Duisburg. . Das Konzept des Vereins setzt auf Hilfe zur Selbsthilfe unter Schülern. Mit der Sekundarschule Hamborn ist nun die zehnte Schule gestartet.
Für Leon ist die Sache klar. „Es macht mehr Bock, hier die Hausaufgaben zu machen“, sagt der Fünftklässler. Hier, das ist die Sekundarschule Hamborn. Seit einigen Monaten lernen dort die jüngeren Schüler mit Unterstützung der Älteren. Nachhilfe als solidarischer Pakt auf Gegenseitigkeit, das ist das Lernprinzip von Chancenwerk. Die Schule an der Kalthoffstraße ist bereits die zehnte in Duisburg, die vom Verein aus Castrop-Rauxel unterstützt wird.
Eigentlich wäre die junge Sekundarschule – sie befindet sich noch im Aufbau, noch nicht reif für Chancenwerk. Zehntklässler übernehmen zumeist die Nachhilfe, aber an der Justus-Liebig-Schule, wie sie künftig heißt, sind die Ältesten erst in Klasse 8. Sie sind deshalb nicht allein, wenn dienstags und freitags am Nachmittag für jeweils anderthalb Stunden Chancenwerk-Zeit ist. Ezgi Balaban, Lehramt-Studentin aus Meiderich, ist als Koordinatorin und bezahlte Mitarbeiterin des Vereins mit dabei. Wenn’s mal hakt, kann auch Lucas Sauerborn eingreifen. Der ist ebenfalls ausgebildeter Lehrer, als hauptamtlicher Mitarbeiter des Vereins verantwortet er die pädagogische Koordination für alle zehn beteiligten Duisburger Schulen, Schwerpunkt ist der Stadtnorden.
Der Auftakt macht Ulf Gutowski Mut. „Ich war und bin enthusiastisch“, sagt der didaktische Leiter der Schule. Fast 40 Achtklässler meldeten sich, um den jüngeren Mitschülern ehrenamtlich zu helfen. Jungs wie Jean-Luca etwa, der mit Chancenwerk seine Lücken in Deutsch und Englisch schließt. „Das ist gut zum Üben“, sagt er und versichert: „Ganz klar, ich werde später auch helfen.“
Wissen als Tauschwährung
Anfängliche Zweifel, ob das Schüler der Klasse 8 nicht überfordert, seien mittlerweile gewichen, sagt Schulleiter Ulrich Ehrentraut. „Hier soll jedes Kind eine möglichst optimale Förderung erhalten. Da wären wir doch schön doof, wenn wir diese Unterstützung nicht angenommen hätten.“
Von einer „Lernkaskade“ spricht Murat Vural, der geschäftsführende Vorsitzende des Vereins gründete Chancenwerk vor 14 Jahren mit seiner Schwester Şerife. „Geld für Nachhilfe haben oft weder die Schüler noch ihre Eltern“, sagt Vural, „deshalb ist unsere Tauschwährung das Wissen.“
Vural, eigentlich studierter Ingenieur, hat die Bedeutung von Unterstützung selbst erfahren. Als Kind türkischer Eltern kam er nach Deutschland, musste sich hier ebenso wie bei zwischenzeitlicher Rückkehr in die Türkei ohne die erforderlichen Sprachkenntnisse durchkämpfen. „In der Türkei war ich der Deutschländer“, sagt der überzeugte Sozialunternehmer, der für sein Engagement als „Bürger des Ruhrgebiets“ ausgezeichnet wurde.
>> Förderer der ersten Stunde
- Die Haniel-Stiftung gehört zu den Förderern der ersten Stunden beim Chancenwerk. „Sie sind etwas ganz Besonderes“, lobt Dr. Rupert Antes, Geschäftsführer der Stiftung, das Konzept des Nachhilfe-Vereins.
- Chancenwerk ist längst über das Ruhrgebiet hinaus gewachsen. In neun Bundesländern, 34 Städten und 86 Schulen hilft der Verein, damit Jugendliche Bildungserfolge unabhängig von ihrer sozialen Herkunft erzielen.