Duisburg. Das Spieltrieb-Ensemble liefert im Theater Duisburg einen begeisternden Revue-Abend ab. Es wird Geschichte verwoben und hervorragend gesungen.
Dass die Inszenierungen des Theater-Jugendclubs „Spieltrieb“ für Qualität stehen, ist nichts Neues. Jetzt wagt das Ensemble einen Schritt in eine andere Richtung – mit herausragendem Erfolg.
Das Stück „1968“ verbindet Auszüge aus Uwe Johnsons „Jahrestagen“ über Bürgerrechtsbewegungen mit szenisch aufbereiteten Musikdarbietungen. Das Experiment glückt, denn die Premieren-Zuschauer erleben nicht nur einen extrem kurzweiligen, sondern auch einen extrem durchdachten Theaterabend. Die Musik der späten 1960er Jahre war nämlich nicht bloß ein Gimmick, ihre Botschaft und die parallele Weltlage 50 Jahre später sind fein in der Musik verpackt.
Von „Spinning Wheel“ bis „Born to be wild“
Deswegen muss aus dem rundherum hervorragenden Ensemble der musikalische Leiter Wolfgang Völkl hervorgehoben werden. Der Musiker hatte nicht nur neben Michael Steindl am Konzept des Abends mitgewirkt, sondern sitzt auch selbst am Klavier und begleitet die Sänger mit Geschmack und traumwandlerischer Sicherheit. Gleich zu Beginn zum Beispiel, bei „Spinning Wheel“ und „Born to be wild“, die, wie viele Nummern in der Musikrevue, zu einem Stück verwoben sind. Dabei singen die Schauspieler nicht nur im Ensemble, die Nachwuchskünstler wagen sich auch an Solopassagen – und meistern sie mit Bravour.
Dabei wechseln sich in ihrer Aussage sehr direkte Lieder wie Franz-Josef Degenhardts „2. Juni 1967“ zum Tod Benno Ohnesorgs ab mit echten „Stimmungsliedern“, die der Inszenierung einen harten Bruch verpassen. Das Ensemble setzt die gleichzeitige Freude über den Fortschritt und die Verzweiflung über die Rückständigkeit, die die 68er plagte, überzeugend um. Nina Simones Klagelied „The King of Love is dead“ über die Ermordung Martin Luther Kings, hervorragend gesungen von Kats Schlia, holt das Publikum nach einer Pause zum Durchschnaufen schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.
Verdrängungsmentalität und Schlager
Besonders treffend ist der Abschnitt über die deutsche Verdrängungsmentalität der 60er Jahre. Bloß nicht anecken, bloß keine negativen Gedanken zulassen und auf gar keinen Fall an den Krieg denken. Diese Mentalität verkörpert auch heute noch der Schlager. Heintjes „Mama“ wird dann aber direkt wieder in den Kontext des Vietnamkriegs gerückt. Bedrückend, wie Ferit Albayrak gleichzeitig an seine Mutter singt und sich wie ein amerikanischer GI für den Krieg bereit macht.
Ein facettenreicher, tiefgründiger Abend, der zum Glück noch zehn Mal gespielt wird. Termine und Karten gibt’s hier.