Duisburg. SPD und CDU wollen ihr Bündnis bis zur Kommunalwahl 2020 fortsetzen. Beide Fraktionsvorsitzenden loben die gute Zusammenarbeit. Ein Interview.
Seit 2015 bilden SPD und CDU im Duisburger Rat eine „GroKo“. Im Interview stellten sich die Fraktionsvorsitzenden Bruno Sagurna (SPD) und Rainer Einzweiler (SPD)
Hier sitzt also jetzt die „stabile Ratsmehrheit“ am Tisch, die unausgesprochene Duisburger „GroKo“?
Sagurna: Ja, für die Probleme, die wir in der Stadt haben, brauchen wir eine stabile Mehrheit.
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Sie sind ein neues Duo, nachdem Herbert Mettler als bisheriger SPD-Fraktionsvorsitzender ins zweite Glied gerückt ist. Wie klappt’s miteinander?
Enzweiler: Gut, respektvoll und immer sachlich.
Sagurna: Genau. Es ist offen und ehrlich. Es gibt immer mal Meinungsverschiedenheiten, aber das lösen wir auch zwischenmenschlich gut. In der Zeit wurde ein Vertrauenverhältnis aufgebaut, dass man sich nicht über den Tisch zieht.
Enzweiler: Bruno (Anm. der Redaktion: Die beiden Fraktionsvorsitzenden duzen sich) ist ein ganz anderer Typ als Herbert Mettler, aber die Eingewöhnungszeit war ganz kurz.
Herr Sagurna, SPD-Oberbürgermeister Link hat mit Aussagen zur Zuwanderung und zum Sozialmissbrauch für Schlagzeilen gesorgt. Ihre Position dazu?
Sagurna: Wir stehen zu 100 Prozent zu den Aussagen des Oberbürgermeisters. Der Sozialmissbrauch ist ein riesengroßes Problem. Er hat ein Thema angesprochen, das die Damen und Herren in Brüssel so nicht bedacht haben.
Enzweiler: Wir freuen uns, dass der Oberbürgermeister in Kenntnis der Realität jetzt versucht, pragmatische Lösungen zu bekommen. Man muss zwei Themenbereiche unterscheiden: die Flüchtlingsproblematik und die Zuwanderung aus Südosteuropa. Bei der haben wir sehr stark darauf gedrängt, das Thema Schrottimmobilien anzugehen. Da hat sich in der Tat gezeigt, und das ist kein Stammtischgeschwätz, dass in solchen Häusern 100 Leute angemeldet waren, aber nur neun da waren. Das ist ein ganz starker Verdachtsmoment, dass versucht worden und es auch gelungen ist, Sozialleistungen zu erschleichen. Für die Integration dieser Zuwanderer bekommen wir nichts. Die ganze Last muss von der Stadt Duisburg getragen werden. Es wäre gut, wenn es Mittel aus der Europäischen Union dafür geben würde.
Sagurna: Beschulung, Kindergärten. Das muss alles die Kommune aus ihrem Etat stemmen.
Enzweiler: Noch kurz zu den Flüchtlingen: Wir bekommen ungefähr 80 Prozent der Kosten erstattet. Die Landesregierung hat ja jetzt angekündigt, dass die Kommunen stufenweise 100 Prozent bekommen sollen. Was man vor der Wahl versprochen hat, muss man auch halten. Nur, wir haben als Sparkommune 35 Millionen Euro für die Flüchtlingsbetreuung ausgegeben. Und die Bürger sprechen mich oder Herrn Sagurna gleichzeitig an, auf kaputte Straßen oder Sportplätze. Da ist es auch schwer gegen Populismus anzukommen und Verständnis zu wecken. Und für andere freiwillige Leistungen ist dann kein Geld da.
Sagurna: Das kann ich hundertprozentig unterschreiben.
Herr Enzweiler, das Alkoholverbot in der Innenstadt ist per Gerichtsurteil gestoppt. Und jetzt?
Enzweiler: Das Gericht hat gesagt, dass ihm die Belege für die Beeinträchtigungen fehlen. Die Politik kann Anträge stellen, die Umsetzung liegt bei der Verwaltung. Und wenn die nicht in der Lage war, die Beschwerden festzuhalten, können wir nichts dafür. Man wird abwarten müssen, was jetzt an Beschwerden kommt. Nach einer Überga-ngszeit werden wir nochmal eine Überprüfung machen. Tatsache ist, dass das Verbot für die Innenstadt etwas gebracht hat. Und die Sozialmaßnahmen haben auch zu einer Entzerrung geführt.
Sagurna: Wir respektieren das Urteil. Wir werden sehen, was der neue Rechtsdezernent jetzt erfasst.
Herr Sagurna, Service-Ärger im Straßenverkehrsamt, Behördenschließung wegen Personalmangel: Wie zufrieden sind Sie mit der Stadtverwaltung und ihrem Bürgerservice?
Sagurna: Bis vor kurzem war ich gar nicht zufrieden, zum Beispiel beim Straßenverkehrsamt. Jetzt hoffen wir, dass es mit der Digitalisierung besser wird. Es gibt immer Forderungen nach mehr Personal. Aber der Verwaltung sind die Hände gebunden, weil die Politik in der Haushaltssanierung einen Personalabbau von 700 Stellen beschließen musste, um einen genehmigten Haushalt hinzubekommen.
Herr Enzweiler, die CDU hatte aber schon oft direkt die Stadtspitze wegen der Personalsituation kritisiert.
Enzweiler: Das Erste und Wichtigste, auch für die GroKo ist: Der Haushalt muss stimmen. Auch wir hoffen auf die Möglichkeiten der Digitalisierung. Die Neuordnung der Bezirksämter hat sich nicht so eingestellt, wie der OB das erhofft hatte. Dort ist die Kritik weiterhin sehr groß. Wir haben dem neuen Personaldezernenten gesagt, wo der Hase im Pfeffer liegt. Wir hoffen mal, dass das jetzt klappt.
Wie zufrieden sind Sie mit der Stadtentwicklung, mit der Fortgang von Bauprojekten?
Enzweiler: Die Ungeduld ist schon da. Dahinter steckt aber eine finanzielle Überlegung: Wie kann ich einer Stadt zu mehr Einnahmen verhelfen? Steuererhöhungen? Nein, das ist in der Vergangenheit extensiv gemacht worden. Dieser Zug ist abgefahren.
Sagurna: Definitiv.
Enzweiler. Also, wichtig ist der Zuzug neuer Bürger, einkommensstarker Familien. Da bekommt die Stadt Duisburg anteilig 15 Prozent der Einkommenssteuer. Deshalb ist zum Beispiel das Bauprojekt Angerbogen so wichtig. Jetzt muss der Satzungsbeschluss kommen und darf nicht wieder verschoben werden: Denn jetzt hat der Häuslebauer einen attraktiven Zins. Zweites Projekt: „Sechs-Seen-Wedau“ mit Wohnen und der Campus-Idee. Wenn das klappt, sind wir zufrieden, aber wir sind aus der Vergangenheit schon gebeutelt.
Sagurna: Früher hat man in Duisburg viele Projekte publiziert. Wir, die beiden großen Fraktionen, haben uns darauf geeinigt, dass wir uns auf besonders wichtige Planungsprojekte konzentrieren, beispielsweise Angerbogen, Wedau, Mercatorviertel. Und die müssen zwingend umgesetzt werden. Das haben wir auch dem Oberbürgermeister gesagt.
Enzweiler: Die Botschaft lautet: Klotzen statt Kleckern. Lieber drei Projekte zeitnah umsetzen als 2020 uns anhören müssen, was wieder nicht klappt. Viel mehr ist mit dem Personal auch nicht zu schaffen.
Beim Thema Haushalt passt kein Blatt zwischen Ihnen beiden, oder?
Enzweiler: Nein.
Sagurna: Bei den Problemen, die wir haben, ist der Haushalt das A und O. Wenn wir das als große Fraktionen nicht schaffen, wäre das ein Armutszeugnis. Und mit welchen anderen Gruppierungen sollten wir das sonst hinbekommen. Man kennt das doch: Wenn mehrere am Tisch sitzen, wird es immer teurer.
Aber in der Einschätzung des Oberbürgermeisters gibt es schon Unterschiede?
Enzweiler: Das gibt naturgemäß unterschiedliche Beurteilungen, aber es gibt im Alltagsgeschäft eine Vertraue-nsbasis. Wir hatten ja mal eine Kooperation mit den Grünen, da wurde heute was beschlossen und morgen widerrufen. Hier ist das so, dass keiner versucht, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen. Dazu gehört auch eine vernünftige Zusammenarbeit mit dem OB. Es hat Punkte gegeben , bei denen wir ihm nicht gefolgt sind. Und wir haben auch Kritik an der Verwaltung, deren Chef er ist. Er schließt sich nicht immer unserer Kritik an, aber da ist eine Kommunikation möglich. Wir können mit dem Oberbürgermeister vernünftig und sachgerecht zusammenarbeiten. Man kann sich auch nicht immer durchsetzen.
Sagurna: Die Zusammenarbeit mit dem Oberbürgermeister ist sehr gut und konstruktiv. Auch mit der CDU ist sie sehr vertrauensvoll. Man muss nicht immer die gleiche Meinung haben, aber wir diskutieren lösungsorientiert.
Hält das Bündnis Rot-Schwarz bis zur Kommunalwahl 2020 oder ab wann trennt man sich wahlkämpferisch?
Enzweiler: Wahlen sind Wahlen, im Wahlkampf gibt es keine Kooperation. Die GroKo war keine Liebesheirat, wir haben uns das nicht einfach gemacht, aber eine stabile Politik ist nur mit der SPD zu machen und wir wollten nicht vor dem Populismus einknicken. Ob die GroKo nach 2020 fortgeführt wird, muss der neue Rat entscheiden. Aber die Frage ist ja, wie schneiden CDU und SPD ab? Wir haben nur eine Chance, gut zu bestehen, wenn wir den Menschen etwas vorweisen können. Die Menschen fragen doch, was hat die GroKo gebracht. Wenn der Oberbürgermeister einen Spatenstich macht und wir beide, Herr Sagurna und ich, stehen daneben, dann wird jeder verstehen, wie das zustande gekommen ist. Ohne stabile Mehrheiten ist keine kontinuierliche Politik zu machen.
Sagurna: Jeder versucht natürlich, mit eigenem Profil und eigenen Schwerpunkten in den Wahlkampf zu ziehen, aber wir können es uns nicht leisten, das letzte Jahr sozusagen nebeneinander her zu leben. Mein Petitum ist, in Duisburg stabile Mehrheiten zu behalten und wieder zu erringen. Die sehe ich in Duisburg gegenwärtig nur in der Konstellation mit der CDU.
Herr Sagurna, das Holzkraftwerk in Walsum wird von ihren Parteikollegen kritisiert. Was sagt der Chef der SPD-Ratsfraktion dazu?
Sagurna: Wir sehen das genauso kritisch wie die Kollegen vor Ort in Walsum. Ich war sehr überrascht von Hafenchef Staake. Das ist eine heiße Kiste. Man muss schon tolle Filteranlagen haben, dass da oben saubere Luft rauskommt.
Enzweiler: Verbrennung gehört zur Müllverbrennungsanlage GMVA nach Oberhausen. Das hat auf dem Logport-Gelände nichts zu suchen. Die Reinigungstechnik ist sehr aufwendig, gerade für so eine kleine Anlage. Da ist von 170 000 Tonnen Altholz die Rede, die GMVA macht 700 000 Tonnen im Jahr, nur mal um die Relationen klar zu stellen. Die Art und Weise der Information war auch schlecht.
Sagurna: Die Informationspolitik der Gesellschaft ist in der Tat suboptimal. Es ist auch nicht normal, dass OB Sören Link als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender von Duisport das aus der Zeitung erfährt.
Herr Enzweiler, das Bauprojekt „The Curve“ ist wegen der Probleme bei der Kampfmittelbeseitigung gestoppt und Sie haben heftig gerügt, dass sich die Stadt in den Verträgen mit dem Investor über den Tisch hat ziehen lassen. Und jetzt?
Enzweiler: Was da gelaufen ist, war eine Katastrophe. Da haben einige Leute unverantwortlich gehandelt.
Das richtet sich gegen den Baudezernenten Carsten Tum?
Enzweiler: Ja, das sage ich ganz klar und deutlich: Der Baudezernent hat der Stadt Schaden zugefügt. Man hat den Kaufvertrag geschlossen, obwohl die Frage der Kampfmittelbeseitigung noch gar nicht geklärt war. Das war unverantwortlich. Die ganze Sache ist dem Rat verheimlicht worden. Und es ist etwas passiert, was in der Gemeindeordnung mit der schwerste und gröbste Fehler ist, den man machen kann: Der Rat hatte Ausgaben von 3,6 Millionen Euro für die Baureifmachung des Grundstücks genehmigt. Und wenn der Dezernent 5,5, Millionen ausgibt, ist das eine Missachtung der Souveränität des Rates.
Sagurna: Es gilt, die Verantwortlichkeiten – im Übrigen auch die bei der Vertragsgestaltung – genauestens aufzuarbeiten. Es war fahrlässig, die Kampfmittelproblematik nicht vorher zu klären. Dafür habe ich kein Verständnis.
Enzweiler: Die Kampfmittelbeseitigung muss jetzt Schwarz auf Weiß geklärt werden – und es muss eine vernünftige Kosten-Nutzen-Rechnung geben. Wir wollen erst einmal an dem Projekt festhalten. Es wäre für Duisburg und auch die Investoren kein gutes Zeichen, wenn das im Nirwana enden würde.