Der Becher-Schüler Götz Diergarten hat in diesem Jahr 16 denkmalgeschützte Duisburger Zechensiedlungen fotografiert – nüchtern und zeitlos.

22 denkmalgeschützte Zechensiedlungen gibt es in Duisburg, 16 davon hat Götz Diergarten fotografiert – ohne Menschen, Straßenschilder, Autos oder Mülleimer. Vor allem der Architektur hat er nachgespürt.

In der Ausstellung „Kunst & Kohle – Die schwarze Seite“ im Museum DKM zeigt ein tischgroßer Stadtplan Duisburgs, wo die Siedlungen im Stadtgebiet liegen, die der 1972 geborene Fotograf in diesem Jahr mit der Kamera durchstreift hat. Zuvor hatte er bereits die Stahlwerksiedlung Nowa Huta, Stadtteil der polnischen Stadt Krakau, fotografiert.

Duisburger Arbeitersiedlungen zu dokumentieren, war ein Auftrag des Museums DKM, wo bereits 2013 seine Ausstellung „Das Besondere im Banalen“ gezeigt wurde. Das hat der jüngste Schüler von Bernd und Hilla Becher, den Begründern der berühmten Düsseldorfer Fotoschule, auch diesmal gesucht.

„Ich wollte zeitlos arbeiten und mir die starke Architektur zu eigen machen“, sagt Diergarten. Deswegen hat er auf alles verzichtet, was Hinweise auf die Gegenwart geben könnte; und auch der Himmel ist stets grau. Er hat in Serien gearbeitet, wie er das immer macht, und sich dabei eben auf die Suche nach dem Besonderen im Gleichförmigen gemacht. Wenn Götz Diergarten die Fensterchen in den einheitlichen Eingangstüren fotografiert, dann entdeckt er dabei, wie die Bewohner eigene Akzente gesetzt haben. Vielleicht hätten sie lieber die Türen erneuert, was der Denkmalschutz verhindert, aber die Vorhänge und Gardinen dürfen verschieden sein. Er bewerte nicht nach „gut“ oder „schlecht“, sondern findet „Spuren von Individualisierung“. Wenn er vier auf den ersten Blick gleiche Fotografien nebeneinander hängt, dann stellt er sie auf eine Ebene. „Ich priorisiere nicht, ich typologisiere“, beschreibt er ganz nüchtern.

Auch gehe es ihm darum, „Räume erfahrbar zu machen“, sagt Diergarten. So zeigt er ausschnitthaft Hausecken, komplette Fassadenfronten – und immer wieder Fenster.

I
I © Götz Diergarten

Für Götz Diergarten stehen die Bergarbeitersiedlungen auch für den Zusammenhalt und das enge Beieinander, die Kameradschaft unter Tage. Die Architektur vergleicht er mit den Gartenstädten in England mit viel Grün und Ställen. Auch mit diesen guten Wohnsituationen seien damals die Zuwanderer ins Ruhrgebiet gelockt worden, sagt Klaus Maas. „Diese architektonische Qualität wurde in den Siedlungen nach dem Krieg nie wieder erreicht.“ In Duisburg gebe es noch keine Veröffentlichungen über diese denkmalgeschützten Siedlungen. Die dokumentarischen Fotografien von Götz Diergarten eigneten sich sehr für ein Buch. „Wir hoffen auf die Stadt.“

Künstler sind unter Tage eingefahren

Für Klaus Maas und Dirk Krämer, die Sammler, Gründer und Betreiber des 2009 eröffneten Museums DKM, ist „Die schwarze Seite“ nicht nur „die größte Ausstellung, die wir je gemacht haben“. Sie ist auch eine, in die „viel Herzblut“ geflossen ist, schließlich ist die Moerser Firma Maasbau seit 1910 dem Bergbau eng verbunden. Bis heute ist die Unternehmensgruppe für Tief- und Spezialtiefbau über und unter Tage im Bergbau tätig: Wegebau, Schienen verlegen, Streckensicherung – alles außer Kohleabbau gehört dazu.

Klaus Maas, links, und Dirk Krämer sind die Inhaber des Museums DKM. Montag der 16.07.2018 in Duisburg.
Klaus Maas, links, und Dirk Krämer sind die Inhaber des Museums DKM. Montag der 16.07.2018 in Duisburg. © Lars Fröhlich

„Für uns ist die Grubenfahrt kein Ausflug, wir kennen unsere Bergleute, die sehr treu sind und ihr ganzes Arbeitsleben bei uns verbringen. Das wissen wir zu schätzen“, sagt Klaus Maas. Große Treue zu „ihren“ Künstlern zeigen Maas und Krämer, die sie seit vielen Jahren begleiten. „Wir haben nur Künstler um Werke für die Ausstellung gebeten, die mit dem Bergbau umgehen könnten“. Wie der Schweizer Hannes Vogel, dessen Installation „Lichthof“ zu sehen ist, die eine Lohnhalle zeigt. Oder Thomas Virnich, den sie zu einer Skulptur des letzten Grubenpferds Tobias angeregt haben. Oder Claudia Terstappen, die schon 1991 bei der Ausstellung „Glückauf“ zur Schließung der Zeche Rheinpreußen eine Installation beigesteuert hat. Für die aktuelle Arbeit der „Altar-Spezialistin“ haben Maas und Krämer der Künstlerin Barbara-Figuren und 150 Helme besorgt. Oder Barbara Köhler, die sich in ihrer Installation „Lethe“ mit der Fachsprache der Bergleute und Begriffen wie „Ewigkeitslasten“ auseinandersetzt. „Wir waren mit den Künstlern unter Tage auf 1200 Meter in einem Riesenflöz, in dem es zwischen den Hydraulikstempeln laut kracht.“ Sven Drühl hat es zu kohlrabenschwarzen Bildern inspiriert. Kunst mit Kohle gehört auch zu den ständigen Werken der Sammlung, darunter Richard Longs Kreise aus Rinde und Kohle. So blickt diese Ausstellung auf einzigartige Weise in die Seele des Bergbaus. Abseits romantischer Verklärung wollen Klaus Maas und Dirk Krämer die Erinnerung an diese Zeit erhalten.