Duisburg. Unter den 25.000 Besuchern der „Traumzeit“ tummelten sich viele junge Frauen. Auch sie genossen die entspannte, friedliche Festival-Atmosphäre.
- Das „Traumzeit“-Festival im Landschaftspark Nord lockte an drei Tagen rund 25 000 Besucher an
- Auftritte von Tom Odell, Alice Merton oder den Shout Out Louds begeisterten die Fans
- Auffällig war bei der 19. Festival-Auflage, wie viele junge Frauen sich im Publikum tummelten
Hannah (21) und ihre drei Freundinnen tragen glitzerndes Make-up in Silber und Gold auf den Wangen. „Das ist gerade schwer angesagt“, erzählt die Essenerin und lacht. Zu den Mode-Trends dieses „Traumzeit“-Festivals zählte bei den so vielen jungen Frauen im Publikum aber nicht nur auffällige Schminke, sondern auch ein in die Haare geflochtener Blütenkranz. Die Rückkehr der Blumenkinder.
Direkt in der ersten Reihe vor der Bühne am Cowperplatz haben Hannah und ihr Anhang Position bezogen. Hier spielen gleich die Shout Out Louds. Die schwedische Band um den smarten und Hipsterbart tragenden Sänger Adam Olenius hat es den Mädels angetan. Und das völlig zurecht: Das Quintett liefert ab – nämlich Indie-Pop-Songs der tanzbarsten Sorte.
Fast noch spektakulärer als die Show ist aber das Drumherum. Der Cowperplatz liegt genau zwischen zwei Hochöfen des Landschaftsparks, er bietet somit sowohl den Künstlern als auch den Besuchern faszinierende Blicke auf die Industriekulisse. Und je dunkler es im Verlauf des Abends wird, desto magischer versprüht dieser Ort seinen einzigartigen Zauber.
Kompaktes Festival-Gelände
Zum zweiten Mal nach 2016 hatten Festival-Macher Frank Jebavy und sein Team entschieden, auf die Kraftzentrale als Spielort zu verzichten und stattdessen eine Freiluftbühne an eben jenem traumhaft schönen Ort zu etablieren. Ein Experiment, das glückte. Das gesamte Festival-Areal ist durch die Standortverlagerung nun viel kompakter geworden – mit der Cowperbühne als emotionalem Zentrum.
Doch auch auf und vor den anderen Bühnen reicht die Stimmungslage von beschwipst-beschwingt bis beseelt-verträumt. Am Tauchgasometer wartet wieder das Gratis-Angebot auf jene Besucher, die auf den Kauf eines Festival- oder Tagestickets verzichtet hatten. Hier kommen vor allem lokale und regionale Bands zum Zuge. Von dort ist es ein Katzensprung zur Gastronomie-Meile, die ebenfalls allen offensteht. Ob Burger, Panini oder vegetarische Leckereien: Stärken können sich nach dem kräftezehrenden Feiern vor der Bühne die verschiedensten Geschmäcker.
Fil Bo Riva und die Reibeisenstimme
Mit der Gießhalle haben die Macher ein weiteres Trumpf-Ass auf der Hand. Hier beweisen die Jungs von Fil Bo Riva am Samstagabend, warum sie nicht nur die Musikkritiker, sondern vor allem immer mehr Fans auf ihre Seite gezogen haben. Der gleichnamige Sänger erinnert mit seiner Wuschelfrisur, seinem weit geöffneten Hemd und seinen engen Hosen ein wenig an den jungen Jim Morisson. Doch anders als der Frontmann der Doors verfügt Fil Bo Riva – ein Berliner mit italienischen Wurzeln – über eine Reibeisenstimme. Die nutzt er zwar ungern, um zwischen den Stücken etwas zu erzählen. Zu seinen Songs passt sie hingegen perfekt.
Perfekt ist leider nicht immer das Verhalten der Besucher. Manche quatschen während der Konzerte. Und zwar so laut, dass es sogar die Musiker auf der Bühne mitbekommen. Das stört. Und ist auch Zeichen mangelnden Respekts vor den Kreativen und ihrer Kunst. Andere handeln klüger: Sie gehen einfach zur nächsten Bühne, wenn ein Auftritt sie langweilt. Dieses Prinzip des ständigen Ausprobierens, der permanenten Kommens und Gehens hat Tradition beim „Traumzeit“-Festival – so auch im 20. Jahr seines Bestehens.
Komplexe Klangwelten
Was noch in Erinnerung bleibt? Auf jeden Fall der Auftritt des Klavier-Virtuosen Lubomyr Melnyk am Samstag um kurz vor Mitternacht in der Gebläsehalle. Unfassbar, welch komplexe Klangwelten der 68-Jährige mit seinem Instrument erbauen kann. 20 Minuten und länger dauern seine Instrumentalstücke. Die Zuschauer in der restlos gefüllten Halle lauschten. Staunten. Und träumten...
>> FRANK JEBAVY TRITT ALS FESTIVALLEITER ZURÜCK
Was für ein Paukenschlag: Bei der Vorstellung der Festivalbilanz am späten Sonntagnachmittag erklärte Frank Jebavy seinen Rücktritt als Festival-Leiter. „Ich brauche eine Luftveränderung. Und das Festival braucht einen neuen Impuls“, begründete Jebavy seinen unerwarteten Schritt. Jebavy tritt auf dem Höhepunkt ab. Die knapp 25 000 Besucher der „Traumzeit“ bedeuteten einen neuen Publikumsbestwert seit der Neuausrichtung des Festivals im Jahr 2013. Stärkster Tag war der gestrige Sonntag mit der gefeierten Band Milky Chance aus Kassel als Headliner. (F.P.)
Ein Festival im Wandel