Duisburg. . Abschied vom Kohlestrom. Die Duisburger Stadtwerke haben ihr Kraftwerk in Hochfeld abgeschaltet. Ein Rundgang, bei dem es still und kühl ist.

Es ist still in der Turbinenhalle. Es ist kühl im Kesselhaus. Im Leitstand stehen die digitalen Anzeigen auf Null: Das HKW 1, das Hochfelder Kohleheizkraftwerk, ist stillgelegt, kalt gefahren. Die letzte Kohle ist verbrannt, die letzten Mitarbeiter halten die Stellung.

Kaffeerunde im Leitstand mit Wehmut. In der Mitte Marc Jäschke (li.)  und Christian Machon, daneben stehend der Betriebsleiter Manfred Lehmann, daneben sitzend rechts Dirk Tenhaken, zweiter von links Andreas Kamps.
Kaffeerunde im Leitstand mit Wehmut. In der Mitte Marc Jäschke (li.) und Christian Machon, daneben stehend der Betriebsleiter Manfred Lehmann, daneben sitzend rechts Dirk Tenhaken, zweiter von links Andreas Kamps. © Lars Fröhlich

Offizieller Endtermin war der 1. April, die Stadtwerke schließen das Kapitel Stromproduktion. Zu teuer, der Energiewende nicht mehr gewachsen. Schon am 15. März, um 12.58 Uhr, ging das HKW 1 vom Netz, um 10 Uhr morgens war der erste Kohlebunker leer, mittags der zweite, stoppten die mächtigen Kohlemahlwerke im Bauch des Kraftwerks. Langsam sanken Temperatur, Dampf und Druck.

Marc Jäschke (45) hat den Ofen ausgemacht. „Das wollte kein anderer machen. Da musste ich ran. Hinter mir haben die Kollegen geschnauft. Ich bin danach direkt rausgegangen“, erzählt er in der Kaffeepausen-Runde im Leitstand. Zu der gehört auch Dirk Tenhaken. „Das ist mein Kraftwerk. Ich kenne hier jede Schraube“, sagt er und schiebt nach: „Der Zusammenhalt unter uns ist groß.“ Und da ist Christian Machon, noch 62. Er kam als erster und geht als letzter. Kesselwärter, Maschinist, Blockleitstandfahrer war er seit 1985. „Als ich kam, war das Kraftwerk noch ein Rohbau. Ich bin hier groß und alt geworden.“ Nun hält er bis Ende des Jahres und seiner Rente die Stellung, beaufsichtigt die Restarbeiten nach der Abschaltung – beim Rundgang durch das abgeschaltete Kraftwerk sehen wir ihn wieder: Irgendwo braucht ein Schloss einen Sprühstoß Maschinenöl.

50 000 Besucher waren im Kraftwerk

„Hier versteht man sonst sein eigenes Wort nicht“, sagt Andreas Kamps l

Still und kühl ist es jetzt in der großen Halle mit dem Generator links und der Turbine mit ihrer 40 Tonnen schweren Welle.
Still und kühl ist es jetzt in der großen Halle mit dem Generator links und der Turbine mit ihrer 40 Tonnen schweren Welle. © Lars Fröhlich

eicht wehmütig in der riesigen Halle mit Turbine und Generator. Viele der 50 000 Kraftwerksbesucher hat er hierhin geführt, in die Herzkammer des Kraftwerks, das in seinen 33 Jahren 19 000 Gigawatt Strom und 11 000 Gigawattstunden Fernwärme einspeiste. Auf seinem Handy zeigt er die letzten Drehungen der Turbinenwelle. „Die durfte nicht einfach austrudeln“, erklärt Betriebsleiter Manfred Lehmann. Das 40-Tonnen-Monstrum musste langsam herunterkühlen, sonst wäre es gebrochen. Noch zehn Tag nach Abschaltung unter Dampf von weit über 500 Grad zeigte der Turbinen-Gradmesser 100°.

Blick von oben in die Brennkammer: 32 Meter hoch und neun Meter im Durchmesser misst der „Ofen“ des HKW 1 in Hochfeld.
Blick von oben in die Brennkammer: 32 Meter hoch und neun Meter im Durchmesser misst der „Ofen“ des HKW 1 in Hochfeld. © Lars Fröhlich

Gänzlich ausgekühlt ist der „Ofen“ im Kesselhaus, die über 30 Meter hohe Wirbelbrennkammer, in deren Neun-Meter-Rund täglich 800 Tonnen Kohle verfeuert wurden. In der Brennkammer hängen in sechs Reihen die wassergefüllten Heizspiralen. Daneben einer der trichterförmigen „Zyklone“, in denen das Rauchgas tornadogleich wirbelte und seine Asche zentrifugierte, um wieder in die Brennkammer geführt zu werden. „Damals war das die größte Wirbelschichtanlage Europas“, sagt Lehmann – so viel Stolz darf sein. „Tschau amigo“ hat jemand an die Wand geschrieben.

Die beiden Kohlebunker wirken geradezu blitzblank

Wo sonst 900 Grad und mehr herrschten, darf jetzt durch eine Luke hineingeschlüpft werden. Blick von oben nach unten, später Blick von unten nach oben durch den gemauerten Riesen-Ofen. Das hat was von Industriemuseum. Im Brennkammerboden liegt noch ein Berg Restasche, gelblich-weißer Staub. Doch die Aufräumarbeiten sind im vollen Gange. Die beiden Kohlebunker wirken geradezu blitzblank, auch um die Brennkammer herum wurde schon gesaugt. In einer blauen Schubkarre liegen geschmolzene Brocken.

Aufräumarbeiten: Schlackereste kommen in die HKW 1-Schubkarre
Aufräumarbeiten: Schlackereste kommen in die HKW 1-Schubkarre © Lars Fröhlich

„Es bleibt aber noch viel zu tun“, weiß Manfred Lehmann. Aus allen Maschinenteilen müssen die Öle abgelassen werden, Kabel müssen abgeklemmt, Rohrleitungen entleert, Aggregate gereinigt und gesichert werden. Vielleicht können ja noch Kraftwerksteile verkauft werden. Und irgendwann wird man das HKW 1 ganz zurückbauen. „Oder wir machen daraus einen zweiten Landschaftspark-Nord“, meint Andreas Kamps lachend.