Duisburg. . Zwei Klassenlehreinnen wollte das Schulamt von Duisserner Tonschule in den Stadtnorden versetzen. Nach Protesten lenkt die Behörde ein.

Der Lehrermangel in den Grundschulen spitzt sich weiter zu. Nachdem es der zuständigen Bezirksregierung Düsseldorf zum wiederholten Male nicht gelungen ist, in einem Besetzungsverfahren für Entlastung zu sorgen, werden nun Lehrer innerhalb der Duisburger Schulen abgeordnet. Eltern reagieren empört. Ein Sprecher von NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) bezeichnet die Lage an den Grundschulen als „besorgniserregend“.

Eltern: Kinder tragen Folgen des Lehrermangels

Wegen des für Duisburg einmal mehr ernüchternden Ergebnisses des Besetzungsverfahrens im November – da wurden von 88 ausgeschriebenen Stellen an Grundschulen gerade 8 besetzt – greift das Schulamt der Bezirksregierung für die Stadt Duisburg nun zu Abordnungen innerhalb der Stadt. Zwei Lehrerinnen, beide haben Teilzeitstellen und teilen sich eine Klassenleitung der Gemeinschaftsgrundschule Tonstraße, sollen schon in der nächsten Woche nicht mehr in Duissern, sondern in einer Schule im Stadtnorden unterrichten.

Annette Quent-Langer ist Schulrätin im Schulamt der Bezirksregierung für Duisburg.
Annette Quent-Langer ist Schulrätin im Schulamt der Bezirksregierung für Duisburg. © Volker Speckenwirth

Die Eltern der betroffenen Klasse 3 a, die erst am vergangenen Donnerstag davon erfuhren, ärgern sich darüber. „Gleich beide Klassenlehrerinnen abzuordnen, ist ein starkes Stück“, sagt die Elternsprecherin Dr. Nilüfer Sonuc. „Der Weggang der Klassenführung wird die Kinder sicherlich negativ beeinflussen“, fürchtet sie und kritisiert, dass „der Lehrermangel in Duisburg auf dem Rücken der Kinder ausgetragen wird.“

Schulrätin: Schule ist akut unterversorgt

„Für uns ist das ein großer Schock. Die Kurzfristigkeit und der Zeitpunkt sind für uns unverständlich“, schreiben die Eltern Verena Barton und Laurence Andrews. Mit ihnen haben sich weitere Eltern an Annette Quent-Langer gewandt, die zuständige Schulrätin. Von der Tonschule werde für längstens ein Jahr „ein Stundenkontingent an eine Schule abgeordnet, die akut unterversorgt und schnellstmöglich versorgt werden muss“, argumentiert die Schulrätin. Beim Elternabend am Dienstag Erleichterung: Abgeordnet wird nun eine andere Lehrerin der Tonschule, die bisher keine Klassenleitung hatte.

Der eklatante Lehrermangel an Grund- und Förderschulen ist nur eine von mehreren „Großbaustellen“ im Duisburger Bildungssystem. Eine weitere ist eine große Zahl von Kindern und Jugendlichen, die gar nicht erst einen Platz in der Schule bekommen. Das bedeute allerdings nicht, dass die Schulpflicht damit faktisch außer Kraft gesetzt sei, versichert das Ministerium. Bildungsträger planen derweil ein Konzept für ein Angebot zur Überbrückung der Wartezeit.

Dreistellige Zahl von Kindern wartet in Duisburg auf Schulplatz 

Weil an den Schulen Raumnot herrscht, an Grund- und Förderschulen in Duisburg über 100 Lehrerstellen auch nach mehrfacher Ausschreibung unbesetzt bleiben, ist eine dreistellige Zahl von Kindern derzeit ohne Schulplatz. Mehre Bildungsträger denken über ein Konzept nach, um die Wartezeit mit einem Bildungsangebot zu überbrücken.

Genaue Zahl ist kaum zu ermitteln

Betroffen sind vor allem Kinder und Jugendliche aus Flüchtlings- und Zuwandererfamilien. Das macht es so schwer, die Zahl der unversorgten Kinder überhaupt genau zu beziffern. Es gebe welche, die sich noch im Zuweisungsprozess für sogegenannte „Seiteneinsteiger“ befinden, andere die schon registriert, erfasst und eingestuft sind und eine namhafte Zahl, die unbekannt verzogen sind, erklärt Reinhard Wolf, stellvertretender Leiter des Amtes für schulische Bildung: „Briefe, die wir für die Anmeldeverfahren verschicken, kommen körbeweise zurück.“ Bis sich die Familien vom neuen Wohnort meldeten, könne einige Zeit vergehen.

 Reinhard Wolf ist stellvertretender Leiter des Amtes für Schulische Bildung.
Reinhard Wolf ist stellvertretender Leiter des Amtes für Schulische Bildung. © Tanja Pickartz

Derzeit geht die Behörde von einer „niedrigen dreistelligen Zahl“ von Kindern und Jugendlichen aus, die auf einen Platz in einer Schule wartet. Besonders kritisch sei die Lage in den Klassen 5 bis 7, so Wolf. „Da ist die Hütte voll. Es gibt Wartezeiten, auch sehr lange. Die Schulaufsicht ist bemüht, diese Zeiten abzubauen.“

Weil eine kurzfristige Lösung nicht in Sicht ist, sehen die Wohlfahrtsverbände in der Stadt die Notwendigkeit, ein Bildungsangebot zur Überbrückung zu schaffen. „Es ist noch ein ungelegtes Ei“, sagt Stephan Kiepe-Fahrenholz, Geschäftsführer des Diakonischen Werks. Der Pastor bestätigt aber Überlegungen innerhalb der Koordinierungsgruppe Integration/Asyl. Dort haben jene Träger, die eigene Bildungseinrichtungen betreiben, die Erarbeitung eines Konzepts vereinbart. Daran arbeitet Marcel Fischell, Leiter des Ev. Bildungswerks. Klar ist für die Träger: Es muss abgestimmt werden mit der Verwaltung – gefragt ist das Büro Bildungsregion Duisburg und das Amt für schulische Bildung.

Keine Fördermittel für schulische Bildung

„Kreativ aber eine schwierige Baustelle“, heißt es dort. Einfach eine Ersatzbeschulung vorzunehmen, sei kaum möglich, warnt Reinhard Wolf. Um einen gemeinsamen Antrag auf den Weg zu bringen, müsse man wissen: „Für schulische Bildung gibt es keine Fördermittel, schließlich gibt es die Schulpflicht.“ Denkbar sei allenfalls ein Angebot „vorschulischer Sprachbildung“. Um die Schulpflicht auch umsetzen zu können, seien Anstrengungen der Stadt beim Ausbau der Räume und des Schulministeriums bei der Zuweisung von Lehrern erforderlich.

Das NRW-Schulministerium erwarte, dass die Erweiterung der Möglichkeiten zum Seiteneinstieg und zur Beschäftigung von Oberstufen-Lehrkräften in den Grundschulen kurzfristig spürbare Entlastung bringe, teilt ein Sprecher auf Anfrage mit. Das Ergebnis des jüngsten Ausschreibungsverfahrens zeigte aber auch hier: Bei den potenziellen Bewerbern steht der Einsatz in Duisburg nicht oben auf der Wunschliste.

>> Deutlich weniger junge Grundschul-Lehrer

Wegen der verlängerten Lehrerausbildung beendeten im November nur 400 Grundschul-Lehrkräfte ihren Vorbereitungsdienst an den Schulen in NRW. Normalerweise sind es mit rund 800 doppelt so viele.

Die Zahl werde sich in den nächsten Jahren nur langsam wieder erhöhen, prognostiziert das Schulministerium. Es plant 2018 zudem eine Werbekampagne für den Lehrerberuf.