Duisburg. . Norbert Micken zählte ab 2001 zu einem engagierten Team, das das Aus für das Schullandheim in Höchstenbach noch viele Jahre hinauszögern konnte.
Norbert Micken hatte sich seinen Ruhestand eigentlich ganz anders vorgestellt. Aber als der frühere Schulrat aus Rahm 2001 mithelfen sollte, das in finanzielle Schwierigkeiten geratene Schullandheim in Höchstenbach auf Vordermann zu bringen, konnte er nicht nein sagen. Er kannte das Heim zu diesem Zeitpunkt nur von einem Lehrerseminar Mitte der 70er Jahre, war allerdings immer ein Fan von dem Modell „Lernen am anderen Ort“. „Und deshalb habe ich mich von Walter Burchgardt, dem damaligen Vorsitzenden des Schullandheimvereins, gerne überreden lassen“, so der 73-Jährige. „Es wurde dann ein Vollzeitjob.“
In die langen Verhandlungen über einen Vertragsausstieg der Stadt Duisburg, die das Heim wegen hoher Personalkosten schon länger wie ein Klotz am Bein empfand, war Micken sofort federführend eingebunden. Erst Ende 2003 kam es zu einer Einigung. „Durch eine großzügige Abfindung war es uns möglich, die städtischen Bediensteten weiter zu beschäftigen und rund 750 000 Euro in das Gebäude in Höchstenbach zu investieren“, so der Rahmer. „Dach neu, Fenster neu, Heizung neu – wir haben alles komplett saniert.“
Kooperationen mit der Universität
Micken und Co. versuchten in der Folgezeit, den sinkenden Belegungszahlen auch mit Kooperationen zu trotzen – etwa mit der Uni Duisburg, die Studenten in den Westerwald schickte. Dass eine Zusammenarbeit mit der Uni Danzig im letzten Moment nicht zustande kam, sei, so Micken, auch finanziell bitter gewesen. „Die Idee war, Deutschkurse im Heim anzubieten und gleichzeitig einen Kulturkreis mit unserer Uni aufzubauen“, sagt der 73-Jährige. „85 Euro pro Tag an EU-Fördergeldern hätte es gegeben, doch die polnische Seite hat am Ende leider zurückgezogen.“
Micken und Co. schafften es dafür, die Gemeinde vor Ort stärker als bisher ins Boot zu holen. Schüler aus der Region übernachteten fortan im Heim, den Betrieb übernahm 2008 die gemeinnützige Hachenburger Service-Gesellschaft. Ein Jahr später wurde mit der Eröffnung eines Hochseilgartens eine zusätzliche Attraktion geschaffen.
Pfarrer erinnert an Busunglück 1955
Der Pfarrer erinnerte damals bei der Präsentation in seinem Gebet an jenes Busunglück 1955 während eines Ausflugs der evangelischen Frauenhilfe aus Asterlagen mit 18 Toten, das erst zum Bau des Schullandheims führte. Die Gemeinde Höchstenbach hatte danach der Stadt Rheinhausen als Zeichen der Verbundenheit das insgesamt 5000 Quadratmeter große Gelände zur Verfügung gestellt. „Die Tragödie ist unvergessen“, sagt Micken.
Daran ändert auch die Schließung des Heims 2015 nichts. Es wurde für einen symbolischen Euro der Gemeinde Höchstenbach überlassen. Eine Flüchtlingsfamilie hat dort ein Zuhause gefunden. Es wird aber auch für Hochzeiten und andere Events genutzt.
„Es ist ein Trost, dass wir das Haus in einem sehr guten Zustand übergeben konnten“, so Micken. „Das Ende tut trotzdem immer noch ein bisschen weh. Wir waren ein tolles Team und haben so viel Herzblut in das Heim gesteckt.“
Ohne Klamotten wieder nach Hause
Leo Bücken (58) hat das Heim in Höchstenbach im Gegensatz zu Norbert Micken als Schüler erlebt – das erste Mal Ende der 60er Jahre mit einer Klasse der Hauptschule an der Ulmenstraße in Rheinhausen. Weitere Aufenthalte folgten. „Das war eine schöne Zeit“, sagt Bücken. „Es gab sehr naturnahen Unterricht, wir haben viel über Pilze, Insekten, Feldfrüchte und Tiere erfahren und Wanderungen durch den Westerwald gemacht.“
Er erinnert sich auch an kleine Theaterstücke, die im Speisesaal aufgeführt wurden, an den Bolzplatz oberhalb des Heims und an die Sporthalle im Dachgeschoss des Gebäudes direkt über den Schlafzimmern. „Da haben wir Tischtennis und Air-Hockey gespielt und nachmittags kam immer ein Bäcker vorbei und brachte Teilchen für uns Kinder vorbei.“
Schüler konnten sich ins Freie retten
Wilfried Bohnsacks Sohn Ralf gehörte zu den 84 Viertklässlern der Grundschule „Auf dem Berg“ aus Bergheim, die Höchstenbach im Mai 1973 besuchten, als nachts ein Feuer im Heim ausbrach. Zum Glück konnten sich alle Schüler ins Freie retten. Doch die Klamotten gingen mit dem Großteil des Gebäudes in Flammen auf. „Ich erinnere mich noch gut, als er eines Morgens ohne Schuhe, Jacke und Tasche wieder nach Hause kam“, erzählt der 86-Jährige.
Seine Tochter Margit sei ein paar Jahre vorher in Höchstenbach gewesen und habe ebenfalls vorzeitig die Heimreise angetreten. „Das lag aber daran, weil sie fürchterliches Heimweh hatte...“