Duisburg. Seit einem Jahr ist Bedriye Bana von ihrem Sohn getrennt, er sitzt im Libanon fest, sie in Duisburg. Über 63.500 Menschen berührt das Schicksal.

Die Mutter ist verzweifelt. Seit einem Jahr hat sie nur über Videoanrufe Kontakt zu ihrem inzwischen zweieinhalbjährigen Sohn Mohammed Issa. Jetzt wollen Bürger über eine Online-Petition der Familie helfen. Via change.org, einer Online-Plattform für solche Petitionen, sind fast 64 000 Unterschriften zusammengekommen.

In der Petition erklärt Betriye Bana, die Mutter, warum sie derzeit von ihrem Sohn getrennt ist: Sie kommt aus der Türkei, lebt seit 23 Jahren in Deutschland, hat aber nur einen Duldungsstatus nach abgelehntem Asylantrag. Im Dezember 2016 ist sie zur Beerdigung der Schwiegermutter in den Libanon geflogen. Bei der Rückreise wurde ihrem damals einjährigen Sohn die Einreise verweigert. Er hat nur eine „Fiktionsbescheinigung“, die besagt, dass eine Aufenthaltserlaubnis beantragt ist. Die Gültigkeit erlischt bei Ausreise.

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"Für mich brach eine Welt zusammen"

Mama Betriye ließ Issa bei der Schwägerin. „Ich bin zurück nach Deutschland geflogen, weil der Beamte am Flughafen gesagt hatte, ich könnte das Problem nur persönlich in der Ausländerbehörde Duisburg klären“, schildert die 27-Jährige. „Doch dort sagte man mir, ich sei selber schuld und hätte gar nicht ausreisen dürfen. Für mich brach eine Welt zusammen.“ Anwälte konnten bislang nicht helfen. Eine Klage gegen den Entschluss der Deutschen Botschaft, Issa nicht einreisen zu lassen, war vergebens. Derzeit läuft eine Anfrage für eine Härtefallregelung.

Zur Familie gehören zwei Töchter, eine geht zur Schule, eine ist im Kindergarten. Auch auf Mohammed Issa wartet ein Kindergartenplatz in Marxloh, sagt Bana. Parallel droht ihr die Abschiebung in die Türkei, weil ihr Asylantrag abgelehnt wurde – unter anderem weil sie nicht selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen konnte. Sie habe geklagt, sagt Bana.

Ausländeramt warnte vor einer Ausreise

In der Facebook-Gruppe „Ich bin ein Duisburger, weil...“ wurde die Petition unterstützt und befeuert, minütlich wird unterzeichnet. „Es fühlt sich schön an, dass so viele Menschen meine Hand halten“, freut sich Bana über die virtuelle Unterstützung.

Mitgefühl haben auch die Verantwortlichen bei der Stadt. Pressesprecherin Susanne Stölting sagt, dass das „ein ganz tragischer Fall ist“. Das Ausländeramt habe vor einer Ausreise gewarnt, leider kam die Frage zu spät, da war Bana längst in Beirut.

Ob sich ihr Aufenthaltsstatus ändern lässt, kann erst im Sommer überprüft werden. Dann hätte die dreifache Mutter ein Jahr in einer festen Vollzeitstelle gearbeitet. Auf Seiten der Stadt gebe es „ansonsten keinen Handlungsspielraum“, bedauert Stölting.

 

KOMMENTAR: Von Recht und Menschlichkeit

Man muss nicht mal Mutter sein, um mit Betriye Bana zu fühlen. Ein Jahr von seinem Kind getrennt zu sein ist schlicht tragisch. Kaum auszuhalten die Vorstellung, dass das Kind auch weiterhin 4000 Kilometer entfernt aufwachsen muss. Und zwar völlig losgelöst von der „Schuld“-frage.

WAZ-Redakteurin Annette Kalscheur. Foto: Jörg Schimmel
WAZ-Redakteurin Annette Kalscheur. Foto: Jörg Schimmel

Der Ausländerbehörde ist nichts vorzuwerfen, sie hatte die Familie vor der Ausreise gewarnt. Aber ganz ehrlich: Das Ausländerrecht ist ein so kompliziertes Recht, dass es für den juristischen Laien kaum zu erfassen ist.

Warum werden Menschen über Jahrzehnte nur geduldet, warum darf man als geduldeter Mensch nicht mal zu einer Beerdigung reisen? Und warum ist es so schwer, eine Mutter und ihr kleines Kind zusammenzubringen? Im Sinne der Menschlichkeit sollte das an erster Stelle stehen. Und dann kann nach Recht und Gesetz entschieden werden, wo die Familie künftig lebt.