Duisburg. Kurz vor Schulbeginn öffnen in Duisburg die Schulmaterialkammern wieder ihre Türen. Ein Besuch bei Ehrenamtlichen in Rheinhausen.
Sechs Euro hat Fatma Olcay für eine Tasche voller Schulmaterialien bezahlt. Hefte, Blöcke, Pinsel, Bleistifte, Schnellhefter – es ist alles drin, was ihre drei Kinder als Grundstock für den baldigen Schulstart benötigen. Im Geschäft hätte die Mutter dafür locker das Zehnfache ausgeben müssen. Das können sie und ihre Familie sich nicht leisten – und sind damit nicht allein. Als Diakon Stefan Ricken und sein Team vor zwei Wochen die Schulmaterialkammer Rheinhausen in der Händelstraße 16 öffnen, stehen etwa 200 Menschen vor der Tür.
Um den Andrang zu ordnen und die Eltern und Kinder nicht zu lange warten lassen zu müssen, hat das Team der Ausgabestelle in den vergangenen Jahren ein ausgeklügeltes System entwickelt: Jeder muss einen Nachweis über ALG II, Wohngeld, Kindergeldzuschlag oder über Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz mitbringen. Dann bekommt er einen Zettel mit einer Nummer. Darauf steht, an welchem Wochentag zu welcher Uhrzeit das benötigte Material abgeholt werden kann. Gemeinsam mit ehrenamtlichen Helfern wird dann notiert, was genau benötigt wird. Mit dieser Art Einkaufsliste geht es eine Etage höher, zum Materiallager.
Gerade der Start in der Grundschule oder der Wechsel auf die Gesamtschule ist teuer für die Familien
Auf einer langen Tischreihe an der Fensterfront ist das Schulmaterial gestapelt: bunte Federmäppchen, Stifte, Scheren und Pinsel, Blöcke und Hefte in allen Varianten. „Von jeder Sorte Heft haben wir zunächst einmal 400 Stück bestellt“, so Stefan Ricken, der das Caritaszentrum West leitet und seit der Geburtsstunde der Schulmaterialkammern im Jahr 2008 eine der treibenden Kräfte ist. „Wenn das leer ist, wird nachbestellt, so lange wie das Geld reicht.“
Fatma Olcay steht mit ihrer „Einkaufsliste“ an der vordersten Tischreihe. Helene Schaeffer, eine ehrenamtliche Helferin, hakt ab und packt alles zusammen, was Fatma Olcays Kinder brauchen. Sie sind vierzehn, zehn und acht Jahre alt. Neben dem alltäglichen Materialbedarf kommen gerade in den ersten und fünften Klassen, wenn es neu losgeht an der Grundschule, dem Gymnasium, der Realschule oder der Gesamtschule, immense Kosten auf die Familien zu. Es müssen Einmal-Beschaffungen wie Schulranzen, Farbkästen oder Zirkel gekauft werden – eine teure Angelegenheit.
Im Vorjahr haben die Schulmaterialkammern 2600 Schüler in Duisburg unterstützt
„Letztes Jahr haben wir 2600 Schüler mit Material unterstützt“, sagt Stefan Ricken. „Obwohl wir gerne helfen, ist es schade, dass wir überhaupt helfen müssen. Soziale Teilhabe ist die Grundvoraussetzung für sozialen Frieden. Wenn das auseinander driftet, entstehen Extreme.“ Der Diakon sieht Politik und Gesellschaft in der Pflicht: Es brauche endlich vernünftige Rahmenbedingungen für finanzschwache Familien.
Fatma Olcay ist für dieses Jahr erleichtert: „Gott sei Dank, dass es so etwas gibt. Da muss man froh sein“, sagt sie, als sie das Geld auf den Tisch legt. 50 Cent gibt sie als Spende für die ehrenamtlichen Helfer dazu. Das mache sie jedes Jahr so.
Ohne Spenden und ehrenamtliche Helfer wäre die Arbeit der Schulmaterialkammern nicht möglich
Die sechs Schulmaterialkammern in Duisburg sind jedes Jahr erneut auf Spenden und ehrenamtliche Helfer angewiesen. Konstante Geldgeber sind zum Beispiel die Sparkasse und die Aktion Lichtblicke. Auch die Kirchengemeinden sammeln in ihren Kollekten immer wieder Spenden für die Schulmaterialkammern.
„Zehn- bis Zwölftausend Euro brauchen wir pro Jahr allein für Rheinhausen, um alle Materialien besorgen zu können“, sagt Helene Schaeffer, eine der ehrenamtlichen Helferinnen. Der Gesamtbedarf für Duisburg liege bei etwa 60 000 Euro. „Bis jetzt hat es noch immer gereicht“, aber das sei jedes Jahr erneut auch mit Anstrengungen und viel Klinkenputzen verbunden.
„Wir können die Schulkinder leider nicht voll ausstatten, aber wir wollen finanzschwache Familien mit unserem Angebot zumindest entlasten“, sagt Diakon Stefan Ricken von der Gemeindecaritas West.
Damit das gelingt, packen in den Duisburger Schulmaterialkammern insgesamt 102 ehrenamtliche Helfer mit an. Zwei bis zweieinhalb Stunden dauert ihre Schicht. Manche sind mehrmals pro Woche da. So auch Ursula Döring, die über sich selbst scherzhaft sagt, sie habe einfach ein Helfersyndrom. Oder Helene Schaeffer, die den Überblick über die Finanzen in Rheinhausen hat. An Nachwuchs fehle es allerdings: „Die Arbeitszeiten sind natürlich schwer machbar, das verstehen wir. Aber es wäre schon schön, ein paar jüngere Menschen dabei zu haben“, sagt Schaeffer.