Duisburg. . Sie wurde im Ruhrgebiet geboren, ging in Duisburg zur Schule - trotzdem schob die Stadt Bivsi Rana ab. Darunter leidet die junge Frau noch heute.
Bivsi Rana laufen die Tränen über die Wangen. „Die Abschiebung ist der schlimmste Tag in meinem Leben. Wenn ich nur daran denke, muss ich heulen“, sagt die 16-Jährige. Die Schülerin wischt sich übers Gesicht. Einerseits möchte sie ein ganz normales Leben abseits der Öffentlichkeit führen und nicht auffallen. Anderseits haben auch die Berichte über die Familie und ihre Helfer dafür gesorgt, dass sie nun in Duisburg ihr Abitur machen kann.
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Ende Mai war die damals 15-Jährige von der Duisburger Ausländerbehörde aus dem Unterricht geholt und mit ihren Eltern nach Nepal abgeschoben worden. Der Vater Bhim Rana hatte bei der Einreise in den 90er-Jahren einen falschen Namen angegeben. Er zeigte sich selbst an. Das strafrechtliche Verfahren wurde gegen eine Geldbuße von 500 Euro eingestellt. Das Gericht bescheinigte ihm aber, dass er eine Gefahr für die Allgemeinheit sei – deshalb die Abschiebung.
Beeindruckt von der Solidarität
Am 2. August, auf den Tag genau vor einem Jahr, durfte die Familie wieder in die Bundesrepublik einreisen. Das Vorgehen der Stadtverwaltung, die sich nach der Abschiebung auf geltendes Recht berief, hatte bundesweit für Empörung gesorgt. Geboren wurde Bivsi Rana in Deutschland – in Nepal war sie bis dato nie. Angesichts der Proteste von Eltern, Mitschülern und anderen Unterstützern hatte sich auch Oberbürgermeister Sören Link (SPD) für die Familie eingesetzt. Ein Jahr später ist die Jugendliche noch sichtlich beeindruckt von der Solidarität, die sie und ihre Familie wieder zurück gebracht haben. „Ich war ja vorher noch nie in Nepal. Alle meine Freunde sind hier“, sagt sie, und wieder fließen Tränen.
Anfangs sei sie in der Schule noch angesprochen worden. Die Kinder haben wissen wollen, wie es ihr gehe und wie es in Nepal gewesen sei. „Wir haben eine kleine Party für die Unterstützter gemacht, bei der wir uns bedankt haben. Jetzt ist wieder alles normal.“ Bivsi Rana ist ein zurückhaltendes Mädchen. Sie und ihre Eltern haben schon vor der Abschiebung eher zurück gezogen gelebt. Der Rummel gefiel ihnen nicht.
In der Schule laufe es ganz gut. Für einige Fächer müsse sie in den Ferien noch ein bisschen büffeln, damit es in der Oberstufe nicht eng wird. „Ich genieße die Ferien und treffe mich mit meinen Freundinnen“, erzählt die 16-Jährige. Mit ihnen verabredet sie sich regelmäßig. „Schön, dass sie wieder da ist, sie hat uns gefehlt“, sagen die Mädchen. Sie haben gelernt: Es lohnt sich, sich für andere einzusetzen.
Mit dem Abitur droht neue Unsicherheit
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Die Erlebnisse, wie sie am Tag der Abschiebung aus dem Unterricht geholt wurde, möchte Bivsi am liebsten verdrängen. „Ich versuche eigentlich nicht mehr daran zu denken.“ Manchmal geht das aber nicht so einfach: Die Eltern durften 2017 aus humanitären Gründen wieder einreisen, damit die minderjährige Bivsi nicht alleine nach Deutschland zurückkehren musste. Das Visum ist aber an den schulischen Erfolg der Tochter geknüpft. Macht sie das Abitur, steht die Ausreise von Vater und Mutter wieder im Raum.
Bhim Rana hat sich wieder einen Job gesucht. „Ich bin Sushi-Koch, ich habe immer gearbeitet und möchte niemanden zur Last fallen“, erklärt er. Er ist sich keiner Schuld bewusst. „Ich wollte immer nur das beste für die Familie, deshalb habe ich den falschen Namen angegeben.“ Irgendwann war es zu spät, die Wahrheit zu sagen.
In Deutschland will Bivsi Ärztin werden
Nun setzen sie ihre Hoffnung in das geplante Zuwanderungsgesetz. Felix Banaszak, früherer Schülersprecher an Bivsi Ranas Steinbart-Gymnasiums und Grünen-Landeschef kritisiert, dass seit der Abschiebung vor einem Jahr zu wenig passiert sei. „Ich setze nun große Hoffnungen auch in die Initiative von NRW-Integrationsminister Joachim Stamp und darauf, dass es eine politische Verständigung zwischen den demokratischen Parteien gibt.“ Bei einem Ortstermin in Duisburg erklärte jüngst NRW-Staatssekretärin Serap Güler (CDU), dass Berlin zuständig ist. „Aber wir haben entsprechende Leitlinien vorbereitet.“
Bivsi Rana möchte nach der Schule am liebsten in Deutschland bleiben und hier studieren. „Später will ich mal Ärztin werden“, sagt sie. Dennoch hat sie Angst, dass aus den Plänen nichts werden könnte. Freunde und Unterstützer wollen helfen, dass die Familie zusammenbleiben kann.
>> BERATUNG ÜBER ZUWANDERUNGSGESETZ
Nach dem Streit um Transit-Zentren hat sich die Koalition aus SPD und CDU darauf verständigt, nach der Sommerpause über ein Zuwanderungsgesetz zu beraten. Darin soll geregelt werden, welche Fachkräfte ein Visum bekommen und nach Deutschland einreisen dürfen.
Unklar ist allerdings, ob und wie in diesem Gesetz so genannte Altfälle wie der von Familie Rana geregelt wird.