Duisburg. . Etwa 100 Patienten erhalten die speziell hergestellten Medikamente auf Rezept vom Arzt. 98 Apotheken geben den Stoff an Schmerzpatienten aus.
Seit rund einem Jahr dürfen Ärzte ihren Patienten Cannabis als Arzneimittel auf Rezept verschreiben. Das entsprechende Gesetz trat im März 2017 in Kraft. Seitdem explodiert die Nachfrage. Der Branchenverband der Apotheken hat errechnet, dass Pharmazeuten bundesweit bereits 44 000 Einheiten Cannabis-Blüten auf Kosten der Krankenkassen ausgegeben haben. Theoretisch könnten alle Apotheken die Arzneimittel anbieten. In Duisburg gibt es insgesamt 98, die den Stoff herausgeben dürfen – auch hier ist die Nachfrage groß.
Herstellung in den eigenen Laboren ist aufwendig
„Schätzungsweise hundert Patienten bekommen in Duisburg aktuell Cannabis auf Rezept“, sagt Dr. Christoph Herrmann, Sprecher der Apotheker in Duisburg. Die Medikamente werden dabei in einem aufwendigen Verfahren in den hauseigenen Laboren hergestellt. „Wir bekommen das Cannabis als Harz geliefert. Das wird durch Wärme gelöst und zu einem Öl verarbeitet“, beschreibt Herrmann den Herstellungsprozess. Das Öl wird wiederum maßgenau dosiert und so zu einem individuellen Arzneimittel für die Patiententen verarbeitet. Cannabis in dieser Form als Joint rauchen oder in Kekse einbacken? Das gehe nicht, weiß Herrmann. „Das wäre für medizinische Zwecke nicht geeignet, da so keine genaue Dosierung möglich ist.“ Vielmehr wird es von den Patienten inhaliert oder als Tee getrunken.
Kein Medikament für Süchtige
Um ein Cannabis-Medikament in der Apotheke zu bekommen, benötigen Patienten ein sogenanntes Betäubungsmittelrezept. Es ist medizinisch zur Behandlung von Schmerzen und zur palliativ unterstützenden Medikation gedacht. Cannabis wird unter anderem gegen Übelkeit und zur Appetitsteigerung bei Krebs- und Aidspatienten, bei Rheuma sowie bei spastischen Schmerzen bei Multipler Sklerose eingesetzt. „Es darf nicht verschrieben werden, um die Sucht eines Abhängigen zu substituieren, sondern nur, wenn eine Krankheit sonst nicht therapierbar ist“, erläutert Herrmann die Vorgaben. Das Alter des Patienten spiele dabei keine Rolle. Es kann sogar bei Kindern in einer geringeren Dosis verabreicht werden.
Mittlerweile seien er und seine Kollegen auf die Ausgabe eingestellt. „Natürlich gab es auch bei den Apothekern eine Lernkurve. Wir mussten das Know-How entwickeln und spezielle Techniken für die Herstellung der Medikamente lernen“, sagt er. Auch die Kommunikation zwischen Ärzten und Apothekern funktioniere inzwischen gut. „Es gibt da eine große Bereitschaft von beiden Seiten, das richtig zu machen.“
Krankenkassen haben bürokratische Hürden gebaut
Größtes Hindernis für die Betroffenen seien die bürokratischen Vorgaben der Krankenkassen. Denn die Kosten für das Medikament werden erst erstattet, wenn diese eine Genehmigung erteilt haben. Eine Verschreibung des Arztes allein reicht dafür nicht aus. Gegebenenfalls müssen die Patienten das Medikament zunächst bezahlen und dann die Rechnung zur Kostenübernahme einreichen. „Das dauert zum Teil Wochen, manchmal Monate“, sagt Dr. Christoph Herrmann.
Cannabis-Patientenhilfe in Duisburg gegründet
Christina Huiskamp hat vor einigen Monaten die Cannabis Patientenhilfe Duisburg ins Leben gerufen, die eng mit der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin zusammenarbeitet. In der Gruppe können sich Patienten, Angehörige und Betroffene informieren und austauschen. Auch Christina Huiskamp berichtet von Problemen bei der Verschreibung. „Die Krankenkassen lehnen noch viele Patienten ab“, berichtet sie und fordert eine Nachbesserung des Gesetzes. „Wir grenzen uns bewusst von Kiffern ab, die Cannabis nicht zu medizinischen Zwecken konsumieren“, betont die Gründerin.
Cannabis sei kein Wunderheilmittel, weiß Huiskamp. „Es wirkt bei 50 Prozent der Betroffenen gut, bei 50 Prozent erzielt es nicht die erwünschte Wirkung.“ Bei den Patienten, die auf die Medikamente ansprechen, gebe es jedoch deutlich weniger Nebenwirkungen. „Cannabis greift nicht so stark in den Stoffwechsel ein wie zum Beispiel Opiate“, sagt sie.
Die Gruppe trifft sich montags
Die Gruppe trifft sich jeweils am 2. und 4. Montag in der Selbsthilfe Kontaktstelle an der Musfeldstraße 161. Beginn: 18 Uhr. Nur wer nachweisen kann, dass es eine medizinische Notwendigkeit für den Cannabisgebrauch gibt, darf teilnehmen. Allerdings dürfen sich auch Angehörige der Gruppe anschließen, um sich zu informieren.