Die Ehe für alle ist das Thema der Woche. Für unsere Serie über die Liebe erzählen Andrea und Nicole Neubauer ihre bewegende Geschichte.

Norbert Lammert hat am Freitagmorgen gerade das Ergebnis der Bundestagsdebatte verkündet, da steht die Flasche Sekt bei Andrea und Nicole Neubauer schon auf dem Tisch. Es ist eine Cuvée Bundestag, ausgerechnet, mit der das Paar auf die Ehe für alle anstößt und Nicole ihre Andrea noch einmal fragt: „Willst du meine Frau werden?“ Die beiden sind bereits verpartnert, nun wollen sie auch heiraten.

Samenspender aus Dänemark

Vor vier Jahren lernten sie sich kennen, zunächst via Internet. Andrea Neubauer arbeitet bei der Kriminalpolizei, und ihre heutige Frau vertreibt für ein Bio-Tech-Unternehmen forensisches Zubehör, etwa für DNA-Analysen. Online tauschen sie sich über den Job aus, später gibt es ein erstes Treffen. „Das war schon wie ein Date“, erinnert sich Nicole Neubauer, die sofort von der fröhlichen, offenen Art eingenommen ist. Andrea sagt: „Nicole ist witzig, geistreich und schön.“ Schnell werden sie ein Paar. Zwei Jahre später macht Nicole ihrer Liebsten im Ski-Urlaub einen Antrag. „Es hat ewig gedauert, bis sie Ja gesagt hat. Sie hatte Tränen in den Augen, als ich sie gefragt habe“, erzählt sie. Die Gattin erwidert: „Ja, vier Zehntel habe ich gebraucht. Aber nur, weil ich heulen musste und vorher nichts sagen konnte.“ Im Standesamt wird mit 80 Angehörigen und Freunden die „eingetragene Lebenspartnerschaft“ und gefühlte Ehe gefeiert. Beiden ist klar: Sie wollen Kinder und möchten eine richtige Familie sein. Nicole ist die Jüngere, deshalb soll sie das Baby bekommen. Doch der Weg zum Glück ist belastend.

Mit einer „Cuvée Bundestag“ wurde angestoßen.
Mit einer „Cuvée Bundestag“ wurde angestoßen. © Lars Fröhlich | FUNKE Foto Services







In Deutschland können bisher nur verheiratete, heterosexuelle Paare eine Samenspende bekommen – das schreibt eine Richtlinie der Bundesärztekammer vor. Einige Kinderwunschkliniken haben sich jedoch auf lesbische Pärchen spezialisiert – und lassen es sich gut bezahlen, sie zu behandeln. Nicole Neubauer und ihre Frau fahren regelmäßig nach Hessen. Sechs Versuche unternehmen sie. Sechs Mal Hoffnung, sechs mal Enttäuschung. „Das ist belastend, auch psychisch“, erklärt die 41-jährige Mutter. Sie wendet sich an eine Düsseldorfer Gruppe, in der sich lesbische Frauen mit Kinderwunsch regelmäßig treffen, und erfährt: Auch bei anderen hat es viele Versuche gedauert. „Wir feiern gerne, irgendwann ist es aufgefallen, dass Nicole nie was trinken konnte und Tabletten schlucken musste. Wir haben enge Freunde eingeweiht und große Unterstützung erfahren.“ Schließlich versuchen die beiden es noch einmal in den Niederlanden. Dort klappt es nach zwei weiteren Samenspenden. „Unser Paul ist ein internationales Produkt“, beschreibt Mama Nicole lächelnd. Der Samenspender ist Däne, die Kinderwunschklinik war in den Niederlanden, zur Welt kommt er im „Bethesda“. Rund 20 000 Euro haben die beiden für die Behandlung ausgegeben. „Heterosexuelle Paare bekommen einen Zuschuss von der Krankenkasse. Wir mussten alles selbst bezahlen. Noch nicht mal das Finanzamt hat die Kosten als außergewöhnliche Belastung anerkannt“, sagt Andrea Neubauer verärgert. Noch schlimmer sei aber die Prozedur gewesen, die sie über sich ergehen lassen musste, als sie den kleinen Paul adoptieren wollte, um auch gesetzmäßig als zweite Mama für ihn zu sorgen. Das Jugendamt kam ins Haus, stellte Fragen. „Das war eine unwürdige Situation“, findet sie – und hofft, dass das anderen mit der neuen Gesetzgebung erspart bleibt.

Die Elternzeit teilen sich die beiden für den zehn Monate alten Sohn. Sie genießen die Zeit miteinander, „auch wenn es fordernd ist. Man kann den Kleinen ja keine Minute aus den Augen lassen“, erklärt die 52-Jährige Andrea Neubauer. Bereut haben die Frauen die Entscheidung nie. „Es ist ein anderes Commitment, wenn man verpartnert ist.“ Jetzt soll es bald auch eine Hochzeit geben. Andrea hat noch einmal „Ja“ gesagt. Diesmal sogar schneller.

Gruppe in Düsseldorf hilft beim Austausch


Das Gesetz über Eingetragene Lebenspartnerschaften wurde vom Bundestag im Jahr 2001 erlassen. 672 homosexuelle Paare lebten 2015 als eingetragene Partnerschaften in Duisburg. Zum Vergleich: 2008 waren es 305. Zuvor wurden die Daten von der Stadt nicht erhoben.

Auskünfte, wie viele Kinder in Duisburg in so genannten Regenbogen-Familien aufwachsen, kann die Stadt nicht geben. Auch eine Beratungsstelle, die sich um spezielle Fragen kümmert, gibt es nicht. Nicole Neubauer besucht deshalb eine Gruppe lesbischer Mütter in Düsseldorf. „Wir sind vom Gleichstellungsbeauftragten in Duisburg, der sich um diese Anliegen kümmern sollte, enttäuscht.“ Dabei gäbe es viel zu tun – etwa Mitarbeiter des Jugendamtes zu schulen oder auch in Schulen und Kindergärten für das Thema zu sensibilisieren.



Wir gehen offen mit dem Thema um. Bisher gab es selten doofe Kommentare“, so Andrea Neubauer.