Duisburg. . Revierweit sollen sich in den nächsten Jahren mehr Mediziner niederlassen dürfen. Doch schon jetzt ist es schwierig, Nachwuchskräfte zu finden.

Mit einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) dürfen sich im Ruhrgebiet mehr Hausärzte und Psychotherapeuten als bisher niederlassen. Revierweit soll es fast 600 zusätzliche Hausarztpraxen und etwa 85 Zulassungen für Psychotherapeuten geben.

Die ersten 400 Niederlassungsmöglichkeiten sollen in einem zehnjährigen Übergangszeitraum entstehen. Wie viele Ärzte es in Duisburg geben wird, steht bislang noch nicht fest. Sicher ist aber, dass es mehr Anreize geben muss, um junge Mediziner überhaupt zur Niederlassung in der Stadt zu bewegen.

Laut Rechnung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNo) gibt es in Duisburg mit 114 Prozent Hausärzten eine Überversorgung. In der Realität sieht die Lage freilich anders aus. Da gibt es eine Unterversorgung vor allem in den nördlichen Stadtteilen. „Zurzeit gibt es rund 264 Hausärzte in der Stadt, das bedeutet, auf 2134 Versicherte kommt ein Mediziner“, erläutert Christopher Schneider, stellvertretender Sprecher der KVNo. Bundesweit wird jedoch mit einer Messzahl von 1671 Einwohner pro Hausarzt gerechnet. Dieser Schlüssel soll künftig auch im Ruhrgebiet gelten. Demnach müsste es in Duisburg mehr Hausärzte geben.

Viele suchen Nachfolger für Praxen

„Früher gab es hier in Beeck und Bruckhausen noch 16 Hausärzte“, erinnert sich Dr. Eugen Breimann, der in Bruckhausen niedergelassen ist. „Heute sind es nur noch neun.“ Über die Hälfte von ihnen seien bereits über 60 Jahre alt und haben Schwierigkeiten, Nachfolger für ihre Praxen zu finden. „Duisburg hat eben ein schlechtes Image.“ Besonders der Norden der Stadt leide unter Hausärztemangel, im Süden sehe die Lage anders aus. „Dort gibt es mehr Privatpatienten.“

Dass nun die Möglichkeit geschaffen wird, dass sich mehr Mediziner niederlassen, sei durchaus zu begrüßen. Gerade mit Blick auf die Zukunft, der steigenden Anzahl älterer Patienten. Aber kann es gelingen, in den nächsten zehn Jahren Nachfolger anzusiedeln? „Es wird schwierig. Die Ausbildung der jungen Kollegen dauert in der Regel zwölf Jahre“, erklärt Eugen Breimann. „Danach möchten sie in Ruhe arbeiten und ein halbwegs adäquates Einkommen haben.“ Diese Chance bekommen Jungärzte vor allem als Angestellte in Krankenhäusern. Eine eigene Praxis zu eröffnen, sei nämlich mit hohem bürokratischem Aufwand und Risiken verbunden, weiß der 62-Jährige. Verpflichtende Fortbildungen kämen für Hausärzte hinzu. Diese müsse der Mediziner noch nach dem Praxisgeschäft bis 22 Uhr absolvieren. „So komme ich oft auf eine 70-Stunden-Woche.“ Zudem sei die Bezahlung im Bereich Nordrhein schlechter als in vielen anderen Teilen des Landes.

Politik soll Bürokratie abbauen

Der Politik müsse es gelingen, die Bürokratie für Niedergelassene abzubauen und mehr direkte Arbeit am Patienten anzuerkennen. Beispiel Cannabis: Die Nachfrage nach dem Schmerzmittel sei derzeit hoch. „Es müssen Massen an Anträgen für die Krankenkassen ausgefüllt werden“, sagt Breimann. „Dabei würde es doch reichen, wenn wir einfach ein Rezept ausstellen.“

Bei allem Aufwand würde Eugen Breimann dennoch jedem jungen Kollegen seinen Job weiterempfehlen. „Es macht Spaß, weil gerade die Menschen hier im Norden Duisburgs bodenständig, nett und unglaublich dankbar sind.“

>>SPRECHSTUNDE FÜR DEPRESSIVE MENSCHEN

Das Gesundheitsamt, Ruhrorter Straße 195, bietet jeden Donnerstag von 10 bis 11.30 Uhr und jeden ersten Mittwoch im Monat, 16.30 bis 18 Uhr, eine offene Sprechstunde für Hilfesuchende an. In dieser können sich Betroffene kostenlos über Angebote informieren und zunächst abklären, ob es sich tatsächlich um Depressionen oder eine „Bedrücktheit“ handelt.

In einer Erfahrungsgruppe, die bei der PSAG angesiedelt ist, können sich an Depressionen Erkrankte austauschen. Infos: 0176-28819744, www.psag-duisburg.de

Psychisch Erkrankte müssen lange warten 

Menschen, die sich in einer psychischen Krise befinden, müssen in Duisburg viel Geduld haben. Es fehlt nämlich nicht nur an Hausärzten, sondern auch an Psychotherapeuten. Wartezeiten für einen Therapieplatz von mindestens einem halben Jahr bis hin zu anderthalb Jahren sind keine Seltenheit.

Prof. Dr. Peer Abilgaard, Leiter der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik an den Sana-Kliniken.
Prof. Dr. Peer Abilgaard, Leiter der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik an den Sana-Kliniken. © Mike Henning

„In der Versorgung gibt es natürlich regionale Unterschiede“, sagt Prof. Dr. Peer Abilgaard, Leiter der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik an den Sana-Kliniken. Linksrheinisch und im Norden sei die Versorgung schlechter als etwa in Duisburg-Mitte. Zwar habe es mit Einrichtung der Terminvergabe-Hotline und der zusätzlichen Kontingente für Notfallsprechstunden bereits eine Verbesserung gegeben. Dennoch seien die Wartezeiten zu lang, fehle es an Kollegen. In der Klinik habe er eine Warteliste mit rund 100 Patienten, die zum Teil abgewiesen werden müssen. Ob sich durch die Neuregelung wirklich mehr Psychotherapeuten als bisher in der Stadt ansiedeln, bleibe abzuwarten – immerhin gilt Duisburg allgemein als unattraktiv. „Wir suchen bereits jetzt händeringend Nachwuchskräfte.“

Marcel Hellmich, Psychiatriekoordinator im Gesundheitsamt der Stadt
Marcel Hellmich, Psychiatriekoordinator im Gesundheitsamt der Stadt © Stephan Eickershoff

Gleichzeitig steige die Zahl an behandlungsbedürftigen Erkrankungen. „Zum einen durch gesellschaftliche Entwicklungen wie steigende Arbeitsbelastung, zum anderen sind die Menschen sensibilisierter und suchen sich frühzeitiger Hilfe“, weiß auch Marcel Hellmich, der als Psychiatriekoordinator im Gesundheitsamt der Stadt arbeitet. Zudem steige der Bedarf nach Therapieplätzen durch Zuwanderer, die psychische Probleme und Suchterkrankungen aufgrund erlebter Traumata entwickelt haben.

Der Leidensdruck sei bei vielen Patienten hoch. Daher versuche die Erfahrungsgruppe im Arbeitskreis des psychosozialen Dienstes (PSAG) Alternativen wie Sportangebote, Achtsamkeitstrainings oder Selbsthilfegruppen aufzuzeigen. „Das ersetzt zwar keine Therapie, kann aber in akuten Fällen helfen, die Wartezeit zu überstehen.“