „Spieltrieb“-Produktion „Romeo und Julia“ zum Auftakt am 16. März und die Performance „Lost & Found“ des Ensembles Toboso, das bereits mit „Krabat“ und „SEINS.fiction“ beeindruckt hat. Es ist das erste Projekt der Doppelpass-Förderung der Kulturstiftung des Bundes von Toboso mit Duisburg und den Freilichtspielen Schwäbisch-Hall.
>>FESTIVALPASS UND EIN NEUES ABONNEMENT
Den Festivalpass gibt es entweder mit drei oder mit fünf Vorstellungen im großen Haus für 70 bzw. 109 Euro in der Preisgruppe C oder 79 bzw. 124 Euro in der Preisgruppe B und enthält auch den Besuch der Soiree am 10. März, bei der die Produktionen vorgestellt werden.
Für die zweite Spielzeithälfte gibt es das neue Abo Z mit vier Produktionen (70, 80, 100 Euro). Informationen über alle Abos unter 0203/28 62 110, abo@theater-duisburg.de.
Landesmittel verschaffen dem Schauspiel Luft
Nachdem der Etat fürs Duisburger Schauspiel seit 1999 unverändert geblieben ist, hat das Land seinen Beitrag jetzt deutlich erhöht. Bislang lag die Förderung bei 70.000 bis 80.000 Euro pro Jahr und war projektbezogen; damit wurde vor allem das Akzente-Theatertreffen finanziert. Bereits in diesem Jahr hat das Land 68.000 Euro drauf gelegt, in den kommenden vier Jahren steigt die Förderung schrittweise auf 90.000 Euro.
„Wenn die Akzente das Thema ,Utopien’ haben“, sei mit der neuen Landesministerin sozusagen schon eine Utopie wahr geworden, so Kulturdezernent Thomas Krützberg gestern. Isabel Pfeiffer-Poensgen sei ein Gewinn für die Theater- und Kulturlandschaft in NRW. „Bewundernswert“, so Krützberg.
„Das öffnet Spielräume“, zeigt sich Michael Steindl erleichtert, sind doch in den letzten Jahren auch die Gastspiele teurer geworden, die einen großen Teil des Duisburger Spielplans ausmachen.
Die zusätzlichen Mittel fließen aber auch in Projekte des Jugendclubs „Spieltrieb“. So kann die neue Produktion „Romeo und Julia“ auf der großen Bühne laufen. 40 Jugendliche seien zum Kennenlerntag gekommen, 28 haben sich heraus kristallisiert, so Steindl. Sie und vier professionelle Schauspieler arbeiten mit Regisseur Kevin Barz an einer neuen Version des berühmten Shakespeare-Stücks, zu dem Paul Brody einen Soundtrack geschrieben hat.