Duisburg. . Bruckhausener kritisieren das Gebaren der Polizei am Sonntagabend in Duisburg und wollen Anklage erheben. Videos dokumentieren den Einsatz.

  • Einsatz gegen Falschparker in Bruckhausen wird zu einem Tumulteinsatz
  • Nachbarn erheben schwere Vorwürfe gegen das Verhalten der Polizei
  • Videos dokumentieren den Einsatz. Anwalt der Familie kündigt weitere Videos an

„Wir haben alles auf Video“, sagt Muhammed K, „wir werden die Polizei anzeigen.“ Sein Bruder Mehmet sei gerade bei einem Rechtsanwalt, der Beweise sichern soll. Beweise, die belegen sollen, dass ein Polizeieinsatz wegen Falschparkerei am Sonntag in Duisburg total aus dem Ruder gelaufen ist. Am Ende standen 50 Polizisten 250 Menschen gegenüber, viele Türken darunter. Am ersten Tag des Zuckerfestes. Ausgerechnet.

K. steht mit Nachbarn auf der Reinerstraße in Bruckhausen. Sie zeigen den Journalisten Fotos, Videos, Blessuren. Yakup Bugdayci, zahnspangenzarte 15 Jahre alt, krempelt die Hose hoch: Die Knie aufgeschürft, blaue Flecken an den Waden. Er sagt, die Polizei habe ihn zu Boden geschubst, dann mit einem Teleskopstab geschlagen. Seine Tante krempelt ihren Ärmel hoch: Dicke Hämatome am Oberarm. Auch der Rücken sei lädiert. Muhammed K zeigt ein Video, auf dem ein Polizist von hinten auf eine Frau mit Kopftuch einschlägt. Verwackelte Aufnahmen, in aller Aufregung gefilmt. Vier Mitglieder der Familie Bugdayci seien in die Klinik gefahren, hätten ihre Verletzungen behandeln und dokumentieren lassen, erzählt Yakup.

Hunderttausende haben bereits Facebook-Video vom Polizeieinsatz gesehen

Ein Screenshot aus dem Facebook-Video zeigt, wie ein Polizeibeamter den Falschparker in den Schwitzkasten nimmt.
Ein Screenshot aus dem Facebook-Video zeigt, wie ein Polizeibeamter den Falschparker in den Schwitzkasten nimmt.

Einige Handyvideos sind bei Facebook zu sehen, hunderte Male geteilt, eines hatte Dienstagabend bereits über 600 000 Zuschauer. Sie zeigen, wie eine Streifenwagenbesatzung die Personalien eines Mannes aufnehmen will, der auf der Reinerstraße in Bruckhausen im Parkverbot steht. Am Ende steht die ganze Straße voller Streifenwagen, eine Einsatzhundertschaft läuft auf, zwei Männer werden verletzt, der 49-jährige Parksünder verbringt gar die Nacht im Krankenhaus.

Auf dem Video sieht man, dass Mehmet K. ein Gerät aus dem Kofferraum hebt, seinen Führerschein auf die Motorhaube des Streifenwagens wirft und dann das Gerät zur Haustür trägt. Als er sich daran macht, die Tür zu öffnen, schreitet ein Beamter ein, ruft „Bleiben sie mal hier“, dann „Sie hören überhaupt nicht auf die Polizei“. Als der Mann weiter an der Tür hantiert, ergreift der Beamte den Arm. Schnell entsteht eine Rangelei, der Falschparker wird in den Schwitzkasten genommen, Frauen schreien erschrocken auf, Männer stürzen zur Haustür, schnell steht der Polizeibeamte mit dem Rücken zur Tür, vor sich eine Gruppe von Männern und Frauen. Plötzlich weichen sie zurück, offenbar vor Pfefferspray.

Familie erlebt Verhalten der Polizeibeamten als "demütigend"

Muhammed K. gehört zu jenen, die nach eigenem Bekunden das Pfefferspray zurückscheuchte. „Der hat damit rumgesprüht, als wäre es Parfüm“, schimpft er entrüstet. „Ein Polizist kam auf uns zu und sagte ‘Yalla, yalla, du zahlst eh keine Steuern.’ Das war so demütigend!“ Die Beamten hätten Handschuhe angezogen, „damit wollten sie uns wohl einschüchtern“, mutmaßt Kara.

Der Polizei Duisburg liegen laut Pressesprecherin Daniela Krasch bislang keine Anzeigen gegen Polizeibeamte vor. Die kritisierte Streifenwagenbesatzung habe am Sonntag weitere sechs Autos und ein Motorrad verscheucht, die verbotenerweise auf der Spielstraße parkten und deren Fahrer alle „unverzüglich und widerspruchslos“ der Anweisung folgten, wegzufahren. Mehmet K. habe sich dem widersetzt. Dass er in den Schwitzkasten genommen wurde, sei im „dynamischen Einsatzprozess“ eine durchaus übliche Eingriffstechnik.

Als dann ein 37-jähriger Handyfilmer die Beamten als „Wichser“ beleidigt habe, hätten die Kollegen Verstärkung gerufen. Im Hausflur selbst sei Mehmet K. festgenommen worden, dabei habe er Widerstand geleistet. „Weil es ihm danach nicht mehr so gut ging, hätten die Beamten einen Rettungswagen gerufen, berichtet Krasch.

Was genau im Hausflur passierte, sei per Video dokumentiert, sagt Bruder Muhammed K. Laut WDR ist darauf zu sehen, dass Polizisten gegen den am Boden liegenden Mann getreten haben. Der Anwalt der Familie will die Videos bald veröffentlichen.

SPD-Politiker fordert ein kultursensibleres Vorgehen der Polizei

Der Duisburger SPD-Politiker Ercan Idik sieht die Polizei in der Pflicht, „kultursensibler“ zu werden. Auch ihm selbst begegne man wegen seines nichtdeutschen Namens, seines nichtdeutschen Aussehens oft mit Vorurteilen. Bei Menschen mit Migrationshintergrund verfestige sich ein negatives, repressives Polizeibild. Dem müsse man mit Aufklärungsarbeit über die Rechte und Pflichten der Polizei, aber auch der Bürger begegnen.

Ercan Idik, Sprecher der SPD-Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt, erlebt im eigenen Alltag häufig Vorverurteilungen aufgrund seines
Ercan Idik, Sprecher der SPD-Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt, erlebt im eigenen Alltag häufig Vorverurteilungen aufgrund seines "nichtdeutschen" Aussehens. © Kerstin Bögeholz /Funke Foto Services

SPD-Mann Ercan Idik hat das Video über den Polizeieinsatz auf seiner Facebook-Seite geteilt. Er ärgert sich, dass durch viele Medien in der Öffentlichkeit der Eindruck geschürt wird, die Polizei könne in bestimmten Stadtteilen ihre Arbeit nicht machen, ohne mit der Bevölkerung Ärger zu riskieren. Er selbst würde sich auch ärgern, wenn er derart wegen „so einer Banalität“ wie dem Falschparken von der Polizei angesprochen würde. Und erschrocken habe er sich, wie schnell die Polizei das Pfefferspray gezogen habe.

Idik sagt, dass er häufig ein „nicht schulbuchmäßiges“ Verhalten der Polizei beobachte. „Aufgrund meiner eigenen Erfahrung begegne ich der Staatsgewalt mit einer gewissen Skepsis“, sagt der 55-Jährige. Er beobachte eine „Sündenbockfunktion der Migranten, und das nach über 70 Jahren, das ist fatal für die Gesellschaft“.

UPDATE: Auf Bitten der Betroffenen haben wir die Nachnamen wieder abgekürzt.