Duisburg. . In der ersten öffentlichen Roma-Konferenz ging es im „Kleinen Prinzen“ um eine Strategie zur Integration der Minderheit in Duisburg.

„Das Duisburger Problem ist der Antiziganismus“, sagte Romeo Franz am Mittwochabend bei der ersten öffentlichen Roma-Fachtagung. Der Pfälzer, Sproß einer deutschen Sinti-Familie und EU-Parlamentarier der Grünen, hatte zuvor bei einem Besuch in Marxloh seine Ferndiagnose bestätigt gesehen. „Sind die Integrationsprojekte wirklich ernst gemeint?“, fragte er anschließend im gut gefüllten Auditorium des „Kleinen Prinzen“.

Aktuelle Studien bestätigen Antiziganismus

Auch 80 Jahre nach den Massenmorden an den Mitgliedern der größten europäischen Minderheit bestehe die „stärkste Form des Rasssismus in Europa“ in vielen Köpfen fort, hatte Franz zuvor aktuelle Studien („Die enthemmte Mitte“) zitiert: „57 Prozent der Deutschen hätten ein Problem damit, wenn Roma in ihrer Nähe lebten“.

Die anhaltende Kriminalisierung, zuletzt durch den Vorwurf des „Kindergeldbetrugs“ und die Wiederholung von Stereotypen trage dazu bei, solche Bilder weiter zu verfestigen. „Es liegt doch den Deutschen nicht in den Genen, rassistisch zu sein. Warum also sollte es den Roma in den Genen liegen, zu klauen oder Kindergeld zu erschleichen?“, fragte der Parlamentarier.

Bezirksvertreter Melih Keser begleitete Romeo Franz bei seinem Besuch in Marxloh.
Bezirksvertreter Melih Keser begleitete Romeo Franz bei seinem Besuch in Marxloh. © Christian Balke

Der Zigeuner-Begriff „ist eine Baustelle, mit der die anderen aufräumen müssen“, sagte Kasm Cesmedi – der Vorsitzende des Bündnisses der Roma-Organisationen ist bemüht, die Erfolgsgeschichten vieler Roma sichtbar zu machen, die in der Folge des Jugoslawien-Krieges nach Deutschland kamen. „Viele haben aufgrund ihrer Erfahrungen mit Antiziganismus aber ihre Roma-Identität verleugnet.“

Duisburg möge sich von der Illusion verabschieden, die Menschen würden die Stadt wieder verlassen, wenn ihnen nur das Leben so unangenehm wie möglich gemacht werde: „Selbst wenn sie hier betteln, ist ihr Status immer noch besser als in den Heimatländern.“ Also gelte es, über eine Strategie zur Integration der Roma nachzudenken.

„Brückenbauer“ gewinnen

Es sei ein Fehler, nicht auf ein inklusives Wohnprogramm zu setzen, so der EU-Parlamentarier. Die Stadt habe statt dessen „alle nach Marxloh gebracht“ und ein Ghetto dort erst entstehen lassen.

Teilhabe, Vertrauen, Kommunikation und Respekt – diese Faktoren sind aus Sicht der Roma-Aktivisten die Grundlage für den Erfolg: „Man muss die Menschen einbeziehen, darf ihnen keine Projekte einfach überstülpen.“ Entscheidend dabei sei es, Mitglieder der Roma-Community als „Brückenbauer“ zu gewinnen, diese nicht nur ehrenamtlich, sondern als bezahlte Mitarbeiter einzubinden.

Existenzsicherung als drängendstes Problem

Das sei „ein schwieriger und oft langer Weg“ räumte Orhan Jasarovski ein, der Zuwanderer in Wuppertal berät. Die Heterogenität der Gruppe steht dem Erfolg ebenfalls entgegen: Roma aus Rumänien und den Turk-Bulgaren fehlt schon das Romanés als gemeinsame Sprache. Außerdem, so Jasarovski, stehe die gemeinsame Vertretung der eigenen Interessen bei den allermeisten nicht im Fokus: „Ihr drängendstes Problem ist die Existenzsicherung.“

„Es ist ein sehr komplexes Thema, bei der Diskussion stehen wir erst am Anfang“, sagt Marijo Terzic, der Leiter des Kommunalen Integrationszentrums. Es hatte gemeinsam mit dem Büro „Europe direct“ die Konferenz veranstaltet.

Kommentar von Martin Ahlers: Starker Tobak 

Rassismus – offen oder unterschwellig – für Romeo Franz ist das die Mutter der Probleme bei der Integration der Roma in Duisburg. Der unsägliche Satz des Oberbürgermeisters – „tausche Südosteuropäer gegen Syrer“ – er hing unausgesprochen über der Konferenz im „Kleinen Prinzen“. Der EU-Parlamentarier und Sören Link gehören gemeinsam für eine kontroverse Diskussion zur lokalen Lage auf die Bühne, von der am Mittwoch zu viel pseudo-akademische Selbstbespiegelung von Roma-Aktivisten klang. Viele der Menschen, die aus Rumänien und Bulgarien kamen, werden bleiben. Für ihre Integration benötigt diese Stadt eine Strategie. Diese Erkenntnis, die so neu nicht ist, bleibt von der ersten Roma-Konferenz, der weitere folgen müssen. Da ist dann auch mit Romeo Franz darüber zu reden, wo denn in Brüssel die Hürden für wirksame Konzepte stehen.