Duisburg. . Mitreißend bis melancholisch: Jamaram, The Jesus and Mary Chain und die Lucky Chops standen im Fokus des letzten Konzerttages im Landschaftspark.

Wer glaubt, den Besuchern könnte am letzten von drei anstrengenden Festivaltagen ein wenig die Puste ausgehen, der war noch nicht bei der „Traumzeit“. Die Fans vor der Bühne am Cowperplatz ließen sich am Sonntagabend von den energiegeladenen Auftritten von Jamaram und den Lucky Chops mitreißen. Wer da nicht ausgelassen abtanzte, der hatte seine Füße vermutlich vorher in Beton gießen lassen.

Man nehme: eine deftige Portion Ska, gebe noch etwas Reggae, Dub und Rap hinzu – fertig ist Jamaram. Das achtköpfige Musikerkollektiv aus München machte seinen Zuhörern ordentlich Beine. Vor allem Sänger Tom Lugo findet sofort einen Draht zu den Leuten vor der Bühne. Dank seines mächtigen Schnauzbarts könnte er locker als einer der Marx Brothers durchgehen. Sein Bewegungsdrang ist so gigantisch groß wie seine Lust, in die Rolle des Animateurs zu schlüpfen.

Animateur mit Schnauzbart

Lugo beflügelt das Publikum, mit zu singen, mit zu springen, mit zu tanzen. Das Ganze gipfelt in einem Ausflug mitten hinein in die Menschenmenge. Und er rennt mit ihnen wie ein wild gewordenes Aufziehhäschen im Kreis. Was für eine Party! Zum Finale holt Lugo zehn Fans auf die Bühne und studiert mit ihnen eine Spontan-Choreographie ein. Alle anderen machen mit. Der Hammer! Für Bands wie Jamaram ist einst der Begriff „Rampensäue“ erfunden worden.

Im Gegensatz dazu zeigt sich Jim Reid von einer zurückgenommenen, melancholischen Seite. Dere Sänger (56) von The Jesus and Mary Chain hat außer dem obligatorischen Dank für jeden Applaus kaum ein persönliches Wort für die Zuhörer in der Gießhalle übrig. Er umklammert bei Hits wie „I Hate Rock’n’Roll“ nur mit beiden Händen sein Mikro und verbiegt dabei den Oberkörper schräg nach vorn, als würde er unter Magenkrämpfen leiden. Auf die einen wirkt das wie die perfektionierte Coolness, auf andere wie das Herunterspulen einer Pflichtaufgabe. Irgendwie fehlte da das Herzblut.

Von der New Yorker U-Bahn auf die großen Bühnen

Mit spürbarer Lust und Hummeln im Hintern treten hingegen als Festival-Rausschmeißer die Lucky Chops an. Das Sextett musizierte einst für eine Handvoll Dollar in der New Yorker U-Bahn. Die Videos über diese Auftritte wurden im Internet zu Klick-Giganten. Nun steht das Bläserensemble auf den großen Bühnen. Wie nun bei der „Traumzeit“. Mit Tuba, Trompete, Posaune , Saxofon und Schlagzeug zaubern sie einen mitreißenden Sound aufs Parkett, der das Mittanzen zur Pflicht erhebt. Jedem der Musiker wird innerhalb der Stücke auch mal Raum für ein Solo gelassen, doch die mannschaftliche Geschlossenheit steht bei allem Einzelkönnen stets im Vordergrund.

In manchen Momenten klingt das nach Free Jazz und dessen ausufernder Experimentierlust, insgesamt versprüht es aber so viel mitreißenden Funk, dass schnell die Schuhsohlen glühen. Vor allem der Mann an der Tuba ist ein Knüller. Er entlockt seinem mächtigen Instrument derart animalisch tiefe Tonfolgen, dass man Sorgen hat, die Elefanten vom Duisburger Zoo könnten dadurch angelockt werden. Ein großer Spaß. Und würdiges Finale eines traumhaft-tollen Festivals.

>>> KLANGWELTEN UND REKORDBESUCH

Ein Musiker, der mit dem Rücken zum Publikum sitzt, neben ihm ein Flügel auf der einen, ein Keyboard samt Mischpult und Effektgeräten auf der anderen Seite: Martin Kohlstedt genügt diese Ausstattung, um Instrumental-Klangwelten zu schaffen, die verzaubern, die Staunen machen, die Zuhörer tief in ihre Gedankenwelt versinken lassen – zu Recht Ovationen für eine unglaubliche Performance in der Gebläsehalle.

„Sam Fender zählte bei dieser Festivalausgabe zu meinen Favoriten“, sagte „Traumzeit“-Leiter Frank Jebavy. Mit seinem Team freute er sich über einen neuen Besucherrekord: Insgesamt 22 136 Musikfans fanden an drei Tagen den Weg in den Landschaftspark Nord. Zeit fürs Durchschnaufen bleibt kaum: Die Vorbereitungen für die 22. Auflage der „Traumzeit“ (14.-16. Juni 2019) haben bereits begonnen.