Duisburg. . Thomas Virnich erinnert mit seiner Skulptur „Tobias, Freiheit spürend“ an den braunen Wallach und alle vierbeinigen Kumpel unter Tage.

Den väterlichen Geschichten über Grubenpferde lauschten wir Kinder mit einer Mischung aus Faszination und Grausen. Der Pferdefreund erzählte gern davon, wie den kräftigen Kaltblütern, die jahrelang unter Tage geschuftet hatten, vor ihrer Fahrt ans Tageslicht die Augen verbunden wurden, damit sie nicht erblindeten. Jetzt will Thomas Virnich dem letzten deutschen Grubenpferd Tobias ein Denkmal setzen. Das lebensgroße Modell „Tobias, Freiheit spürend“ in der Ausstellung „Die schwarze Seite“ im Museum DKM zeigt ein sich aufbäumendes Pferd; eine Bergarbeiterfigur ist mit dem Pferdekörper verschmolzen.

Die Museumsgründer Dirk Krämer und Klaus Maas haben Thomas Virnich zur Arbeit angeregt. Sie waren beeindruckt vom Rosshof in Basel, den der ihnen ebenfalls gut bekannte Künstler Hannes Vogel gestaltet hat: Ein weißes Marmorband mit Namen der Pferde, die das Leben der Menschen über Jahrtausende schicksalhaft geprägt haben. Darunter Tobias, auf dessen Geschichte sie auch im Bochumer Bergbaumuseum stießen. „Du machst was Besonderes zum Thema Pferd“, lautete der Auftrag an Thomas Virnich.

Schiffsmaskenbrunnen ist auch von Thomas Virnich

Der Künstler wurde 1957 in Eschweiler geboren, war Documenta-8-Teilnehmer, hatte Ausstellungen in Duisburg im Lehmbruck-Museum (2005) und im Museum DKM (2014) und gestaltete den Schiffsmaskenbrunnen auf der Königstraße. Das 3,05 mal 2,90 Meter große Denkmal für Tobias hat er vorerst in Holz, Papier und Wachs gestaltet. „Wir suchen noch einen Sponsor, um es in Bronze gießen zu können“, so Krämer und Maas.

Klaus Maas und Dirk Krämer suchen einen Sponsor fürs Grubenpferd-Denkmal.
Klaus Maas und Dirk Krämer suchen einen Sponsor fürs Grubenpferd-Denkmal. © Lars Fröhlich

Tobias war eines von rund 18 000 Grubenpferden im Ruhrgebiet und wurde am 23. Juni 1966 offiziell als letztes zu Tage gebracht – aber nicht wie so viele verunglückte Vorgänger pfundweise, um anschließend zu Gulasch verarbeitet zu werden, sondern er wurde als Rentner in den Ruhestand entlassen. Die Anteilnahme der Öffentlichkeit war groß, Fernsehen und Presse waren vertreten.

Der braune Wallach hatte zwölf Jahre auf General Blumenthal in Recklinghausen unter Tage verbracht und zum Schluss kaum noch gearbeitet, weil das inzwischen Elektroloks und Förderbänder übernommen hatten. Aber einen Förderkorb wollte Tobias nicht mehr betreten, seitdem er sich mal an einer Spurlatte weh getan hatte. „Selbst Knebel konnten Tobias nicht dazu bewegen, wieder auf den Korb zu gehen. Sobald er in Schachtnähe kam, hat er sich hingelegt, und es war nichts mehr zu machen“, erzählte Reviersteiger Heinrich Ravers vor 52 Jahren. So musste die hauseigene Schreinerei einen Transportbehälter auf Rollen bauen. Mit Brot und Kaps wurde er in die Kiste gelockt, die Klappen geschlossen, so dass er keine Chance mehr hatte, sich zu wehren. Reviersteiger Rawers und Stallbursche Schulke hatten ihn überlistet.

Vier Jahre auf einem Kleinbauernhof

Die nächsten vier Jahre verbrachte Tobias in guter Pflege auf einem Kleinbauernhof, berichtet die Homepage „Abenteuer Bergbau“, die der Oer-Erkenschwicker Markscheider Georg Porst entwickelt hat.

100 Jahre lang habe Pferde unter Tage die Kohleloren gezogen. Die meisten waren vor dem Ersten Weltkrieg im Einsatz, mehr als 8000 allein im Ruhrgebiet.

Kanarienvögell zeigten „Böse Wetter“ an

Dass nicht nur Pferde unter Tage eingesetzt wurden, sondern auch Vögel, daran erinnert in der Ausstellung „Die schwarze Seite“ auch ein Modell von Olaf Metzel. Der Künstler hatte die Klanginstallation „Volière“ für die Ausstellung „Glück auf“ im Jahr 1991 auf dem ehemaligen Bergwerksgelände der Schachtanlage Rheinpreußen in Moers entwickelt. Sie ist nach wie vor auf dem heutigen Eurotec-Gelände zu sehen.

Das Modell zeigt einen Raum, in dem Körbe hängen, die wiederum den Körben nachempfunden sind, in denen früher die Bergleute in den Waschkauen ihre Alltagskleidung aufbewahrten, bis sie von der Schicht zurück gekehrt und geduscht waren. Diese Körbe wurden unter die Decke gezogen und abgeschlossen.

Das Modell der Klanginstallation „Volière“
Das Modell der Klanginstallation „Volière“ © Fabian Strauch

Metzel lässt zu dieser Rauminstallation ein Band mit Vogelstimmen laufen. „Das wurde allerdings oft geklaut“, berichtet Klaus Maas. Die Vogelstimmen erinnern daran, dass früher unter Tage Kanarienvögel eingesetzt wurden, um schnell giftige Gase erkennen zu können. Hörten die Vögel auf zu singen und fielen von der Stange, war das ein Zeichen für „Böse Wetter“, also lebensgefährliche Gaskonzentrationen etwa von Kohlenmonoxid. Die Kumpel konnten sich dann noch in Sicherheit bringen. Auch nach Grubenbränden oder Schlagwetterexplosionen wurden die Vögel eingesetzt, um zu sehen, ob die Luft wieder „rein“ war. 1951 wurden die Vögel durch ein elektronisches Gerät abgelöst.

Neben dem 1952 in Berlin geborene Olaf Metzel, der seit 1995 eine Professur für Bildhauerei in München hat, war in der „Glück auf“-Ausstellung 1991 auch Claudia Terstappen vertreten, die jetzt mit ihrem Barbara-Alter im Museum DKM zu sehen ist. Und mit einer Installation, die sie für die Rheinpreußen-Ausstellung entwickelt hatte: eine Tafel, gedeckt mit Porzellantellern mit den Porträts von Bergleuten der letzten Schicht auf Rheinpreußen.

Bustour: DKM, Mülheim, Bottrop

Zum Ausstellungsprojekt Kunst & Kohle gibt es Bustouren; es gibt ein Kombiticket für Eintritt und Lunchpaket. Eine Tour startet am Sonntag, 26. August, um 11 Uhr am Museum DKM an der Güntherstraße 15, wo „Die schwarze Seite“ besucht wird.

Weiter geht es über das Kunstmuseum Mülheim, in dem Helga Griffiths „Die Essenz der Kohle“ entlockt, zum Josef Albers Museum „Quadrat“ Bottrop, wo Bernd und Hilla Bechers Bergwerke-Fotografien präsentiert werden.

Die Besucher bekommen vor Ort in Kurzführungen und haben auch noch Zeit, sich selbst umzusehen. Die Touren dauern etwa fünfeinhalb Stunden. Anmeldungen unter buchungen@ruhrkunstmuseen.com oder
0203/93 55 54 723.