Duisburg/Düsseldorf. Im Loveparade-Prozess sagten am siebten Prozesstag weitere Zeugen aus. Sie schildern, wie sie die Massenpanik erlebt und überlebt haben.

Gernot B. wollte am 24. Juli 2010 in Duisburg seine vierte Loveparade feiern, doch er erlebte, wie neben ihm wohl eine junge Frau starb. Beim siebten Prozesstag im Loveparade-Verfahren schilderte der heute 34-Jährige, wie er das Gedränge an der Rampe erlebt hat.

Nach den Videos von der Massenpanik, die am vorherigen Prozesstag im Gericht gezeigt worden waren, konnten sich die Zuhörer im Prozess erneut nahezu bildlich vorstellen, was der recht analytisch auftretende Software-Entwickler in seiner Aussage vor Gericht detailreich schilderte.

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Neben ihm seien junge Frauen in Tränen ausgebrochen, hätten panisch geschrien. Trotzdem habe Gernot B. weiter versucht, einen kühlen Kopf zu bewahren, auch wenn er zeitweise durchaus Angst um sein Leben gehabt habe. „Wir konnten uns weder vor noch zurück bewegen und haben einen Ausweg gesucht.“ Ein zweiter Zeuge beschreibt die Situation später so: „Da ist innerhalb von Sekunden die Hölle los gebrochen. Ich wurde von links und rechts gedrängt und hatte Todesangst.“

Junge Frauen, die aufgrund der Enge und Luftnot in Ohnmacht gefallen waren, versuchten er und andere noch über die Köpfe der Masse zur rettenden Treppe zu transportieren, erzählt der Braunschweiger. Auch einer seiner Freunde droht in dem Gedränge das Bewusstsein zu verlieren. „Ich habe ihm dann mit der Hand ins Gesicht geschlagen, damit der wach bleibt.“

Über Auftritt von Gutachter Still wird später entschieden

Abgelehnt hatte das Gericht zuvor zwei Anträge, in der mehrere Prozessbeteiligte gefordert hatten, den Sachverständigen des ersten Loveparade-Gutachtens, Keith Still, nicht mehr im Verfahren anzuhören. Sie begründeten dies mit einer möglichen Befangenheit des Gutachters. Da der britische Wissenschaftler aber noch nicht zur Verhandlung geladen ist, will das Gericht darüber erst später entscheiden, da auch mit weiteren Anträgen dieser Art zu rechnen sei.

Ebenfalls abgelehnt wurde die Forderung, die Beweisaufnahme mit Tonaufnahmen festzuhalten. Gegen diese Entscheidung kündigte ein Verteidiger jedoch an, dem widersprechen zu wollen.

Und dann war dort ein dunkelhaariges Mädchen: "Ich erinnere mich, dass an meiner Seite ein junger Mann geschrien hat, seine Freundin bekomme keine Luft mehr", sagte er sehr sachlich. Sie hätten noch versucht, sie herauszuziehen, doch es nicht geschafft. Sie habe keine Luft mehr bekommen, plötzlich die Augen verdreht und sei in der Masse der Menschen versunken. „Ich habe noch versucht, ihren Arm zu greifen, habe versucht etwas zu unternehmen.“ Ohne Erfolg. Was aus ihr geworden ist, wisse er zwar nicht, aber: „Ich konnte es mir aber vorstellen. Ich hatte da den Eindruck, dass diese Frau gerade neben mir stirbt.“

Zeuge will, dass die Loveparade-Tragödie aufgeklärt wird

Das alles geschah vielleicht fünf Meter vor der rettenden Treppe, die alle um sie herum im Visier hatten und die sie zu erreichen versuchten. In der sich langsam hin und her wabernden Menschenmenge wurde auch Gernot B. unter Menschen eingeklemt, stand irgendwann nach eigener Aussage "mit fünf oder zehn Prozent Schräglage" in der Masse und wurde schließlich von Helfern an beiden Armen aus der Menge gezogen und gerettet.

Die Erlebnisse bei der Loveparade und während der Massenpanik an der Rampe hatten Gernot B. und seine Begleiter (die alle das Gelände nachher gesund verlassen hatten) sorgsam protokolliert und selbst einen Strafantrag bei der Polizei gestellt. Was ihn und den zweiten Zeugen bei der Duisburger Loveparade insbesondere gewundert hat: Nie vorher habe eine Loveparade auf einem eingezäunten Gelände stattgefunden.

Auch wenn er weder psychisch noch physisch gravierend verletzt worden ist, will der Braunschweiger Gernot B. deshalb, dass die Ereignisse vom 24. Juli 2010 aufgeklärt werden.