Duisburg. . Beim Picknick für Regenbogenfamilien am Duisburger Innenhafen erzählen Anastasia und Evgenia warum sie aus ihrer Heimat Russland fliehen mussten.

Paul, eineinhalb Jahre alt, läuft mit seinen kleinen Beinen über die Wiese am Innenhafen. Während die Kinder spielen, sitzen die Erwachsenen auf Decken, picknicken und unterhalten sich über die familienpolitische Situation von so genannten Regenbogenfamilien in Duisburg. Paul ist der Sohn von Nicole und Andrea Neubauer. Mutter, Mutter, Kind – eine Familie.

„Love is Love“ steht auf dem T-Shirt von Nicole Neubauer. Eine Selbstverständlichkeit im Zeitalter von „Ehe für alle“ sollte man meinen – und doch müssen schwule und lesbische Paare mit Kindern sich oft erklären. Madita Haustein und ihre Ehefrau haben einen Sohn und eine Tochter. Ein Kind hat die 36-Jährige selbst bekommen, das andere ihre Gattin.

Rechtliche Regelung über eine Adoption

Um die rechtliche Situation zu regeln, hat sie beim Jugendamt die Adoption beantragt. „Das war schon sehr unwürdig, was man sich da für Fragen gefallen lassen muss. Wir wurden bestimmt fünf Mal gefragt, ob wir wirklich lesbisch seien und uns das gut überlegt hätten. Dabei waren unsere Kinder schon da und wir sind eine Familie“, berichtet sie. Nachgefragt bei der Stadt, erklärt Sprecherin Gabi Priem: „Die Fragen in dem Verfahren werden heterosexuellen und homosexuellen Paaren gleichermaßen gestellt.“

Früher mussten die meisten Regenbogenfamilien nach Köln oder Düsseldorf fahren, weil in Duisburg die Möglichkeit zum Austausch fehlte.
Früher mussten die meisten Regenbogenfamilien nach Köln oder Düsseldorf fahren, weil in Duisburg die Möglichkeit zum Austausch fehlte. © Kai Kitschenberg

Schon früh hatten Madita Haustein und ihre Partnerin über die Idee gesprochen, selbst Kinder zu bekommen. Den Vater fanden sie über eine Plattform im Internet. „Die ersten Treffen waren schon ein bisschen komisch.“ Doch sie waren sich sympathisch und einig, dass er der Vater werden sollte. „Wir hatten Glück, wir sind beide mit der ersten Samenspende schwanger geworden“, erzählt Madita Haustein. Andere haben viel mehr Versuche gebraucht. Jedes Mal Zweifel, Hoffen und Bangen. „Der Vater wohnt hundert Kilometer weg, er spielt keine große Rolle, aber wenn die Kinder möchten, können sie ihn später einmal kennen lernen“, beschreibt Madita Haustein. Einmal im Monat sind beiden Mütter und Kinder bei einem Treffen für Regenbogenfamilien dabei. So lernt der Nachwuchs, dass es auch noch andere Kinder gibt, die zwei Mütter oder Väter haben.

Die Homophobie ist in Russland groß

Mit dabei sind auch Evgenia und Anastasia mit Emma und Emil. Die Geschichte der beiden ist dramatisch. Die gebürtigen Russinnen mussten aus ihrer Heimat fliehen, als sie sich geoutet haben. Sie wurden angepöbelt, bespuckt. „Leichte alltäglich Homophobie“ nennen sie das Verhalten etwas sarkastisch. „Mir wurde öfter gesagt: Es wäre besser, du wärst Junkie als Lesbe’“, erinnert sich Anastasia, die ihren Nachnamen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. Ihr erstes Kind, Emil, bekamen sie in Russland. „Unser Auto wurde zerkratzt, die Reifen zerstochen. Es waren Momente, die uns gezeigt haben: Wir werden gehasst.“ Sie ließen sich dennoch nicht entmutigen. Als sie allerdings an einem „Regenbogen-Flashmob“ teilnahmen, wurde Evgenia im eigenen Treppenhaus attackiert. „Als wir zur Polizei gegangen sind, haben die uns nur gesagt, wir hätten uns unauffällig verhalten sollen. Dann hätten wir keine Probleme gehabt.“ Damit sie zusammenbleiben und als Familie glücklich werden können, flohen sie. In Deutschland können sie sorgloser leben.

Zum Regenbogen-Picknick kam auch die Parlamentarische Staatssekretärin Sabine Weiss vorbei, um mit den Frauen zu diskutieren. „Viele Regenbogenfamilien sind automatisch politisch“, hat Tonja Christ vom Deutschen Roten Kreuz beobachtet. Sie leitet das Elterntreffen. Madita Haustein findet: „Uns bleibt auch gar nichts anderes übrig als politisch zu sein.“

>>>Tonja Christ vom DRK leitet die Treffen

Tonja Christ vom Deutschen Roten Kreuz leitet das Treffen für Regenbogenfamilien, das jeweils am 1. Freitag im Monat ab 16 Uhr beim DRK an der Erftstraße stattfindet – inklusive Tobe-Möglichkeiten für die Kinder.

1 Haben Regenbogenfamilien andere Bedürfnisse als andere Familien?

Ja und nein. Mir fällt auf, dass Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern politischer sind. Die Kinder genießen es, mit anderen Kindern aus Regenbogenfamilien zu spielen.

2 Warum?

Auch wenn es kein großes Thema ist und die Kindergärten gut damit umgehen, ist es eben doch so, dass es in jedem Kindergarten meistens nur eine Regenbogenfamilie gibt und sie etwas besonderes sind.

3 Ist das Thema Regenbogenfamilien neu?

Wir als Familienhilfe sind momentan die einzigen, die ein Angebot für diese Zielgruppe haben. Die Arbeit fällt leicht, weil die Mütter konkret sagen, welche Hilfen sie brauchen.