Duisburg-Neudorf. . Werner Pöhling führt anekdotenreich durch Neudorf und erzählt von Hügelgräbern, eisenverarbeitenden Betrieben und Kolonisten mit Schafen.
Von Experten geradezu umzingelt ist Werner Pöhling bei seiner Führung durch den Heimatstadtteil Neudorf. Die kurze Vorbesprechung am Treffpunkt Grabenstraße, Ecke Koloniestraße bringt schnell an den Tag: Es sind lauter zugezogene oder ehemalige Neudorfer, die gemeinsam mit dem inzwischen pensionierten Sprecher des Kultur-und Stadthistorischen Museums ihren Heimatort frisch betrachten wollen.
„Im 18. Jahrhundert war das hier alles noch Heide, die Neudorfer Böden sind sandig, deshalb hatten die ersten Kolonisten, nach denen die Koloniestraße heißt, auch vor allem Schafe“, erläutert Pöhling. Einfach sei es für die Kolonisten aus dem Darmstädter Raum nicht gewesen, zwischen Duisburger Wald und Landwehr heimisch zu werden. Der karge Boden warf wenig ab, die Siedler beschwerten sich beim Magistrat und galten den Duisburgern bald als Nörgler.
Sehr große Schiffsanker aus einer sehr kleinen Straße
Diese Fremden, hatten die nicht schon mehr städtische Sonderleistungen bezogen als die Einheimischen? Steuerbefreiungen und so weiter? Und schickten die nicht trotzdem ihre Kinder betteln? Pöhling grinst beim Erzählen und seine Zuhörer nicken: Ja, klingt irgendwie vertraut.
Die Koloniestraße entlang erinnern sich alle gegenseitig an die vielen eisenverarbeitenden Betriebe, die es früher hier gab und spähen in der Wildstraße auf das ausgedehnte Firmengelände der „Kettenfabrik und Hammerwerk D’Hone“, die in einer sehr kleinen Straße sehr große Schiffsanker herstellt. Weiter geht’s Richtung Ein-Schornstein-Siedlung. Dort übernehmen Maria Holtermann und Ingrid Görtz kurz die Führung. Sie überbieten einander mit lebendigen Erinnerungen an die Zeit, als man sich noch am Waschtag im Gemeinschaftswaschhaus in Früh- und Spätwaschzeit einteilen musste. Und auf der Gabrielstraße hinter jedem Fenster ein Geschäft war. Die Siedlung im Stil der neuen Sachlichkeit von 1928 bot begehrten Wohnraum für Angestellte.
Viele Wohnungen für Kriegsversehrte
Am ehemaligen Haus Gellert fällt einem Teilnehmer ein, wie er als Kind immer den damaligen Hausmeister der Mozartschule aus der Kneipe holen musste, damit der endlich die Schulmilch austeilt.
Über die Lorzingstraße geht es Richtung Alter Friedhof. „Das hier waren früher Wohnungen für Kriegsversehrte“, sagt Pöhling der schon lange selber hier lebt, „ dabei sind die voller Treppen, aber ich schätze es war entscheidend, überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben.“
Industrielle und Roma-Könige
Der Friedhof spannt einen weiten Bogen von dem eisenzeitlichen Hügel der „niederrheinischen Hügelgrabkultur“, über die verwitterten Soldatengräber aus dem Krieg von 1870/71 und die repräsentativen, aber hochwassergefährdeten Gruften der Industriellenfamilien bis zu den Gräbern der Roma-Könige, die immer zu Allerheiligen Verwandtenbesuch bekommen. „Im Hügelgrab buddeln ist aber sinnlos“, mahnt der Experte noch zum Schluss der Führung, „die Pötte, die da drin waren sind längst alle bei uns im Museum.“