Duisburg. . Mrozeks Stück „Emigranten“ hat nach über 40 Jahren kein bisschen Staub angesetzt. Eine packende Produktion ist im Duisburger Stadttheater zu sehen.
Dass das Stück „Emigranten“ von Slawomir Mrozek als „Spieltrieb“-Produktion auf den Spielplan des Schauspiels gekommen ist, ist eine Geschichte von Zufällen. Der junge Syrer Bashar Al Murabea sieht das Stück 2008 in Damaskus, wo es in einem Keller gespielt wird. 2015 flieht er nach Deutschland und erinnert sich daran, „weil es die Situation in einem Flüchtlingsheim sehr gut widerspiegelt“.
Im Januar 2016 kommt Bashar Al Murabea zum Jugendclub des Theaters, lernt bei Shakespeares „Maß für Maß“ Tim Zielke kennen und fragt ihn, ob er „Emigranten“ mit ihm machen wolle. Anfang Juni gehen die beiden an die Arbeiten am Text und an der Sprache des Stücks, das zwei ganz unterschiedliche Männer in einem Kellerraum hausen lässt.
„Ich bin nicht irgendwohin geflohen, ich bin vor etwas geflohen“
Gerade erst hatten sie mit den szenischen Proben begonnen, als der Schauspieler Michael Altmann starb und Schauspiel-Intendant Michael Steindl auf die Idee kam, mit „Emigranten“ die Lücken im Spielplan zu füllen. Entstanden ist alles andere als ein Lückenfüller. Nicht nur wegen des Themas, dem der im Pariser Exil lebende polnische Satiriker 1974 zwar als Betroffener, aber analytisch, selbstironisch, mit schwarzem Humor und vielen Seitenstichen auf den Grund geht. Dabei hält Mrozek auf intelligente Weise den in Sicherheit und Wohlstand lebenden Einheimischen vor Augen, warum Menschen alles hinter sich lassen, fragt aber auch, warum der Mensch ist wie er ist.
„Ich bin nicht irgendwohin geflohen, ich bin vor etwas geflohen“, sagt AA, wie der intellektuellen Part des Duos genannt wird, während XX, der Analphabet, gekommen ist, um Geld für ein besseres Leben zu verdienen. Tim Zielke spielt den kühlen Rationalisten, der seine Überlegenheit zynisch ausspielt. Als politischer Flüchtling gekommen, lässt er den anderen bei sich wohnen, um dessen „Sklaven-Mentalität“ zu erforschen.
„Arbeitsochse“ und Bauchmensch trifft überheblichen Schwatzkopf
Der „Arbeitsochse“ und Bauchmensch XX hortet sein Geld, um später mit seiner Familie seine Träume zu verwirklichen. Dafür, dass er auf Kosten von AA lebt, erträgt er diesen unablässig Theorien und Worte produzierenden, wichtigtuerischen Schwatzkopf, der angeblich an einem Buch arbeitet. Der treibt XX fast in den Selbstmord, hält ihn aber davon ab, weil der keinen angemessen formulierten Abschiedsbrief zustande bringt.
Tim Zielke, der seinen Textberg bewundernswert bewältigt, und Bashar Al Murabea spielen in der Inszenierung von Michael Steindl dieses absurde Aufeinandertreffen von Theorie und Praxis, von abgehobener Wahrheitssuche und einfachen menschlichen Bedürfnissen über 90 Minuten packend. Am Ende hat der eine sein Manuskript und der andere sein Geld zerrissen. Es bleibt die Frage: „Was hindert uns daran, eine gute und vernünftige Gemeinschaft zu werden?“