Duisburg. . Der Pianist verabschiedet sich mit dem populären 2. Klavierkonzert als Residenzkünstler. Der junge Dirigent Benjamin Shwartz glänzt erneut.
Auf das Kandidaten-Karussell für den Nachfolger von Generalmusikdirektor Giordano Bellincampi sprang jetzt für das 10. Philharmonische Konzert auch der junge amerikanisch-israelische Dirigent Benjamin Shwartz auf. Der ebenso begabte wie smarte Maestro mischte bereits vor acht Jahren als potenzieller Nachfolger von Jonathan Darlington an vorderster Stelle der Bewerberliste mit. Den glänzenden Eindruck, den er damals mit einer außergewöhnlich inspirierten, handwerklich perfekten und geistig reflektierten Interpretation von Mahlers 1. Symphonie hinterließ, konnte Shwartz jetzt in der voll besetzten Mercatorhalle bestätigen, auch wenn die aktuell ausgewählten Werke nicht ganz so tief gründeln wie die symphonischen Riesenschlangen Mahlers.
Ein osteuropäisches Programm mit zwei Repertoire-Knüllern präsentierte Shwartz. Darunter Sergej Rachmaninows überaus populäres 2. Klavierkonzert, für das sich Boris Giltburg, der sich als „Artist in Residence“ in die Herzen des Publikums eroberte, ans Klavier setzte. Giltburg erwies sich erneut als erfreulich sensibler Pianist, der vor allem den feinen, vielfach schillernden und lyrisch strömenden Tönen nachspürte und das Werk nicht als oberflächlichen Übungsplatz für virtuose Kraftakte missbrauchte. Ohne es an nötigem dynamischen Nachdruck missen zu lassen, entstand eine insgesamt duftige, von sentimentalen Entgleisungen freie Interpretation, die gerade wegen ihres unspektakulären Profils die Schönheiten des Werks lupenrein zum Klingen brachte. Darin war sich Giltburg mit dem Dirigenten einig. Shwartz gelang es, den groß besetzten Orchesterapparat luftig, transparent und leuchtkräftig umzusetzen. Eine sehr hochwertige, sehr sympathische Interpretation.
Bartók mit Leuchtkraft
Das orchestrale Highlight des Abends stand mit Béla Bartóks „Konzert für Orchester“ an. Bartóks Referenz an das Boston Symphony Orchestra in der schweren Zeit seines amerikanischen Exils, ein von orchestraler Brillanz sprühendes Werk mit ebenso dankbaren wie kniffligen Aufgaben für alle Stimmen. Hier zeigten sich die Qualitäten des Dirigenten noch deutlicher. Er phrasiert stets lebendig und pointiert und vermag dem Orchester eine ungewöhnlich farbige Leuchtkraft zu entlocken. Dass der Klang auch an dynamischen Höhepunkten nicht außer Kontrolle gerät, liegt an seiner Bereitschaft und Fähigkeit, den dynamischen Grundpegel sehr tief in zartesten Pianissimo-Bereichen anzulegen und nicht in profillosen Mezzoforte-Regionen. Um einem Forte die nötige Kraft zu verliehen, bedarf es da keiner lärmenden Klangkeule mehr.
Begeisterter Beifall
Damit konnten Shwartz und die Philharmoniker den vielfältigen und hohen Anforderungen des Werks nahezu in jeder Hinsicht gerecht werden. Auch dem emotionalen Gehalt der Sätze, die stets ein hintergründig-melancholischer Schleier des unglücklichen Komponisten überzieht.
Wie geschickt Shwartz mit dem Orchester umgehen kann, bewies er gleich zum Auftakt des Abends mit Igor Strawinskys Scherzo Fantastique op. 3, unter dem Titel „Der Bienenflug“ eine Art Antwort auf den „Hummelflug“ seines Lehrers Rimski-Korsakow. Ein effektvolles Werk, erfüllt von den Klangwundern Rimski-Korsakows und Strawinskys eigenem „Feuervogel“.
Begeisterter Beifall für Dirigent, Orchester und den beliebten Solisten, der sich mit diesem Auftritt als „Artist in Residence“ von den Philharmonikern verabschiedete. Und Shwartz hat sich, zumindest aus der Sicht eines neutralen Hörers, wieder in die Spitzengruppe der Kandidatenliste eingereiht. Aber das Karussell dreht sich ja noch bis zum September…