Duisburg. . Im Sexualkunde-Unterricht klärt Lehrerin Eva Hoffmeister die 9c des Landfermann-Gymnasiums auf. Die meisten Schüler kennen sich schon aus.

Daniel schaut sich interessiert den Streifen mit den kleinen hellen Pillen an. „Ist in der Dienstagspille etwas anderes als Mittwoch?“ In der 9c des Landfermann-Gymnasiums steht in diesem Halbjahr „Humanbiologie“ auf dem Lehrplan. Es geht um das Immunsystem, Infektionskrankheiten und Sexualkunde. Heute wird besonders viel geraunt und gekichert: Verhütung ist das Thema der Stunde. Lehrerin Eva Hoffmeister hat Penis-Modelle mitgebracht. Die Jungen und Mädchen sollen üben, wie man ein Kondom richtig überstreift.

Lehrerin Eva Hoffmeister bleibt ganz sachlich

Eva Hoffmeister bleibt ganz ruhig und sachlich. Sie fragt: „Was sind die Vorteile, wenn man mit einem Kondom verhütet?“ Ein Schüler antwortet: „Die gibt’s überall zu kaufen und sie schützen auch vor Geschlechtskrankheiten.“ Die Lehrerin nickt. „Sie sind ziemlich sicher“, weiß ein Mädchen. „Stimmt, sie haben einen Pearl-Index von sieben, das heißt 7 von 100 Frauen werden ungewollt schwanger“, klärt Eva Hoffmeister auf.

Eine Spirale ist eher für ältere Frauen geeignet.
Eine Spirale ist eher für ältere Frauen geeignet. © Jörg Schimmel

Nur die Pille ist noch sicherer, da liegt die Zahl der ungewollten Schwangerschaften bei 0,2 pro 100 Frauen. Aber die müsse eben auch regelmäßig genommen werden. Bei der Pille, so steht es auf dem Übungsblatt, handelt es sich um ein hormonelles Verhütungsmittel, ein Kondom ist hingegen ein mechanisches.

Dann zeigt die Pädagogin den Teenagern eine Art Gummikappe. „Das ist ein Kondom für die Frau, ein so genanntes Diafragma. Es wird in die Scheide eingeführt.“ Die Mädchen gucken skeptisch. Allerdings liegt die Zahl der ungewollten Schwangerschaften bei 1 bis 20. Frau brauche also schon ein bisschen Erfahrung. Auch die Drei-Monats-Spritze sei eher für Ältere gedacht.

Die Frage nach der Größe wird oft gestellt

Dann sollen die Jugendlichen ausprobieren. Eva Hoffmeister verteilt Penisse aus Gummi und Styropor sowie Kondome. Großes Gelächter. Zu Beginn der Unterrichtsreihe konnten die Jungen und Mädchen anonym Fragen auf Zetteln notieren. „Wir groß sollte ein Penis sein?“, wurde oft gefragt. „Die Größe spielt eine Rolle bei den Jungen“, weiß die Lehrerin.

Die Mädchen seien manchmal verschreckt, wenn sie sehen, wie groß das Gemächt tatsächlich werden kann. Eva Hoffmeister beruhigt sie dann, dass die Scheide dehnbar sei, schließlich passe ja auch ein Kind durch.

Das Anschauungsobjekt, das die Neuntklässler vor sich haben, misst erigiert 13 Zentimeter. Jana packt „die Lümmeltüte“ aus. „Iih, voll glibschig. Wie eine Qualle“, sagt die 14-Jährige und verzieht das Gesicht. „Das ist normal. Ihr könnt euch gleich die Hände waschen“, erklärt die Lehrerin und streut noch ein paar Fakten rund um das Kondom ein.

Lehrerin Eva Hoffmeister geht ruhig und sachlich an das Thema heran.
Lehrerin Eva Hoffmeister geht ruhig und sachlich an das Thema heran. © Jörg Schimmel

Schon 1200 vor Christus verwendete König Minos eine Art Kondom. Es bestand aus Ziegenblase. Im 18. Jahrhundert galt Casanova als Kondom-Befürworter und 1839 stellte Charles Goodyear das erste Exemplar aus Gummi her. „Ihr müsst auf jeden Fall darauf achten, dass ihr es richtig herum überstreift. Wenn’s doch mal falsch ist, ein neues nehmen.“ Das Reservoir müsse oben sein.

Die erste Freundin hatte Sinan bereits

„Gib mal her“, sagt Lennart und schnappt sich das Modell. Der 14-Jährige und seine Sitznachbarn Daniel (15), Sinan (14) und Maurice (15) fühlen sich schon ziemlich aufgeklärt. „Das hatten wir doch schon mal in der vierten Klasse“, erklärt Daniel.

Sinan hatte sogar schon einmal eine Freundin, ein Mädchen vom „Hildegardis“. „Unsere Eltern waren befreundet, so haben wir uns kennen gelernt“, erzählt er. Zehn Monate hat die Beziehung gehalten, dann hat sie Schluss gemacht. „Eigentlich bin ich ziemlich selbstbewusst, was Mädchen angeht“, sagt Sinan.

Maurice stimmt zu. „Es kommt schon auf die inneren Werte an. Aber ich achte auch auf die Rundungen“, gibt er zu. Chiara und Hannah hatten noch keinen Freund. Chiara hat ihren ersten Besuch beim Frauenarzt aber schon hinter sich. Sie nimmt die Pille, „aber nur wegen der Pickelchen.“

Die Liebe beschäftigt die Neuntklässler übrigens allgegenwärtig. Im Deutsch-Unterricht besprechen die Schüler mit Eva Hoffmeister Liebes-Gedichte. Außerdem haben sie Plakate gemalt, was für sie in der Liebe wichtig ist. Bei den Antworten sind die Jugendlichen ganz ernst: „Miteinander reden können“, steht darauf. Aber auch „Zuneigung“ „Vertrauen“ und „in guten wie in schlechten Zeiten zusammenhalten“.

„Pro Familia“ beantwortet Fragen

Rund 2650 Schüler werden pro Jahr von Peter Rüttgers und Marlene Lang-Mielke aufgeklärt. Die beiden arbeiten als Berater für den Verband „Pro Familia“. „Pro Familia“ bietet etwa Sexual- und Partnerschaftsberatung an, informiert zu den Themen Schwangerschaftsabbruch oder Familienplanung – und hat auch ein umfassendes Beratungsangebot für Teenager.

Peter Rüttgers und Marlene Lang-Mielke beraten rund 2650 Schüler pro Jahr.
Peter Rüttgers und Marlene Lang-Mielke beraten rund 2650 Schüler pro Jahr. © Ute Gabriel / FUNKE Foto Services

Die meisten Jugendlichen kommen als Klasse in die Beratungsstelle auf der Königstraße. „Das nimmt schon einmal die Hemmungen, wenn wirklich ein Thema anliegt“, sagt Peter Rüttgers. In jedem Gespräch betont er, dass die Mitarbeiter der Schweigepflicht unterliegen und nichts verraten wird, was die Jugendlichen ihnen anvertrauen.

Manchmal fehlt den Jugendlichen das richtige Wort

Getrennt nach Jungen und Mädchen werden bei den Klassenbesuchen die drängendsten Fragen besprochen. „Mädchen haben manchmal Fragen zum Jungfernhäutchen, und wie sich das wieder herstellen lässt“, erklärt Marlene Lang-Mielke. Jungs wollen wissen, ob es schlimm ist, schwul zu sein, oder haken nach, wenn sie mal im Internet etwas über Sex gesehen oder gelesen haben.

„Manchmal fehlen den jungen Leuten auch einfach die Worte, dann ist die Sprache eher vulgär“, beschreibt Marlene Lang-Mielke, die mit ihrem Kollegen manchmal auch Viertklässler aufklärt oder beispielsweise die Förderschulen besucht.

In Kooperation mit der Aidshilfe und anderen Einrichtungen veranstaltet „Pro Familia“ regelmäßig Aufklärungs-Rallyes. Die Teenager müssen zum Beispiel herausfinden, ob es in der Innenstadt latex-freie Kondome zu kaufen gibt und andere Aufgaben lösen. So lernen sie andere Beratungsstellen kennen und wissen, an wen sie sich im Ernstfall wenden können.