Neudorf. . Stephan Koch und Kai Toss blicken zurück auf die bisherige Leistung der Ehrenamtlichen und erläutern, wie die Arbeit künftig funktionieren soll
Die Stadt möchte künftig alle anerkannten Flüchtlinge in der Memelstraße unterbringen und sie von dort in Wohnungen weiter vermitteln. Das hat auch Auswirkungen auf die Arbeit der Ehrenamtlichen, die sich seit eineinhalb Jahren um die Bewohner kümmern. Sie organisieren beispielsweise ein regelmäßiges Frühstück, bei dem Neudorfer Nachbarn und Flüchtlinge ins Gespräch kommen, geben Sprachkurse oder helfen bei Behördengängen. Kai Toss und Stephan Koch erklären im Gespräch mit WAZ-Redakteurin Fabienne Piepiora, warum aus der Initiative nun ein Verein geworden ist und wie sich die Flüchtlingshilfe in Neudorf künftig aufstellen will.
Können Sie sich noch an die Anfänge erinnern?
Koch: Das war im Herbst 2015. Wir wussten, dass an der Memelstraße eine Unterkunft eingerichtet wird und haben als Nachbarn und Neudorfer überlegt, wie wir die Menschen willkommen heißen können. Bei einem ersten Treffen kamen direkt 80 Leute. Es haben sich sofort erste Gruppen gefunden, die aktiv werden wollten.
Toss: Interessanterweise sind es genau dieselben Gruppen, die auch heute noch Bestand haben: Es gibt diejenigen, die Sprachkurse anbieten, wir haben eine Kleiderkammer, die Gruppe Kultur, Sport und Freizeit macht Angebote, etwa ins Museum zu gehen oder ein MSV-Spiel anzuschauen und andere helfen bei Behördengängen. Nur das Thema Gesundheit ist schnell unter den Tisch gefallen, weil es dort keinen Bedarf gab.
Koch: Als die Flüchtlinge dann eingezogen sind, haben wir Rundgänge mit ihnen durch Neudorf gemacht und Stadtpläne verteilt, damit sie wissen, wo sie einkaufen können, wo es Schulen und Spielplätze gibt. Schnell ist daraus die Idee des Frühstücks entstanden.
Toss: Als wir das erste Mal zum Frühstück eingeladen haben, haben wir acht Tische im Gemeindehaus an der Gustav-Adolf-Straße gedeckt. Wir mussten nach ein paar Minuten direkt in den großen Saal umziehen, weil der Andrang so groß war. Das Frühstück läuft auch heute noch. Manchmal haben wir 150 Leute zu Gast, die Hälfte davon sind in der Regel Flüchtlinge. Jeder bringt etwas zu Essen oder Trinken mit und kommt mit dem Tischnachbarn ins Gespräch. Neulich hat mir ein Syrer erklärt, dass er alle Kontakte, die für ihn wichtig sind, beim Frühstück geknüpft hat. Das ist toll. Es nehmen Nachbarn teil, aber wir hatten auch die Philharmoniker und andere Vereine zu Gast, die sich vorgestellt haben.
Warum hat sich die Initiative nun entschlossen, einen Verein zu gründen?
Koch: Wir wollen, dass die Arbeit weiter geht, auch wenn sich einzelne von uns vielleicht irgendwann zurückziehen.
Toss: Außerdem können wir nun Spendenquittungen ausstellen. Bisher haben wir immer als Einzelpersonen privat gehaftet, wenn die Flüchtlingshilfe von Förderprogrammen profitiert hat.
Koch: Wichtig ist, dass niemand, der sich engagieren will, Mitglied werden muss. Die einzelnen Gruppen der Initiative existieren weiterhin. Sie bestimmen je einen Sprecher, der mit zum Vorstand des Vereins gehört.
Kümmern Sie sich eigentlich auch um die Unterkunft an der Kolonie-straße?
Koch: Wir haben dort auch unsere Angebote bekannt gemacht, einige waren auch beim Frühstück. Aber dort gibt es bestehende Strukturen, dort ist eine so intensive Betreuung nicht erforderlich.
Gab es eine große Fluktuation bei den Flüchtlingen?
Toss: Anfangs nicht. Erst seit einem halben Jahr haben viele Flüchtlinge ihre Anerkennung bekommen und sind nun auf Wohnungssuche.
Das Haus an der Memelstraße steht vor großen Veränderungen. Was bedeutet das für Ihre Arbeit in der Praxis?
Koch: Es muss sich zeigen, in welcher Form die Flüchtlinge, die ja teilweise schon eineinhalb Jahre in Duisburg leben, noch Deutschkurse brauchen. Wenn die neuen Flüchtlinge einziehen, die aber ja alle schon in anderen Unterkünften in Duisburg gelebt haben, werden wir wieder einen Rundgang durch Neudorf anbieten und auf unser Frühstück hinweisen. Es kann aber natürlich auch sein, dass die sich schon gut auskennen. Wir wollen flexibel bleiben in unserer Arbeit und als Partner für die Sozialverbände auftreten.
Toss: Richtig, wir pflegen seit Beginn unserer Arbeit einen kooperativen Stil mit der Stadt. Die Memelstraße ist mit Abstand die größte städtische Unterkunft, und ich finde es gut, dass die Menschen von hier in Wohnungen vermittelt werden. Der Stadtteil hat wenig soziale Probleme und kann die Flüchtlinge gut verpacken. Es fällt kaum auf, ob ein paar syrische Flüchtlinge oder afghanische Studenten über die Oststraße laufen.
Viele Ehrenamtliche, die sich seit Monaten engagieren, haben einen engen Kontakt zu den Flüchtlingen. Gibt’s auch Mitglieder, die nun enttäuscht sind?
Koch: Natürlich finden es einige schade, wenn Flüchtlinge, mit denen sie viel unternommen haben, wegziehen müssen. Der Kontakt kann ja weiter zu ihnen bestehen bleiben. Jeder ist herzlich willkommen, mit uns ein Bier zu trinken. Aber wir sind für die Flüchtlinge in Neudorf zuständig. Uns wäre es sowieso am liebsten, wenn unsere Arbeit am Ende überflüssig werden würde.