Duisburg. . In katholischer Tradition baten die Bergleute die Heilige um Beistand. Claudia Terstappen hat fürs Museum DKM aus Figuren einen Altar gebaut.
Als Ende des Jahres 2001 nach fast 90 Jahren Kohlenförderung im Bergwerk Niederberg der Betrieb eingestellt wurde, gab es am 4. Dezember einen ökumenischen Gottesdienst unter dem Motto „Neukirchen-Vluyn soll leben“ in der St. Quirinus- Kirche. Am 4. Dezember wird in katholischer Tradition der Namenstag der heiligen Barbara gefeiert, die auch Schutzpatronin der Bergleute ist. Am Ende des Gottesdienstes übergaben Vertreter des Bergwerks eine Barbara-Statue, die aus der 780-Meter-Sohle ans Tageslicht geholt worden war, und schließlich im Pfarrheim von St. Antonius in Vluyn ihren Platz fand. Stets begleitet hat Sie Horst Welz.
Jetzt ist die etwa 40 Kilogramm schwere Bronzefigur, an deren Füßen ein Fördergerüst zu sehen ist (die in den Händen aber nicht, wie sonst, einen Turm hält) Teil der Installation „Glück Auf“, die Claudia Terstappen für die Ausstellung „Die schwarze Seite“ im Museum DKM in Duisburg aufgebaut hat. DKM-Mitgründer Klaus Maas hat die Figur selbst abgeholt für Claudia Terstappens Arbeit mit rund 70 Barbara-Figuren; die meisten stammen aus Privatbesitz und sind nach einem Aufruf in dieser Zeitung zur Verfügung gestellt worden. Die 1959 geborene Künstlerin hat einen Altar aus Figuren der heiligen Barbara errichtet, der von ausgedienten Grubenhelmen angestrahlt wird; etwa 200 Helme hängen wie eine große Traube über den Halbkreis gruppierten Barbaras.
Feier am 4. Dezember
Tatsächlich hat Claudia Terstappen diesem abgedunkelten Raum eine sakrale Atmosphäre verliehen, in der man ein Gefühl für die Gefahren bekommt, denen die Männer unter Tage ausgesetzt waren; und versteht, warum Sie ihre Schutzheilige um Beistand und schließlich Trost gebeten haben bei der Arbeit und Trauer um den Verlust ihrer Arbeit. Im Barbara-Lied heißt es: „Sankt Barbara Du edle Braut/mein Leib und Seel´ sei Dir vertraut. Sowohl im Leben als im Tod/ach steh mir bei in jeder Not!“ Es wird immer am 4. Dezember im Gottesdienst in der St. Antonius-Kirche gesungen, dazu brennt den ganzen Tag eine Grubenlampe bei der heiligen Barbara im Pfarrheim.
Ein Lied, das Horst Welz bestens kennt – ebenso wie die Barbara-Figur die er noch an ihrem eigentlichen Einsatzort erlebt hat: unter Tage auf der 4. Sohle im Personenbahnhof. Der 84-Jährige, dessen Eltern aus Niederschlesien zugewandert sind, ist 1948 in die Lehre eingetreten und hat sich über Schlosserlehre und Bergbau-Fachhochschule-Studiengänge zum Maschinen-Obersteiger hochgearbeitet. 1977 wurde er von der RAG-Zeche Rheinpreußen-Pattberg nach Niederberg versetzt und hat den Maschinenbetrieb als Betriebsführer unter Tage geleitet.
„Wir hatten bei der Wagenförderung große Loks unter Tage“, schildert Horst Welz. Die konnten nur in Teilen nach unter Tage transportiert werden. Der neue Personenbahnhof ist erst kurz nach seinem Ruhestand fertig geworden.
Engagement im Kirchenvorstand
Horst Welz war in verschiedenen Organisationen der katholischen Kirche aktiv und wurde 1972 vom Barbara-Komitee der KAB mit der Ehren-Meterlatte ausgezeichnet – natürlich am 4. Dezember. Als er 1980 zur St. Antonius-Gemeinde kam, wurde dort gerade ein neues Pfarrzentrum geplant, Welz konnte sich im Kirchenvorstand-Bauausschuss weitreichend beschäftigen. Die neue St. Antonius-Kirche wurde am 26. Oktober 1997 eingeweiht. Der Bau des Pfarrheims folgte rund ein Jahr später. „Jetzt vermissen alle Leute die Barbara“, sagt er. Nach dem Ende der Ausstellung, die bis zum 16. September 2018 im Museum DKM bleibt, kehrt sie zurück.
Horst Welz kann sich derweil mit fünf anderen Barbara-Figuren trösten, die zu seiner umfangreichen Bergbau-Sammlung gehören. „Sogar von den Philippinen haben wir eine Barbara“, sagt er. Zweimal hat er mit seiner Frau den Inselstaat besucht, deren Schwester dort seit 1967 als Missionarin lebt. „Wir haben ein Foto von der Barbara gemacht, die Figur ist dort danach geschnitzt worden.“
Horst Welz pflegt die Erinnerung
Zur Bergbau-Sammlung des 84-Jährigen gehören unter anderem englische und polnische Grubenlampen, Karbidlampen, Schnitzarbeiten aus Kohle oder Porzellanfiguren historischer Bergleute. 1994 ist Horst Welz, nach fast 46 Jahren Tätigkeit im Bergbau in Rente gegangen. Der Bergbau lebt in diesen Erinnerungen weiter.
Der Bergbau war mehr als Broterwerb
Gemeinsam mit 17 weiteren Ruhr-Kunst-Museen hat das Museum DKM an der Güntherstraße ein Ausstellungsprojekt zum Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau realisiert. Sie zeigt, dass sich die identitätsstiftende Arbeit nicht auf den reinen Broterwerb beschränkt: Wohnen und Lebensumstände, Glaube und Religion, selbst die Sprache hat Besonderheiten hervor gebracht.
Das haben dem Museum langjährig verbundene Künstler, die eine Beziehung zum Bergbau haben, auf beeindruckende Weise umgesetzt.