Duisburg. . Es gebe „eine Ballung von riesigen Problemen“, sagt Schuldezernent Thomas Krützberg. Er plädiert dafür, zunächst das Raumproblem zu lösen.

Die Duisburger Schullandschaft ist eine Großbaustelle. Rund 150 Millionen Euro müssen für Sanierungen und Schulraumerweiterung verplant werden, gleichzeitig gilt es, angesichts steigernder Schülerzahlen das System für das nächste Jahrzehnt konzeptionell aufzustellen. Schulen und Elternvertreter mahnen eine Diskussion über den richtigen Weg an. Mit Thomas Krützberg, Beigeordneter der Stadt für Schule und Bildung, sprachen wir über diese und andere Herausforderungen.

Es gibt viel Unruhe in den Schulen. Ist das auch Ihre Wahrnehmung?

Thomas Krützberg: Schule ist wie Kindererziehung. Da kann jeder mitreden, viele haben gute Ideen. Die neuen Aufgaben und Herausforderungen, die sich in den vergangenen Jahren den Schulen gestellt haben, sind beachtlich. Ich nenne nur Zuwanderung und Inklusion, die Rückkehr zu G9. Vieles belastet sie massiv.

Vor allem der Lehrermangel?

Ja. Wir gehen immer wieder auf die Landesregierung zu, denn wir haben die Stellen, aber keine Köpfe. Es gibt eine Ballung von riesigen Problemen. Hinzu kommt, dass angesichts der anhaltenden Zuwanderung in unserer Stadt zu viele Kinder in zu wenig Schulraum sind. Was viele Schulleiter in den vergangenen zwei Jahren an Kreativität und Initiative gezeigt haben, um Schüler zu versorgen, ist aller Ehren wert.

Deshalb sollen nun eine Reihe von Schulen erweitert werden?

Das ist die Konsequenz. Damit sind einige zufrieden, andere nicht.

Muss nicht gleichzeitig auch diskutiert werden, wie die Schullandschaft insgesamt aussehen soll?

Man muss vorsichtig sein. In einer Zeit, wo wir alles daran setzen, das Raumproblem zu lösen, würde uns eine inhaltliche Diskussion in Regionalkonferenzen unter Beteiligung von Land und Bezirksregierung vielleicht alle ein wenig überfordern. Außerdem: Wir bauen nicht blind an, sondern wollen auch mit einem lernpädagogischen Ansatz erweitern. Deshalb sind externe Schulraumplaner dabei.

Gleichwohl wird die Gründung von zwei weiteren Gesamtschulen geprüft. Greift das nicht zu kurz?

Das Ergebnis kann sein, dass wir statt dessen ein neues Gymnasium und eine Grundschule brauchen. Klar ist aber: Der größte Druck liegt auf den Gesamtschulen. Sie werden am stärksten nachgefragt.

Wie geht es weiter mit den Sekundarschulen?

Das System ist nach wie vor in der Duisburger Schulpolitik hoch angesehen. Alle drei haben sich stark bewährt. Wir versuchen, die räumliche Ausstattung zu verbessern. Im kommenden Jahr wollen wir inhaltlich über die Sekundarschule Rheinhausen diskutieren. Zu weiteren Gründungen ist es hier nicht gekommen, weil die Nachfrage der Eltern fehlte. Die Zusagen des Landes für die Sekundarschulen wurden nicht eingehalten. Das haben auch die Eltern registriert.

Die Marxloher Schulleiter kündigen ein Konzept für den Stadtteil an. Kann es Anlass sein für eine breitere Diskussion?

Die Ideen aus Marxloh sind auch gute Ansätze für die gesamte Stadt. Gute Ideen werden wir aufgreifen. Der Zusammenschluss der Schulen ist dabei ein wichtiger Schritt.

Kommt die Diskussion zu spät?

Wir haben gerade die Planung abgeschlossen, jetzt kommen konzeptionelle Überlegungen. Ja, man hätte vieles auch früher diskutieren können, da stimme ich zu.

Gegen die Gründung von weiteren Zweigstellen gibt es Widerstand.

Es ist ein schwieriges Thema. Mit der Leibniz-Gesamtschule in Hamborn bin ich persönlich im Gespräch. Wir prüfen eine Alternative. Aber aus unserer Sicht bleibt die Dependance-Lösung durch die Sanierung der Comenius-Schule die schneller zu realisierende und finanziell bessere Option. Diese Diskussion müssen wir nun auch an anderen Standorten führen.

Das Programm „Gute Schule 2020“ gibt es seit Anfang 2017. Wurde die Zeit nicht genutzt?

Das finde ich nicht. Wir haben uns in einem von allen Beteiligten akzeptierten Abstimmungsprozess auf die Maßnahmen geeinigt und sie vor einem Jahr verabschiedet. Ich hätte mir den Prozess schneller gewünscht, aber allein ein Ausschreibungsverfahren für eine Projektsteuerung dauert lange. Natürlich kann man immer fragen: Warum habt ihr nicht eher reagiert? Aber dass wir 1000 Schüler mehr haben würden, wissen wir erst seit Mitte 2016. Planung für die Zukunft macht das sehr schwierig.

Auf die Versorgung mit Lehrern haben Sie keinen direkten Einfluss.

Es gibt seit Anfang des Jahres sehr aktive Gesprächsrunden des Ministeriums mit den Schuldezernenten der Städte im Ruhrgebiet, auch Düsseldorf und Köln waren dabei. Ich glaube, sie haben schon verstanden, worum es geht.

Aus zahlreichen Schulversuchen weiß man doch längst, wie es geht. Was muss passieren?

Es ist schwierig, von der Projektitis in eine Nachhaltigkeit zu kommen. Die Erkenntnisse sind nicht umgesetzt worden. Deshalb will ich keine Leuchtturm-Projekte mehr. Sie blühen ein Jahr, dann sind alle gefrustet, weil sie aufgelöst werden. Was wir als Stadt verstetigen konnten, ist die Schulsozialarbeit. Aus meiner Sicht ist die Finanzierung durch das Land nun gesichert. Das ist ein Erfolg.

Was geht außerdem?

Wir müssen zunächst umsetzen, wozu wir selbst in der Lage sind. Da gibt es Ideen, die mit einfachen Mitteln zeitnah zu realisieren sind.

Den Lehrermangel löst das nicht.

Das bleibt unser größtes Problem. Das Schulsystem ist am Rande des Kollaps. Die Landesregierung will die Schulpolitik auf bessere Füße stellen. Da werden wir sie beim Revers packen. Wir möchten klare Aussagen dazu haben, wie sie uns helfen können. Bislang bewegt sich da noch zu wenig. Aber zunächst müssen wir das umsetzen, was wir selbst machen können.