Duisburg. Liebeskummer und Trauer wirken sich auch körperlich aus. Zwei Ärzte im Gespräch über das „Broken Heart Syndrom“.

Manchmal bricht das Herz nicht nur im übertragenen Sinne, sondern es schmerzt körperlich. Ein Gespräch mit Dr. Wolfgang Lepper, Chefarzt der Kardiologie und Intensivmedizin im St. Johannes, und Dr. Simon Cohen, Chefarzt der Psychiatrie, Psychotherapie und Gerontopsychiatrie, der erklärt, wie man am besten mit Trauer und Liebeskummer umgeht.


Was genau ist das Broken-Heart-Syndrom?

Dr. Wolfgang Lepper, Chefarzt im Helios-Klinikum St. Johannes.
Dr. Wolfgang Lepper, Chefarzt im Helios-Klinikum St. Johannes.

Lepper: Das „Broken-Heart-Syndrom“, auch Stress-Kardiomyopathie oder Tako-Tsubo genannt, ist eine seltene, akut einsetzende und oft schwerwiegende Funktionsstörung des Herzmuskels. Die Symptome treten meist kurz nach einer außerordentlichen emotionalen oder körperlichen Belastung auf und gleichen denen eines Herzinfarktes. Erst eine Herzkatheter-Untersuchung zeigt, dass die Herzkranzgefäße nicht verstopft sind.

Wie oft kommt es vor?

Lepper: Es handelt sich um eine seltene Erkrankung, die erstmals Anfang der 90er-Jahre als eigenständiges Krankheitsbild beschrieben wurde. Von allen Patienten, die mit Verdacht auf eine akute Herz-Kreislauferkrankung in eine Klinik eingeliefert werden, trifft nur auf etwa ein bis zwei Prozent die Diagnose Broken-Heart-Syndrom zu. Die meisten der Patienten sind 50 Jahre oder älter, Frauen dabei deutlich häufiger betroffen als Männer.

Wodurch wird es ausgelöst?

Dr. Simon Cohen, Chefarzt der Psychiatrie, Psychotherapie und Gerontopsychiatrie.
Dr. Simon Cohen, Chefarzt der Psychiatrie, Psychotherapie und Gerontopsychiatrie.

Cohen: Die Ursache der Stress-Kardiomyopathie ist unklar. Da das Broken-Heart-Syndrom überwiegend ältere Frauen nach schweren Schicksalsschlägen – etwa dem Verlust des Ehepartners – trifft, lautet eine Theorie, dass der relative Mangel an Östrogenen in der Menopause möglicherweise die Wirkung von Stresshormonen verstärkt. Aber nicht nur negative Emotionen können das Herz derart belasten, auch ein freudiges Ereignis – wie eine Überraschungsparty oder eine Hochzeit – kann derartige Symptome auslösen, allerdings weit seltener. Dann spricht man vom sogenannten „Happy-Heart-Syndrom“.

Was läuft im Körper ab, wenn jemand trauert oder starken Liebeskummer hat?

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Lepper: Wissenschaftler vermuten, dass die extreme Belastung das vegetative Nervensystem der Betroffenen besonders stark aktiviert. Dabei werden zahlreiche Stresshormone ins Blut abgegeben. Diese wiederum überreizen die Herzwand, vor allem in der Nähe der Herzspitze. Ein Einstrom von Kalzium in die Zellen führt dann wahrscheinlich zur Verkrampfung des Herzmuskels, möglicherweise verkrampfen auch die Gefäße. Das löst dann Symptome aus, die denen eines Herzinfarkts ähneln.

Kann man aktiv etwas tun, damit es einem besser geht?

Cohen: Neben den medizinischen Möglichkeiten, das Herz etwa durch Medikamente wieder zu entlasten, spielen auch psychische Veränderungen eine große Rolle. Im Zuge der Trauerarbeit ist die Perspektive der Betroffenen oft stark eingeschränkt, das ganze Leben dreht sich um den Verlust. Neue Erfahrungen und Eindrücke können das verändern. Es kann also helfen, in der akuten Situation soziale Kontakte wahrzunehmen, zum Schweigen oder Trauern, aber vor allem um die auf den Schmerz fokussierte Perspektive aufzubrechen.

Heilt die Zeit wirklich alle Wunden?

Cohen: Zeit heilt nicht alle Wunden, aber sie kann uns dabei helfen, den Verlust eines geliebten Menschen soweit zu verarbeiten, dass der Schmerz darüber nicht mehr unser ganzes Leben bestimmt.

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