Duisburg. . Bashar Al Murabea ist 2015 aus Damaskus gekommen. Auf der Bühne spielt er Silvester in „Emigranten“ einen von zwei Flüchtlingen.
Als Bashar Al Murabea am 15. September 2015 Deutschland erreichte, hatte er eine lange, lebensgefährliche Flucht hinter sich. Seither dauert seine beharrliche Suche nach einer besseren Zukunft. Zum Dreh- und Angelpunkt ist für den 28-jährigen Syrer das Stadttheater geworden. Am 31. Dezember spielt er wieder im Foyer III in Slawomir Mrozeks Stück „Emigranten“ einen von zwei Flüchtlingen, die sich in einer Silvesternacht in einem fensterlosen Keller wiederfinden. Der Intellektuelle (Tim Zielke) und der Arbeiter (Bashar Al Murabea) können nicht mit und nicht ohne einander, es kommt zum Showdown. Auf der Bühne steht am Ende die Frage „Was hindert uns daran, eine gute und vernünftige Gemeinschaft zu werden?“
Bashar Al Murabea hatte das Stück schon 2008 in einem Keller in Damaskus gesehen, „drei oder vier Mal, es war eine faszinierende Inszenierung“. In seiner Heimatstadt studierte er Wirtschaft, um etwas über Geld zu lernen, und Schauspiel, sein Hobby. Doch der unausweichliche Militärdienst und die Gefahren des Bürgerkriegs hätten wie eine Wand vor seiner Zukunft gestanden, blickt er zurück. Darum machte er sich auf den Weg. Per Bus in den Libanon, weiter in die Türkei, „wo man uns behandelt hat wie Tiere“, mit 40 Menschen in einem Schlauchboot, das Platz für 20 bot, „scheißegal ob wir ertrinken“, in Todesangst bei Nacht übers Meer nach Griechenland, weiter nach Mazedonien, Serbien, Kroatien, Ungarn, Österreich, mit einem Zug voller Flüchtlinge nach Passau, zufällig in Duisburg gelandet. Ein Jahr verbrachte Bashar Al Murabea im Flüchtlingsheim an der Memelstraße, noch nicht anerkannt, folglich ohne Deutschkurs.
Gemeindehaus mit Bühne
Aber es gab ehrenamtliche Helfer und ein Flüchtlingstreff in einem Gemeindehaus mit Bühne. „Ah, Theater! Das ist wie eine Sucht.“ Bashar Al Murabea schrieb zwei Stücke – ohne Worte, mit Musik, ein lustiges, „bei dem alle mitgetanzt haben“, und ein trauriges, „bei dem auch viele Deutsche geweint haben“. An der Memelstraße lernte er die Studentin Katharina kennen, die im Theater arbeitet. So entstand der Kontakt zu Schauspiel-Intendant Michael Steindl, den Bashar Al Murabea fragte, ob er mitmachen könne. „Ja, aber ich mache Stücke auf Deutsch“, habe er geantwortet. So begann Bashar al Murabea, mit Shakespeare Deutsch zu lernen – in der Jugendclub-Produktion „Maß für Maß“. „Ich habe ein paar Sätze auswendig gelernt, aber die Regisseurin nicht verstanden und den anderen alles nur nachgemacht.“ Er übersetzte sich Szenen, „um zu verstehen, warum ich diese Sätze sage“.
Parallel besuchte er Deutschkurse an der Uni, machte die Integrationskurse, die das Jobcenter verlangte. „Aber ich bin nicht wegen des Geldes hier, ich will nichts vom Jobcenter, ich kann arbeiten und Geld verdienen.“ Ganz oben steht weiterhin das Sprachelernen, bis das Niveau für ein Studium erreicht ist. Der 28-Jährige hat einen Mini-Job am Theater und besucht eine Schule für Erwachsene in Neuss, „Dort sprechen alle Deutsch, ich bin der einzige Araber.“
Auf der Bühne ging es nach „Maß für Maß“ für ihn weiter mit dem Community-Tanzprojekt „Exile“ von Royston Maldoom und der „Spieltrieb“-Produktion „Alice im Wunderland“. Dass „Emigranten“ auf den Spielplan kam, war ein Zufall, aber auch Ergebnis seiner Hartnäckigkeit. „Ich habe die Situation im Flüchtlingsheim erlebt wie im Stück. Wir waren vier in einem Raum, jeder möchte etwas anderes machen. Das ist schwierig.“ Auf dieser Situation basiert das Stück, das der polnische Satiriker im Pariser Exil schrieb. Bashar Al Murabea gewann Tim Zielke, das Zwei-Personen-Stück zu proben. „Eine große Herausforderung wegen des Textes, ich war erst ein Jahr in Deutschland, ich habe Tim gesagt: du muss Geduld haben.“ Dann suchte er nach einem Aufführungsort. Michael Steindl schaute sich eine Probe an – und holte es ins Foyer III. „Ein großes Glück“, sagt Bashar Al Murabea. Und er geht weiter. Schritt für Schritt. Richtung Studium, zugleich mit beiden Beinen im Theater.
Als Rosenverkäufer in „Dreck“
Das nächste Projekt heißt „Dreck“ von Robert Schneider. Wieder erkennt Bashar Al Murabea in einem Theatertext eigene Erfahrungen. Der Monolog eines arabischen Rosenverkäufers spiegele wider, was er täglich höre, Sätze, die sein Anderssein betonen: Du bist Araber, du bist Moslem, ihr habt Kamele, ihr sperrt eure Frauen ein.
Der große Wunsch, mit seiner Familie nicht nur zu telefonieren, sondern sie auch zu sehen, wird sich für Bashar Al Murabea im neuen Jahr nicht erfüllen. „Ich weiß nicht, wann ich sie wieder treffe, das tut manchmal sehr weh.“ Aber seinem anderen großen Wunsch kommt er näher. „Ich will Deutschland etwas geben. Ich will zeigen, dass Flüchtlinge nichts Schlimmes sind. Ich will Gutes bewirken.“
„Dreck“: Ein Monolog mit Musik
„Emigranten“ von Slawomir Mrozek steht am 31. Dezember um 16 Uhr, dann wieder am 6. und 16. Februar auf dem Spielplan.
Die Premiere von „Dreck“ in der Inszenierung von Eva Zitta mit Musiker Wolfgang Völkl ist am 11. März um 19.30 Uhr im Opernfoyer. Das Stück wurde 1993 am Hamburger Thalia-Theater uraufgeführt. Robert Schneider wurde bekannt mit dem Roman „Schlafes Bruder“.